Gründe
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bezog Kindergeld für ihre 1982 geborene Tochter T. Aufgrund einer Absprache, die zwischen der Antragstellerin und ihrem geschiedenen Ehemann unter Beteiligung des Jugendamtes im Rahmen eines Familienrechtsstreits getroffen wurde, hielt sich T von Ende August 1997 bis Januar 1998 im Haushalt ihres Vaters auf. Sie war weiterhin bei ihrer Mutter gemeldet; diese hatte auch das alleinige Sorgerecht für T. Das Arbeitsamt -Familienkasse- (Familienkasse) hob gegenüber der Antragstellerin die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit von September 1997 bis Januar 1998 auf und forderte das gezahlte Kindergeld von 1 100 DM zurück, weil in dem genannten Zeitraum der Vater den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld gehabt habe.
Die Antragstellerin erhob hiergegen Klage und beantragte, ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Das Finanzgericht (FG) lehnte den PKH-Antrag ab, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Antragstellerin bestreite nicht, dass T in der fraglichen Zeit im Haushalt des Vaters gelebt habe. Hieran aber knüpfe § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Berechtigung zum Bezug des Kindergeldes. Lebe ein Kind im Haushalt eines Elternteils, so habe dieser auch die Obhut über das Kind. Es bestehe ein tatsächliches Obhutverhältnis mit der Folge, dass eine Aufnahme in den Haushalt vorliege.
Mit ihrer Beschwerde beantragt die Antragstellerin sinngemäß, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses PKH unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Es werde bestritten, dass T in der fraglichen Zeit im Haushalt des Vaters gelebt habe. Richtig sei nur, dass T sich überwiegend in der Wohnung des Vaters aufgehalten und dort übernachtet habe. Die Erziehung und Versorgung des Kindes sei aber auch in diesem Zeitraum von der Antragstellerin geleistet worden. Diese allein habe T betreut und versorgt, sowie ihre Wäsche gewaschen. Bei ihr habe T häufig auch die Mahlzeiten eingenommen. Durch die vorübergehende Unterbringung des Kindes bei dem Vater sei die Zugehörigkeit zum Haushalt der Antragstellerin nicht aufgehoben worden, sondern habe weiter fortbestanden.
Die Familienkasse tritt der Beschwerde entgegen.
Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat die hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu Unrecht verneint (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO— i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung —ZPO—).
1. Erfüllen mehrere Personen —wie hier die geschiedenen Eltern der T— die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld, so wird dieses gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an die Person gezahlt, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 2 des bisherigen Bundeskindergeldgesetzes bedeutet Haushaltsaufnahme die Aufnahme in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art (vgl. Seewald/Felix in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 63 Rdnr. B 25, § 64 Rdnr. C 3.). Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (vgl. Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz, § 63 Rz. 20 ff.).
2. Das FG hat in dem angefochtenen Beschluss allein auf die örtliche Anwesenheit der T im Haushalt ihres Vaters abgestellt und hieraus auf das Vorliegen eines tatsächlichen Obhutverhältnisses —mit der Folge einer Aufnahme der T in den Haushalt des Vaters— geschlossen. Zutreffend ist zwar, dass es für das Merkmal der Haushaltsaufnahme nicht darauf ankommt, ob dem aufnehmenden Elternteil das Sorgerecht für das Kind zusteht. Eine Haushaltsaufnahme ist indessen nicht gegeben, wenn nur eines der vorbezeichneten Merkmale örtlicher, materieller und immaterieller Art fehlt (vgl. Blümich/Heuermann, a.a.O., Rz. 21). Im Hauptsacheverfahren wird deshalb dem insoweit erheblichen Vortrag der Antragstellerin nachzugehen sein, sie selbst habe ihre Tochter auch während deren Aufenthalt bei ihrem Vater betreut und versorgt, etwa sie verpflegt und für sie gewaschen, weshalb sich an der Zugehörigkeit der T zum Haushalt der Antragstellerin nichts geändert habe. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Klage Erfolg haben wird, wenn die entsprechenden Tatsachenbehauptungen der Antragstellerin erwiesen werden sollten und bei der Gesamtwürdigung nicht die von der Familienkasse hervorgehobenen Umstände den Ausschlag geben sollten, wonach T am vor dem Jugendamt geäußert habe, nicht mehr bei ihrer Mutter wohnen zu wollen, und die Antragstellerin am vor dem Amtsgericht erklärt habe, sie sei damit einverstanden, dass T bei ihrem Vater leben wolle. Ist aber bei summarischer Prüfung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 142 Anm. 7) der Ausgang des Klageverfahrens offen, sind die Erfolgsaussichten der Klage als hinreichend i.S. von § 114 ZPO anzusehen (vgl. , BFH/NV 1994, 149; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 142 FGO Tz. 10).
3. Wegen der geringen monatlichen Einnahmen der Antragstellerin aus der Arbeitslosenhilfe wird die PKH ohne Ratenzahlung nach §§ 115 Abs. 1, 120 ZPO bewilligt. Einzusetzendes Vermögen (§ 115 Abs. 2 ZPO) ist offensichtlich nicht vorhanden. Der Senat hält es für angebracht, der Antragstellerin auf ihren Antrag hin ihren jetzigen Bevollmächtigten beizuordnen (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 441 Nr. 4
IAAAA-67283