Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vom zu je 1/3 Miteigentumsanteil ein ca. 648 qm großes, unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 58 320 DM. Die Kläger erklärten, ihnen sei bekannt, dass das Grundstück noch nicht erschlossen und noch kein Bauland sei (§ 4 Abs. 1 des Vertrags). Das Grundstück sollte in diesem Zustand verkauft werden. Die Verkäuferin verwies darauf, dass in Zusammenarbeit mit der Gemeinde ein Bebauungsplan erstellt werde. Dies bedeute aber keine verbindliche Zusicherung der Bebaubarkeit des Grundstücks. Diese sei erst mit der Sicherstellung und Fertigstellung der notwendigen Erschließungsmaßnahmen gegeben.
Die notwendige, von der Gemeinde noch zu bestätigende Erschließung des aus insgesamt 67 Grundstücken bestehenden Neubaugebietes sollte durch eine private Erschließungsgesellschaft, die A-GmbH, vorgenommen werden. Die Kläger verpflichteten sich, die auf das erworbene Grundstück entfallenden Erschließungskosten zu tragen, und unterwarfen sich für Erschließungskosten in Höhe von 32 400 DM als Gesamtschuldner gegenüber der A-GmbH der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Die Verkäuferin sicherte zu, den Auftrag zur Projektierung und anschließenden Erschließung nach Vorliegen der notwendigen Genehmigungen zu erteilen und die Erschließungskosten der bis dahin nicht verkauften Parzellen zu finanzieren bzw. zu bezahlen. Jeder der Kläger hatte ”zur Organisation und Durchführung der Erschließung” einen Geschäftsanteil an der A-GmbH in Höhe eines Nennbetrags von 4 200 DM zu einem Preis in gleicher Höhe zu erwerben.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) sah die Erschließungskosten als Teil der Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks an. Er setzte deshalb durch Bescheide vom gegen jeden der Kläger nach einer Gegenleistung von 30 236 DM (1/3 von 90 720 DM) Grunderwerbsteuer in Höhe von 1 058 DM fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche, mit denen die Kläger begehrten, als Gegenleistung nur den Kaufpreis anzusetzen, wies er durch Einspruchsentscheidungen vom zurück.
Das Finanzgericht (FG) setzte auf die daraufhin erhobene Klage die Grunderwerbsteuer antragsgemäß mit der Begründung herab, die Erschließungskosten seien keine sonstige Leistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1028 veröffentlicht.
Mit der Revision macht das FA eine Verletzung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 geltend.
Es beantragt, das Urteil des FG des Landes Brandenburg vom 3 K 1542/98 GE aufzuheben und die Klage abzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die Kosten der (künftigen) Erschließung für das von den Klägern erworbene Grundstück, die zu tragen sich die Kläger im Grundstückskaufvertrag verpflichtet haben, zu Recht nicht als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks angesehen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1983 die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde (vgl. z.B. , BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537; vom II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590; vom II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34).
a) Sind die öffentlichen Erschließungsanlagen im Sinne des Baugesetzbuches —BauGB—, die ein Grundstück zu einem ”erschlossenen Grundstück” machen, im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages bereits vorhanden, kann Gegenstand eines solchen Vertrages nur das ”erschlossene” Grundstück sein, selbst wenn nach den Vertragserklärungen das Grundstück als ”unerschlossen” erworben werden soll. Denn es liegt nicht in der Willensmacht der Beteiligten, ein Grundstück in einem Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs zu machen, den es nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll. In diesen Fällen ist deshalb nicht nur der auf die Erschließung entfallende Kaufpreisanteil, sondern auch ein neben dem eigentlichen Grundstückskaufpreis gesondert ausgewiesener Betrag, mit dem die bereits vorhandene Erschließung des Grundstücks abgegolten werden soll, Entgelt für den Erwerb des Grundstücks. Zu den Erschließungsanlagen gehören im Wesentlichen die Verkehrs- und Grünanlagen, sowie die Anlagen zur Ableitung von Abwässern sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Baugesetzbuch, Kommentar, Stand , § 123 Rdnr. 3 f.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 5 Rdnr. 1 ff.). Nicht zu den Erschließungsanlagen i.S. des BauGB gehören die auf den (Privat-)Grundstücken selbst notwendigen Anschlüsse, wie die Zufahrtswege und die Anschlüsse an die Ver- und Entsorgungseinrichtungen (Ernst-Zinkahn-Bielenberg, a.a.O., § 123 Rdnr. 4 a.E.; vgl. Quaas, Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, 1985, S. 4).
