BFH Beschluss v. - XI B 86/01

Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist der Verein E e.V. Im Freistellungsbescheid für die Kalenderjahre 1990 bis 1992 hatte das Finanzamt X die Gemeinnützigkeit des Antragstellers für Spendenzwecke unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis längstens vorläufig anerkannt. Mit Bescheid vom wurde dem Antragsteller die Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit für 1993 bis 1995 wegen fehlender Förderung der Allgemeinheit aberkannt. Die Körperschaftsteuer wurde auf 0 DM festgesetzt. Der Einspruch gegen diesen Bescheid wurde zurückgenommen.

Unter dem hat das Finanzamt X u.a. gegen den Antragsteller Haftungsbescheide über 62 160 DM Einkommensteuer/Körperschaftsteuer und 15 540 DM Gewerbesteuer erlassen. Im Jahr 1999 wurde die Geschäftsstelle des Antragstellers verlegt; der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) wies die Einsprüche des Antragstellers als unbegründet zurück. Die Klage ist beim Finanzgericht (FG) anhängig.

Nach erfolglosem Antrag beim FA setzte das FG die Vollziehung eines der angefochtenen Bescheide teilweise (wegen Gewerbesteuer in Höhe von 10 740 DM) aus. Das FA habe das Vorliegen des Haftungstatbestandes gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 2. Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. § 9 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) —Veranlasserhaftung— für die Jahre 1993 bis 1996 zu Recht bejaht. Eine Fehlverwendung von Spenden sei gegeben, wenn der Spendenbetrag nicht zu dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet werde. Dasselbe gelte erst recht, wenn eine Spende von einer im Verwendungszeitpunkt nicht gemeinnützigen Körperschaft verwendet werde (Urteil des Hessischen , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 757). Die vorläufige Anerkennung stelle nur eine unverbindliche Auskunft dar. Ob die Körperschaft die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfülle, werde erst im Veranlagungsverfahren entschieden. Auf ein Verschulden der handelnden Personen komme es nicht an. Unerheblich sei, ob es sich um eine sog. Durchlaufspende handele. Der Antragsteller hafte für die Steuerschuld des Spenders, so dass es darauf ankomme, ob die Voraussetzungen des Spendenabzugs gegeben seien. Soweit der Antragsteller Einwendungen gegen die Nichtanerkennung der Gemeinnützigkeit vorbringe bzw. die Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme geltend mache, seien diese Umstände in dem Verfahren gegen den Körperschaftsteuer-Bescheid geltend zu machen.

Ernstliche Zweifel hinsichtlich der Haftung für Gewerbesteuer bestünden insoweit, als Spenden nur in Höhe von 48 000 DM von Gewerbebetrieben geleistet worden seien. Der Haftungsbetrag gemäß § 9 Nr. 5 Satz 5 2. Alternative des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) belaufe sich nur auf 4 800 DM.

Im Rahmen des Auswahlermessens habe das FA alle Haftungsschuldner nebeneinander in Anspruch nehmen dürfen (, BFH/NV 1999, 1089). Anhaltspunkte für eine unbillige Härte seien nicht gegeben.

Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend: Nach dem Gesetz hafte nur der für die entgangene Steuer, der veranlasse, dass Spenden nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet würden. Die Zuwendungen an den Antragsteller seien jedoch ausschließlich zur Förderung des Sports eingesetzt worden.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der Haftungsbescheide vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom auszusetzen.

Das FA hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II. Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Stattgabe des Antrags.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Tatfragen auslösen. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die Aussetzung der Vollziehung nicht erforderlich (vgl. , BFH/NV 1999, 468).

2. Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel, ob die Voraussetzungen des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG gegeben sind.

Gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 2. Alternative EStG (resp. § 9 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative KStG und § 9 Nr. 5 Satz 5 bzw. früher Satz 6 2. Alternative GewStG) haftet derjenige für die entgangene Steuer, der veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden. Der mögliche Wortsinn des § 10b Abs. 4 Satz 2 2. Alternative EStG lässt die vom FG vorgenommene Auslegung zu, dass die Vorschrift auch die Fälle erfasst, in denen die Spende für Zwecke verwendet wird, die mangels Gemeinnützigkeit des Zuwendungsempfängers nicht steuerbegünstigt sind.

Ebenso lässt sich die Vorschrift aber auch dahin gehend verstehen, dass eine abweichende Verwendung nur dann vorliegt, wenn die bestätigten Zwecke und die tatsächliche Verwendung nicht übereinstimmen. Die Regelung ist im Zusammenhang mit der 1. Alternative des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG zu sehen, wonach derjenige haftet, der vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt. Stellt man die Haftungstatbestände der fehlerhaften Ausstellung und der abweichenden Verwendung nebeneinander, so spricht viel dafür, das Unrichtigwerden einer Bestätigung wegen der rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Spendenempfängers als Fall der Unrichtigkeit der 1. Alternative zuzuordnen (ebenso , Rev. I R 32/01; Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10b Rdnr. E 52; Gierlich, Finanz-Rundschau —FR— 1991, 518, 520; a.A. Urteil des Hessischen FG in EFG 1998, 757; Hildesheim in Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10b Rz. 154; Wallenhorst, Der Betrieb —DB— 1991, 1410, 1412). Dies führt jedoch dazu, dass in bestimmten Fällen —wie im Streitfall— der Fiskus das Ausfallrisiko trägt; denn die Haftung wegen Unrichtigkeit der ausgestellten Spendenbestätigung setzt Verschulden voraus, das bei einer vorläufigen Anerkennung des Spendenempfängers als gemeinnützig im Regelfall nicht gegeben sein wird. Andererseits scheint es dem Senat bei summarischer Betrachtung bedenklich, die weitgefasste Verursacherhaftung auf die Fälle auszudehnen, in denen Spendenbestätigung und Verwendung übereinstimmen, die Steuerbegünstigung der Zwecke jedoch rückwirkend entfällt. Angesichts dieser Zweifel hält der Senat die Aussetzung der Vollziehung der Haftungsbescheide für geboten.

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Fundstelle(n):
QAAAA-67986