BGH Beschluss v. - 2 StR 34/17

Revision in Strafsachen: Verwerfung der Revision bei Zweifeln an der wirksamen Urteilszustellung

Gesetze: § 345 Abs 1 StPO, § 346 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 105 Ks 4/16nachgehend Az: 2 StR 34/17 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten am wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen hat die Nebenklägerin mit einem am beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil ist am zur Geschäftsstelle gelangt. Der Nebenklagevertreterin wurden am jedenfalls das Protokoll der Hauptverhandlung und Kopien der Revisionsschriften der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten zugestellt; fraglich ist, ob sich in dieser Sendung auch eine Ausfertigung des schriftlichen Urteils befand.

2In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden am wegen einer Frage zum Kostenfestsetzungsverfahren erklärte die anwaltliche Vertreterin der Nebenklägerin, dass die Nebenklägerin die Durchführung des Revisionsverfahrens unbedingt beabsichtige. Deshalb erfolgte unter dem eine schriftliche Nachfrage des Gerichts nach der Revisionsbegründung, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingereicht worden war. Die Nebenklagevertreterin antwortete per Telefax am gleichen Tag, dass ihr noch keine Urteilsausfertigung zugestellt worden sei. Sie ergänzte dies mit Schriftsatz vom gleichen Tag dahin, dass bei der Zustellung am lediglich Kopien der Revisionsschriften anderer Verfahrensbeteiligter und das Protokoll der Hauptverhandlung übersandt worden seien.

3Mit Beschluss vom hat das Landgericht die Revision der Nebenklägerin als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, die Behauptung der Nebenklagevertreterin, ihr sei keine Urteilsausfertigung zugestellt worden, treffe nicht zu. Dagegen spreche, dass auf der Zustellungsurkunde als Gegenstand der Zustellung auch die Urteilsausfertigung genannt worden sei. Außerdem habe die Geschäftsstellenbeamtin am dienstlich erklärt, sie habe die Zustellung von Schriftstücken an die Verfahrensbeteiligten einzeln abgearbeitet; sie habe wegen des Umfangs der Urteilsausfertigung und des Hauptverhandlungsprotokolls Bedenken gehabt, ob der vorgesehene Umschlag ausreichend sei. Der Inhalt der Sendung sei zudem in einem für den Empfänger bestimmten Vorblatt aufgeführt gewesen. Das Landgericht hat daraus den Schluss gezogen, dass für die Nebenklagevertreterin zu erkennen gewesen sei, welche Schriftstücke ihr zugestellt werden sollten; wäre die Urteilsausfertigung nicht darin enthalten gewesen, hätte es nahe gelegen, sich zeitnah danach zu erkundigen.

4Gegen diesen Beschluss hat die Nebenklägerin durch ihre anwaltliche Vertreterin am die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt. Sie führt aus, die Urteilsausfertigung sei noch nicht zugestellt worden. Am seien nur das Protokoll der Hauptverhandlung mit dem Urteilstenor und Kopien der Revisionsschriften der anderen Verfahrensbeteiligten zugestellt worden. Sie habe dem Landgericht am zweimal mitgeteilt, dass ihr keine Urteilsausfertigung vorliege. Die Rechtsanwältin hat die Richtigkeit dieser Angaben an Eides Statt versichert.

II.

5Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

6Zwar liegen Hinweise darauf vor, dass die Urteilsausfertigung der Nebenklagevertreterin am zugestellt worden ist. Die mit eidesstattlicher Versicherung bekräftigte Erklärung, in der Postsendung seien andere Schriftstücke, aber nicht die Urteilsausfertigung enthalten gewesen, bleibt jedoch unwiderlegt.

7Die Zustellungsurkunde und das Vorblatt weisen auf den Inhalt der Postsendung hin. Gleiches gilt für die Angaben der Geschäftsstellenbeamtin zum Ablauf bei der Ausführung der Zustellung. Auch erscheint es auffällig, dass die Nebenklagevertreterin bis zum nicht beanstandet hat, dass entgegen der Angabe auf der Zustellungsurkunde und dem Vorblatt zum Inhalt der Postsendung darin keine Urteilsausfertigung mit Urteilsgründen enthalten gewesen sei. Durch diese Umstände werden aber die Möglichkeit eines Versehens der Geschäftsstelle des Landgerichts und eines Irrtums der Nebenklagevertreterin darüber, dass die Hinweise auf der Zustellungsurkunde und dem Vorblatt sich nicht auf die Urteilsausfertigung bezogen haben, sondern den im Protokoll der Hauptverhandlung enthaltenen Urteilstenor betrafen, nicht ausgeschlossen. Dies würde erklären, warum sie bis zum keine Rückfrage beim Landgericht nach dem Verbleib der Urteilsausfertigung gestellt hat. Am Rande unterstützt wird dies auch dadurch, dass die Nebenklagevertreterin im Telefonat mit dem Vorsitzenden der Strafkammer darauf hingewiesen hatte, die Nebenklägerin wünsche unbedingt die Durchführung des Revisionsverfahrens. Die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwältin bekräftigt ihre Angaben.

8Bleiben danach zumindest Zweifel daran, dass tatsächlich eine wirksame Zustellung der Urteilsausfertigung erfolgt ist, kann die Revision der Nebenklägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig setzt vielmehr voraus, dass die tatsächlichen Grundlagen für die Annahme der Unzulässigkeit sicher feststehen (vgl. für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist , BGHR StPO § 341 Frist 1; SK-StPO/Frisch, StPO, 5. Aufl., Vor § 296 Rn. 186 mwN).

9Die Frist zur Anbringung der Revisionsanträge und deren Begründung (§ 345 Abs. 1 StPO) ist deshalb bisher nicht wirksam in Lauf gesetzt worden. Das Urteil wird der Nebenklägerin deshalb zuzustellen sein.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:230517B2STR34.17.0

Fundstelle(n):
MAAAG-59583