b) Ist das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht ”erschlossen”, verpflichtet sich jedoch der Veräußerer, das Grundstück dem Erwerber in erschlossenem Zustand zu verschaffen, so ist das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises ist Entgelt für den Grundstückserwerb (vgl. , BFHE 128, 92, BStBl II 1979, 577).
c) Wird —wie im Streitfall— ein im Zeitpunkt des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrages noch unerschlossenes Grundstück als solches (”unerschlossen”) zum Gegenstand der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung gemacht und übernimmt der Erwerber gleichzeitig mit dem Abschluss des Kaufvertrages gegenüber der Gemeinde oder einem von ihr nach § 124 Abs. 1 BauGB beauftragten Erschließungsträger die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, liegt hierin kein Entgelt für den Erwerb des Grundstücks. Denn Gegenstand eines solchen Erwerbsvorgangs ist nach dem Inhalt der hier allein maßgeblichen zivilrechtlichen Übereignungspflicht nur das ”unerschlossene” Grundstück (BFH in BFHE 128, 92, BStBl II 1979, 577).
Nach der Rechtsprechung des BFH zum (einheitlichen), für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung maßgeblichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs (vgl. zuletzt Urteil in BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34), die das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist zwar für die Frage, ob Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, nicht nur auf das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, d.h. auf den Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung des Veräußerers, sondern auch auf mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder solche Umstände abzustellen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Ein derartiger rechtlicher oder objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über die Entrichtung der Erschließungskosten scheidet aber wegen des sich aus der öffentlich-rechtlichen Erschließungslast der Gemeinde (vgl. § 123 BauGB) ergebenden besonderen Charakters der Grundstückserschließung regelmäßig aus. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand sind hier nicht anwendbar.
Nach § 123 BauGB ist die Erschließung Aufgabe der Gemeinde. Es liegt in deren kommunalpolitischem Ermessen, ”ob”, ”wie” und ”wann” eine Erschließung vorgenommen wird (vgl. hierzu IV C 59.72, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1975, 402). Die Verpflichtung zur Erschließung besteht der Allgemeinheit und nicht dem einzelnen Bürger (Grundstückseigentümer) gegenüber (vgl. Quaas, a.a.O., S. 5; Driehaus, a.a.O., § 5 Rdnr. 9). Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht (§ 123 Abs. 3 BauGB). Errichtet die Gemeinde selbst als Trägerin der Erschließungslast die Erschließungsanlagen (u.U. unter Beauftragung entsprechender Unternehmer), erbringt sie keine Leistung an diejenigen Grundstückseigentümer, deren Grundstücke durch diese Maßnahmen erschlossen werden, sondern erfüllt nur eine allgemeine öffentliche Aufgabe. Dies hindert die Annahme eines objektiv sachlichen Zusammenhangs der Erschließung des Grundstücks mit der Verpflichtung des Grundstücksveräußerers zur Verschaffung des Eigentums an dem Grundstück und schließt es aus, die im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde liegende Erschließung dem Verkäufer eines Grundstücks bzw. einer (durch Absprachen verbundenen) Verkäuferseite zuzurechnen. Soweit sich der Erwerber eines Grundstücks im Grundstückskaufvertrag gegenüber der Gemeinde zur Tragung der Erschließungskosten verpflichtet, übernimmt er nur eine ihn ohnehin als Folge der Erschließung treffende zukünftige Beitragsschuld (vgl. im Ergebnis schon , BFHE 93, 183, BStBl II 1968, 690).
