BFH Urteil v. - VI R 130/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1993 in S beschäftigt. Dort hatte er eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 55 qm gemietet, von der aus er seine Arbeitsstätte in S aufsuchte. 1992 verlegte er seinen Hauptwohnsitz von S nach W, behielt aber seine Wohnung in S bei. In W bewohnte er zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau (Heirat 1994) ein Einfamilienhaus. Eigentümer dieses Einfamilienhauses war damals der Vater der Ehefrau, der es 1995 der Ehefrau schenkte. Die Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers war seit 1991 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Der Kläger beteiligte sich nach seinem Vortrag finanziell und persönlich am Haushalt in W. Gemeinsame Kinder hatten der Kläger und seine Lebenspartnerin nicht.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, und zwar Fahrten von S nach W, Kosten der Unterkunft am Arbeitsort und Aufwendungen für Mehrverpflegung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zog nur die Fahrtkosten als Werbungskosten ab.

Die Klage blieb erfolglos.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt. Das Finanzgericht (FG) habe den Begriff der beruflichen Veranlassung bei Begründung einer doppelten Haushaltsführung rechtsfehlerhaft ausgelegt. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit seinem Urteil vom VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) anerkannt, dass auch nicht verheiratete Arbeitnehmer einen doppelten Haushalt führen könnten. Das müsse zur Folge haben, dass auch die Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung vor Eheschließung abzuziehen seien. Der BFH habe zwar wiederholt ausgesprochen, dass die berufliche Veranlassung der Begründung eines doppelten Haushalts in vergleichbaren Fällen nur nach Eheschließung anerkannt werden könne. Aufgrund des Wandels der sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse sei indes davon auszugehen, dass die privaten Gründe für die Wahl des Familienwohnsitzes von der beruflichen Tätigkeit auch dann überlagert würden, wenn —neben Ehegatten— Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an verschiedenen Orten wohnten und arbeiteten, das bisherige Arbeitsverhältnis nach Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft fortsetzten und eine der beiden Wohnungen als Familiensitz bestimmten. Darin liege keine Besserstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Das gelte auch für den Kläger. Er habe vergeblich versucht, seine berufliche Tätigkeit in den Raum W zu verlegen. Er habe deshalb seinen zweiten Haushalt in S aufrecht erhalten müssen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheides vom von ... DM auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG verneint, weil der Kläger den doppelten Haushalt nicht aus beruflichem Anlass begründet hat. Die Begründung eines zweiten Haushalts außerhalb des Arbeitsortes, um in diesem Haushalt mit einer Lebensgefährtin zu leben, ist grundsätzlich privat veranlasst.

Ausnahmsweise hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Gründung eines doppelten Haushalts dann als beruflich veranlasst angesehen, wenn Ehegatten bereits vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten berufstätig waren, an ihren jeweiligen Beschäftigungsorten wohnten und nach der Eheschließung eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (, BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654; vom VI R 44/88, BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321, m.w.N.; vom VI R 184/85, BFH/NV 1989, 220; vom IV R 30/90, BFH/NV 1991, 531; vom VI R 58/95, BFHE 180, 136, BStBl II 1996, 315). Der entscheidende Grund liegt hierfür bei Heirat zweier Berufstätiger darin, dass diese —anders als bei der Berufstätigkeit nur eines Partners— sich nicht mit einem einzigen Wohnsitz am Ort der Berufsausübung eines von ihnen begnügen können, ohne die Berufstätigkeit des anderen zu beeinträchtigen. Für die Beurteilung des Werbungskostenabzugs ab dem Zeitpunkt der Eheschließung macht es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen Unterschied, ob die späteren Ehegatten vor ihrer Eheschließung bereits am Beschäftigungsort eines Partners zusammengelebt oder erst nach der Heirat an einem der beiden Beschäftigungsorte einen gemeinsamen Haushalt begründen. Auch im letzteren Fall wird der Werbungskostenabzug in verfassungskonformer Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG (Art. 6 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) nicht versagt (BFH-Urteil in BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321). Eine Ausdehnung der nur Ehegatten begünstigenden Rechtsprechung auf die Zeit vor Eheschließung hat der BFH in dieser Entscheidung abgelehnt.

Daran hält der Senat fest. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Senat seit dem Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 auch bei nicht verheirateten Arbeitnehmern einen doppelten Haushalt unter bestimmten Voraussetzungen anerkennt (vgl. zuletzt , BFH/NV 2000, 949, und vom VI R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29). Denn auch bei Alleinstehenden ist Voraussetzung für die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, dass der doppelte Haushalt aus beruflichem Anlass begründet wird. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn der Alleinstehende seinen Hauptwohnsitz von seinem bisherigen Arbeits- und Wohnort wegverlegt, um am Hauptwohnsitz mit einem Lebenspartner zusammenzuleben. Er kann dann zwar in der Wohnung seines Lebenspartners einen eigenen Hausstand haben (BFH-Urteil in BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29). Das ändert aber nichts daran, dass die Begründung dieses neuen Hausstandes beruflich veranlasst sein muss.

Es ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht geboten, die Ausnahme, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in Fällen der Eheschließung in Bezug auf die berufliche Veranlassung gemacht hat, in jedem Fall auf nichteheliche Lebensgemeinschaften zu übertragen. Zwar können auch nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern eine Familie bilden (, BFHE 189, 357, BStBl II 1999, 764). Denn Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG ist die Gemeinschaft von Eltern und Kindern (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 1 BvR 37/85, BVerfGE 79, 203, 211, und vom 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 90). Nicht in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fallen dagegen Lebensgemeinschaften ohne Kinder (Pirson in Bonner Kommentar, Grundgesetz, Art. 6 Rdnr. 25 —Zweitbearbeitung—). Das BVerfG hat zudem entschieden, dass Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft weder unter Hinweis auf Art. 1 Abs. 1 GG noch auf Art. 3 Abs. 1 GG eine steuerliche Gleichstellung mit Ehegatten (im Erbschaftsteuergesetz —ErbStG—) verlangen können (, BStBl II 1990, 764). Da der Kläger mit seiner Lebenspartnerin vor der Eheschließung keine gemeinschaftlichen Kinder hatte, kann dahinstehen, ob anders zu entscheiden wäre, wenn Kinder vorhanden gewesen wären.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1384 Nr. 11
DStRE 2001 S. 1025 Nr. 19
PAAAA-67298