BSG Beschluss v. - B 10 ÜG 18/17 C

Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - Erforderlichkeit der substantiierten Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs - Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist - Unzulässigkeit einer auf Gehörsverletzung gestützten Gegenvorstellung

Gesetze: § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 178a Abs 2 S 1 SGG, § 178a Abs 2 S 5 SGG, § 178a Abs 4 S 1 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: SG Marburg Az: S 5 AS 82/05 Urteilvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 6 AL 8/08 Urteilvorgehend Az: B 4 AS 18/12 B Beschlussvorgehend SG Marburg Az: S 5 AS 82/05 Beschlussvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 6 SF 5/16 EK U Urteilvorgehend Az: B 10 ÜG 3/17 BH Beschlussvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 5 SF 19/13 EK ASnachgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 6 SF 54/17 EK SF Urteil

Gründe

1I. Mit Beschluss vom hat der Senat den Antrag des Klägers abgelehnt, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen PKH zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Der Beschluss ist dem Kläger am gegen Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Er hat dagegen am persönlich beim BSG Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben und seinen Antrag auf PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde erneuert.

2II. Dem erneuten Antrag des Klägers auf PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde in Verbindung mit einer Anhörungsrüge und Gegenvorstellung ist sinngemäß auch der Antrag zu entnehmen, ihm für das letztgenannte Verfahren PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu bewilligen.

31. Dieser Antrag ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung - hier: für das Anhörungsrüge- und Gegenvorstellungsverfahren - hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.

4a) Unabhängig davon, ob eine Anhörungsrüge gegenüber einem PKH ablehnenden Beschluss zulässig ist oder darin ein zweites voll zu überprüfendes PKH-Gesuch zu sehen ist (vgl BVerfG <3. Kammer> - BVerfGK 18, 360), ist die Anhörungsrüge des Klägers nach § 178a Abs 4 S 1 SGG bereits deshalb als unzulässig anzusehen, weil diese verfristet ist. Denn der Kläger hat sie entgegen § 178a Abs 2 S 1 SGG nicht innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben. Frühester, in aller Regel aber auch spätester Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist die Zustellung der gerichtlichen Entscheidung (Flint in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 178a SGG RdNr 59). Die Zustellung des Senatsbeschlusses über die Ablehnung von PKH erfolgte laut Postzustellungsurkunde am , einem Donnerstag. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, erst nach diesem Datum Kenntnis erlangt zu haben (vgl § 178a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGG). Die Zwei-Wochen-Frist des § 178a Abs 2 S 1 SGG begann damit nach § 64 Abs 1 Alt 1 SGG am Tag nach der Zustellung, am , zu laufen. Sie endete nach § 64 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGG am Donnerstag, , um 24 Uhr. Die Anhörungsrüge am Freitag, , war daher verfristet.

5Unabhängig davon hat der Kläger mit seiner Anhörungsrüge die behauptete Verletzung recht-lichen Gehörs nicht dargelegt, wie es § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 2 S 5 SGG verlangt. Eine solche Darlegung erfordert einen substantiierten Vortrag, aus dem sich ableiten lässt, in welcher Weise das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist; zumindest sind im Wege einer eigenständigen Auseinandersetzung schlüssig die Umstände aufzuzeigen, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt (BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 2). Für den anwaltlich nicht vertretenen Kläger sind diese Maßstäbe weniger streng zu handhaben. Indes legt der Kläger auch nach diesem abgesenkten Maßstab weder eine Überraschungsentscheidung noch eine unzureichende Berücksichtigung seines früheren Beschwerdevorbringens dar (vgl hierzu B 7a AL 38/05 B - SozR 4-1500 § 178a Nr 2).

6Es kann dahingestellt bleiben, ob das LSG in der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung entgegen der Entscheidung des - NJW 2014, 2443) entschieden hat, wonach das Anhörungsrügeverfahren und das vorangegangene Hauptsacheverfahren ein einheitliches Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG darstellen. Der Senat hat mit seinem angegriffenen Beschluss vom hierzu ausgeführt, dass auch mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH die eingereichte Klage zu spät erhoben worden ist. Soweit der Kläger dies mit der Anhörungsrüge infrage zu stellen sucht, verkennt er deren Funktion (vgl B 10 ÜG 17/17 C).

7b) Ebenso unzulässig ist die vom Kläger erhobene Gegenvorstellung. Eine Gegenvorstellung ist auch nach Einführung der Anhörungsrüge jedenfalls insoweit weiter statthaft, als mit ihr keine Verletzung von Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG geltend gemacht und keine Korrektur einer unanfechtbaren Entscheidung verlangt wird (vgl - BFHE 225, 310 unter Hinweis auf ). Sie setzt voraus, dass dem Betroffenen - außerhalb einer Gehörsverletzung - grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden ist, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (vgl - SozR 4-1500 § 60 Nr 7; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 24). Indes hat der Kläger seine Gegenvorstellung überhaupt nicht eigenständig begründet, sondern letztlich nur zur vermeintlichen Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgetragen. Insoweit schließt die Möglichkeit der Gehörsrüge nach § 178a SGG eine Gegenvorstellung aber aus.

82. Die vom Kläger gegen die Ablehnung der PKH mit Beschluss vom erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung sind aus den unter 1. genannten Gründen als unzulässig zu verwerfen.

93. Ebenfalls abzulehnen ist damit der (wiederholte) Antrag des Klägers, mit dem er PKH für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde begehrt. Dieser Antrag hat aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom nach wie vor keine Aussicht auf Erfolg. Zudem ist die Frist zu ihrer Einlegung inzwischen verstrichen. Gründe für eine Wiedereinsetzung sind nicht ersichtlich. Damit bleibt es bei der Ablehnung des klägerischen PKH-Antrags.

104. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

115. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, da eine streitwertunabhängige Festbetragsgebühr nach Nr 7400 Kostenverzeichnis Anl 1 zum GKG anfällt.

12Mit einer Bescheidung weiterer vergleichbarer Eingaben in dieser Sache kann der Kläger nicht rechnen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2017:280917BB10UEG1817C0

Fundstelle(n):
MAAAG-63960