Nichts anderes gilt, wenn anstelle der Gemeinde die Erschließung von einem privaten Erschließungsträger vorgenommen wird. Auch in diesem Fall stellt die gegenüber dem privaten Erschließungsträger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages eingegangene Verpflichtung des Grundstückserwerbers, für die Durchführung der Erschließung einen bestimmten Betrag zu zahlen, kein Entgelt für den Erwerb des Grundstücks dar. Denn es liegt auch bei der Einschaltung eines Erschließungsträgers im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde, ob, wie und wann eine Erschließung vorgenommen wird. Diese bleibt öffentliche Aufgabe und stellt keine mit der zivilrechtlichen Übereignungspflicht objektiv zusammenhängende Leistung an einen bestimmten Grundstückserwerber dar. Denn die Gemeinde kann nach § 124 Abs. 1 BauGB nur die technische Durchführung und kostenmäßige Abwicklung der Erschließung auf den privaten Erschließungsträger übertragen, nicht aber die ihr gemäß § 123 Abs. 1 BauGB obliegende Erschließungslast. Der Abschluss des Erschließungsvertrages mit dem privaten Erschließungsträger erfolgt grundsätzlich nicht zugunsten der Eigentümer der zu erschließenden Grundstücke (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, a.a.O., § 124 Rdnr. 16 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG), sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse. Der Erschließungsträger ist aufgrund öffentlich-rechtlichen Vertrages der Gemeinde gegenüber zur Herstellung der Erschließungsanlagen verpflichtet. Kommt er seinen Verpflichtungen nicht nach, aktualisiert sich die Erschließungsaufgabe der Gemeinde mit der Folge, dass sie die Erschließung (wieder) selbst übernehmen bzw. vollenden muss ( IV C 7.73, BVerwGE 49, 125, 127 f., NJW 1976, 341; Urteil des Oberverwaltungsgerichts —OVG— Nordrhein-Westfalen vom 3 A 919/86, Kommunale Steuerzeitschrift 1989, 195; Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 7, 9, m.w.N.).
Soweit der Erschließungsträger im Rahmen der von ihm durchzuführenden kostenmäßigen Abwicklung privatrechtliche Vereinbarungen mit den Erwerbern über die Höhe ihrer Kostenbeteiligung trifft, —weil er Aufwendungsersatz weder durch öffentlich-rechtlichen Beitragsbescheid (vgl. Urteil des BVerwG in BVerwGE 49, 125) noch kraft zivilrechtlicher Ansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) bzw. wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB (vgl. , BGHZ 61, 359) erlangen kann— ändert dies an dem öffentlichen Charakter der Erschließung nichts. Die rechtliche Wirkung der Vereinbarung erschöpft sich in der Regelung der Kostenbeteiligung; sie macht die Erschließung nicht zu einer Leistung an den Zahlungsverpflichteten.
Soweit sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537 etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat daran nicht mehr fest.
Das von den Klägern erworbene Grundstück war im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch unerschlossen. Nach dem Inhalt des Grundstückskaufvertrages sollte das Grundstück in diesem (unerschlossenen) Zustand Gegenstand der Übereignungsverpflichtung sein. Die Verkäuferin des Grundstücks hat sich somit nicht verpflichtet, das Grundstück in erschlossenem Zustand zu übereignen. Die Annahme eines objektiv sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und der Vereinbarungen über die zukünftige Erschließung scheidet wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Erschließung aus. Etwas anderes ergibt sich weder daraus, dass beide Vereinbarungen in einer einzigen Urkunde getroffen wurden, noch erfordert der Umstand, dass auch die Verkäuferin des Grundstücks verpflichtet war, die Erschließung zu fördern und die Erschließungskosten der bis dahin nicht verkauften Parzellen zu finanzieren, eine andere Beurteilung. Die im Grundstückskaufvertrag von den Klägern übernommene Verpflichtung, Erschließungskosten zu tragen, stellt kein Entgelt für den Erwerb des Grundstücks dar.
Ohne Rechtsverstoß hat deshalb das FG die Steuer gegenüber jedem Kläger auf 680 DM ermäßigt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1297 Nr. 10
MAAAA-66839