BFH Urteil v. - I R 7/00

Gründe

I. Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, sind das Ehepaar X und dessen Tochter; die Eheleute halten jeweils 45 v.H. der Anteile am Stammkapital. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die Gehälter, die die Klägerin dem Ehemann als ihrem Geschäftsführer und der Ehefrau als ihrer Prokuristin im Streitjahr 1994 gezahlt hat (Ehemann: monatlich 20 000 DM, Ehefrau: monatlich 12 000 DM bei jeweils 14 Gehältern, beim Ehemann zuzüglich einer Tantieme von 30 000 DM, einer Pensionszusage und einer Direktversicherung), teilweise (beim Ehemann in Höhe von 70 000 DM, bei der Ehefrau in Höhe von 112 000 DM) wegen Unangemessenheit als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).

Die gegen den Körperschaftsteuerbescheid gerichtete Klage blieb zum überwiegenden Teil erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied durch Urteil des Berichterstatters vom ohne mündliche Verhandlung. Zwar sei die der Ehefrau gezahlte Vergütung von 14 Monatsgehältern à 6 000 DM nach dem ”Gesamtinhalt des Verfahrens” noch als angemessen anzusehen; insoweit sei die Klage begründet, ansonsten jedoch nicht: Da es sich insgesamt um Beziehungen zwischen nahen Angehörigen handele, hätte die Klägerin darauf achten müssen, dass eindeutige und klare Verhältnisse vorgetragen werden könnten. Die Gesamtausstattung der Familie X durch die Klägerin erscheine auch nach Hinzurechnung der vGA ”relativ reichlich”. Deshalb sei im Übrigen der Begründung der Einspruchsentscheidung des FA gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu folgen.

Mit ihrer Revision, die vom FG nicht zugelassen worden war, rügt die Klägerin mangelnde Vertretung gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO und mangelnde Urteilsbegründung gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO zulässige Revision ist gemäß § 119 Nr. 6 FGO begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist nicht gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO mit hinreichenden Entscheidungsgründen versehen und war deshalb in jenem Umfang, in dem die Klägerin unterlegen ist, aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für sie maßgebend waren (, BGHZ 39, 333, 337; , nicht veröffentlicht; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 23). Sinn des Begründungszwangs ist es, den Prozessbeteiligten Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885). An dem Erfordernis, dass ein Urteil mit Gründen versehen sein muss, fehlt es zwar nicht schon dann, wenn die vorhandenen Gründe unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst fehlerhaft sind (vgl. BGH-Beschluss in BGHZ 39, 333, 338). Einer fehlenden Begründung ist aber eine Begründung gleichzustellen, die nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die angefochtene Entscheidung maßgeblich sind (vgl. BGH-Beschluss in BGHZ 39, 333, 337; , BFH/NV 1998, 871; BFH-Beschlüsse vom IV R 45/95, BFH/NV 1996, 918; vom IV R 58/97, BFH/NV 1999, 50). So verhält es sich hier.

Die Vorinstanz nimmt zwar —zulässigerweise— gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die Einspruchsentscheidung des FA Bezug. In dieser Entscheidung hat das FA mit knappen Worten dargelegt, dass die Gesamtausstattung der Eheleute X einem externen Fremdvergleich nicht standhalte; außerdem sei die ”Kapitalansammlung bei der GmbH durch die Gewinnabsaugung ernsthaft in Frage gestellt”. Augenscheinlich will das FG sich diese Überlegungen des FA zu eigen machen, wenn es ”im Übrigen” und ”deshalb”, nämlich offenbar wegen der als ”relativ reichlich” eingeschätzten Gesamtausstattung der ”Familie X”, der Einspruchsentscheidung folgt. Auf der anderen Seite hebt das FG darauf ab, dass es sich ”insgesamt um Beziehungen der Klägerin zu ihren Gesellschaftern und um Beziehungen zwischen nahen Angehörigen” handele, und dass die Klägerin ”insoweit” darauf ”zu achten” habe, ”daß eindeutige und klare Verhältnisse vorgetragen werden können”. Es bleibt offen, was damit gemeint sein soll und wie sich diese Überlegungen steuerlich auswirken. Hätte der ”Vortrag” ”eindeutiger und klarer Verhältnisse” trotz der dem FG als ”relativ reichlich” erscheinenden Gesamtausstattung die Rechtsfolge einer vGA verhindern können? Die Erwägungen des FG sind insoweit nicht nachvollziehbar; sie lassen nicht erkennen, von welchen Erwägungen das FG ausgegangen ist, ermöglichen keine Überprüfung seines Rechtsstandpunktes und halten deshalb den Mindestanforderungen, die an die Begründung eines Urteils zu stellen sind, nicht stand.

Das Urteil der Vorinstanz war sonach in jenem Umfang, in dem die Klägerin unterlegen ist, aufzuheben, ohne dass noch auf die Frage einzugehen wäre, ob die Klägerin wirksam auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem FG verzichtet hat.

Die Sache war an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei wird es gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, dass es jedenfalls nach Aktenlage an dem Einverständnis der Beteiligten für eine Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 3 und 4 FGO fehlt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 604 Nr. 5
KAAAA-66737