Unternehmensübergabe – Die hohe Kunst des Loslassens
Pro Jahr, so schätzt das Institut für Mittelstandsforschung Bonn, steht bei rund 27.000 Familienunternehmen die Unternehmensübergabe an. In der Vorstellung ist dabei die Übergabe eines gesunden Unternehmens an einen geeigneten Nachfolger ein Höhepunkt des Unternehmerlebens. Man kann stolz auf das Zurückschauen, was man erreicht hat und sich (finanziell gestärkt) neuen Herausforderungen stellen. Sie als steuerlicher Berater sind dabei im besten Fall gleich von Beginn an involviert und können so die Weichen stellen für eine unter steuerlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sinnvolle Unternehmensübergabe. [würden wir einen Film drehen, wäre dies der Moment, in dem die Musik abbricht, es einen lauten disharmonischen Ton gibt und die Seifenblase mit einem lauten Knall der Realität Platz macht, denn:]
Dass diese Situation den Idealfall beschreibt und nicht unbedingt die Realität, werden Sie in der Praxis vermutlich allzu häufig bestätigt bekommen: Zu oft scheitern Nachfolgeregelungen an unstimmigen Testamenten, Gesellschafts- und Eheverträgen. Oder schlicht und ergreifend daran, dass der Unternehmer das Thema so lange „vor sich herschiebt“ bis zeitlich kaum noch Handlungsspielraum bleibt.
Doch auch wenn „formal“ alles richtig gemacht wurde – also alle steuerlichen und rechtlichen Hürden umschifft wurden, steuerliche und rechtliche Berater rechtzeitig hinzugezogen wurden – verlaufen viele Unternehmensübergaben nicht so wie gewünscht. Ärger in der Familie, unausgesprochene Erwartungen, unterschiedliche Strategien, wie man das Unternehmen in die Zukunft führen möchte, Auswahl des aus wirtschaftlicher Sicht „falschen“ Nachfolgers – das Konfliktpotential ist hoch. Nicht ohne Grund schaffen einer Studie zur Folge nur ca. 12 Prozent der Familienunternehmen eine Weitergabe bis in die dritte Generation. Wichtig ist deshalb, dass mit allen Familienmitgliedern über die Unternehmensübergabe gesprochen wird, also darüber, wie eine gerechte Vermögensverteilung aussehen kann, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen soll, wie die Übergabe vollzogen werden kann und wann der Senior sich aus den Geschäften zurückzieht und dem Nachfolger das Ruder überlässt.
Eine Möglichkeit, wie Sie als Steuerberater hier unterstützend tätig werden können, sind moderierte Familienkonferenzen. Hier bietet sich für alle Beteiligten eine Möglichkeit des Austauschs. Die Erblasser erfahren die Ziele und Wünsche ihrer Erben und können diese in ihre Überlegungen einbeziehen und ihre Entscheidungen transparent machen, so dass die Kinder nach dem Tod der Eltern nicht unangenehm überrascht werden. Holger Bodmann gibt ab der Seite 240 einen ersten allgemeinen Einstieg in das Thema und zeigt die Vorteile sowohl für Mandanten als auch steuerliche Berater auf. In der nächsten Ausgabe erläutert er im zweiten Teil der Beitragsreihe die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten und beschreibt die methodischen Ansätze.
Beste Grüße
Beate Blechschmidt
Fundstelle(n):
NWB-EV 7/2017 Seite 221
NWB CAAAG-48637