BGH Beschluss v. - 4 StR 527/16

Revision in Strafsachen: Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme durch den vermindert schuldfähigen Angeklagten

Gesetze: § 302 StPO, § 20 StGB, § 21 StGB

Instanzenzug: LG Stendal Az: 502 Ks 2/16

Gründe

11. Die von der Pflichtverteidigerin der Beschuldigten, Rechtsanwältin A.  , am erklärte Rücknahme der am eingelegten (ersten) Revision ist wirksam. An der prozessualen Handlungsfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Ermächtigung ihrer Verteidigerin zur Rücknahme des Rechtsmittels bestehen keine Zweifel.

2a) Für die Verhandlungsfähigkeit im Revisionsverfahren reicht es aus, dass der Beschwerdeführer mindestens zeitweilig zu einer Grundübereinkunft mit seinen Verteidigern über die Fortführung oder Rücknahme des Rechtsmittels in der Lage ist und diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Entscheidung vorlagen (vgl. , BGHSt 41, 72, 74). Eine Beeinträchtigung der Geschäfts- oder Schuldfähigkeit eines Erklärenden hat nicht zwangsläufig dessen prozessuale Handlungsunfähigkeit zur Folge. Hiervon ist erst dann auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Beteiligter nicht in der Lage ist, die Bedeutung von ihm abgegebener Erklärungen zu erkennen, wobei Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit zu seinen Lasten gehen (vgl. , NStZ-RR 2004, 341 mwN).

3b) Danach war von einer prozessualen Handlungsfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Rücknahme der (ersten) Revision auszugehen. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht bei der Beschuldigten eine das Tatgeschehen überdauernde paranoid-halluzinatorische Psychose festgestellt und angenommen, dass sie bei „Fortbestehen restplausibler Handlungsfähigkeit“ in den Tatsituationen am und nicht mehr befähigt war, das Verbotene ihres Tuns einzusehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung nicht in der Lage war, mit ihrer Verteidigerin zu einer Grundübereinkunft über die Fortführung oder Rücknahme des Rechtsmittels zu gelangen, bestehen aber nicht. Der Rücknahmeerklärung der Pflichtverteidigerin vom ist ein Schreiben der Beschuldigten vom beigefügt, in dem sie ausdrücklich erklärt, auf eine Revision zu verzichten und das Urteil anzunehmen. In einem weiteren Schreiben vom bestätigte die Beschuldigte überdies ihren Rücknahmewillen, indem sie dem Landgericht mitteilte, sich entschieden zu haben „nicht in Revision zu gehen“. Hiervon sei ihre Verteidigerin in Kenntnis gesetzt. Anders als weitere, später zu den Akten gelangte Schreiben enthalten diese inhaltlich aufeinander bezogenen Schreiben keine Hinweise auf wahnhafte Gedankeninhalte. Auch gibt es keinen Anhaltpunkt für eine fehlende Kenntnis der Beschuldigten von der Bedeutung der abgegebenen Erklärungen.

42. Die - ohnehin unzulässige - mit Schreiben vom eingelegte (zweite) Revision wurde von der Beschuldigten mit Schreiben vom ebenfalls wirksam zurückgenommen. Insoweit war lediglich noch über die Kosten zu entscheiden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:211216B4STR527.16.0

Fundstelle(n):
DAAAG-53773