BGH Beschluss v. - 1 StR 677/16

Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung: Wirtschaftliche Betrachtung des Steuerschadens bei der Strafzumessung

Gesetze: § 370 AO, § 46 StGB

Instanzenzug: LG Augsburg Az: 13 Ss 614/16nachgehend Az: 1 StR 677/16 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

21. Das von der Revision geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht nicht. Es fehlt vorliegend nicht an der in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und - daran anknüpfend - eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Die Anklageschrift vom wahrt die Umgrenzungsfunktion des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO im Hinblick auf die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen zu Steuerhinterziehungen (zu den insoweit bestehenden Anforderungen im Steuerstrafverfahren vgl. BGH, Senatsbeschluss vom - 1 StR 296/12, NStZ 2013, 409). Die dem Angeklagten zur Last gelegten Anklagevorwürfe werden von der vorgenannten Anklageschrift hinreichend konkret geschildert. Aus dem Anklagesatz ergeben sich die näheren Einzelheiten der Tatvorwürfe im Hinblick auf den Tatzeitraum, die generellen Tatmodalitäten, die Art und den Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten sowie den Umfang der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuern (vgl. S. 23 der Anklageschrift vom ). Weiterer Einzelheiten zur notwendigen Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes bedurfte es nicht (vgl. dazu BGH, Senatsbeschlüsse vom - 1 StR 112/16, NStZ 2017, 337 und vom - 1 StR 57/16, NStZ-RR 2017, 14).

32. Den erhobenen Verfahrensrügen bleibt der Erfolg aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts versagt.

43. Die Urteilsfeststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

5a) Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden (§ 261 StPO). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die Beweiswürdigung unterliegt dabei lediglich einer eingeschränkten Überprüfung, denn das Revisionsgericht prüft lediglich, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern (§ 337 StPO) behaftet ist. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere dann, wenn sie Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungssätzen nicht in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. dazu ; vom - 1 StR 49/16, NStZ-RR 2016, 315; vom - 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; vom - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178 und vom - 3 StR 226/15, jeweils mwN) oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; , NStZ-RR 2016, 222; Urteil vom - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, jeweils mwN). Die tatrichterliche Beweiswürdigung muss auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (vgl. dazu auch , NStZ-RR 2004, 238; vom - 1 StR 654/07 und vom - 1 StR 94/16, StRR 2016 Nr. 10, 16 sowie Senatsbeschluss vom - 1 StR 432/16, jeweils mwN).

6b) Solche Rechtsfehler liegen unter Beachtung der vorstehenden Maßstäbe nicht vor.

7Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum bedingten Vorsatz des Angeklagten im Hinblick auf die Einbindung der von ihm geführten C.            in abgesprochene Lieferketten eines Umsatzsteuerkarussells und eine Beihilfe zu Umsatzsteuerhinterziehungen durch beteiligte Firmen stützt sich auf eine Gesamtschau der von ihm vor und während der Tatzeiträume geführten Chats, mündliche und schriftliche Mitteilungen der dänischen Steuerbehörde sowie zahlreiche Auffälligkeiten bei der Geschäftsabwicklung mit der O.          GmbH. Hiergegen ist nichts zu erinnern.

84. Der Schuldspruch war in Anbetracht der insoweit zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Generalbundesanwalts aber entsprechend § 354 Abs. 1 StPO - wie aus der Beschlussformel ersichtlich - zu berichtigen. Der Angeklagte hat in den verfahrensgegenständlichen Voranmeldungszeiträumen Februar und März 2012 durch die Rechnungsstellungen gegenüber der O.             GmbH sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der O.            GmbH als auch zugleich zugunsten der T.     AG Hilfe geleistet, so dass für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Beihilfe zu mehreren Haupttaten vorliegt (dazu , wistra 2008, 217 mwN).

95. Infolge der abweichenden konkurrenzrechtlichen Beurteilung war der gesamte Strafausspruch aufzuheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch auf diesem Rechtsfehler beruhen. Zumal die Ausführungen des Landgerichts besorgen lassen, dass es nicht in den Blick genommen hat, dass dem Steuerfiskus der Steuerschaden, zu dessen Entstehen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, bei wirtschaftlicher Betrachtung nur einmal in Höhe von 450.558,78 Euro entstanden ist, weil die fehlende Erstattungsfähigkeit der Vorsteuer die Folge der hinterzogenen Umsatzsteuer ist. Diesen Umstand wird das neue Tatgericht im Rahmen der Einzel- und Gesamtstrafenfestsetzung zu berücksichtigen haben.

106. Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann weitere, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

117. Die Ausführungen der Revisionsbegründung zur Rückgewinnungshilfe betreffend die Nebenbeteiligte C.            sind indes unbeachtlich, weil das Urteil insoweit rechtskräftig ist. Die gemäß § 427 Abs. 1 Satz 1 StPO (§ 433 Abs. 1 Satz 1 StPO aF) rechtsmittelberechtigte Nebenbeteiligte hat vorliegend kein Rechtsmittel eingelegt. Die Revision der Staatsanwaltschaft beschränkt sich nach Teilrücknahmen vom und vom im Hinblick auf die Nebenbeteiligte auf die Nichtanordnung der beantragten Einziehung von Ware, so dass die Entscheidung über die Rückgewinnungshilfe auch nicht gemäß § 301 StPO zugunsten der Nebenbeteiligten abgeändert oder aufgehoben werden kann. Die Wirkung des § 301 StPO ist durch den Umfang der Anfechtung begrenzt (vgl. dazu BGH, Senatsurteil vom - 1 StR 154/16, NJW 2016, 3670 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:280617B1STR677.16.0

Fundstelle(n):
OAAAG-57261