BGH Beschluss v. - 1 StR 185/16

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung: Verjährungsunterbrechende Maßnahmen; Hochrechnung der Schwarzlohnsumme auf eine Bruttolohnsumme

Gesetze: § 370 Abs 1 AO, § 376 AO, § 30 Abs 1 Nr 1 OWiG, § 14 Abs 2 S 2 SGB 4, § 78b Abs 4 StGB, § 266a StGB

Instanzenzug: LG Landshut Az: 3 KLs 59 Js 23914/09

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten W.  wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und den Angeklagten S.       wegen „Beihilfe zur Beitragsvorenthaltung“ und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, jeweils unter Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Strafen zur Bewährung. Gegen die Nebenbeteiligte hat das Landgericht wegen zweier Pflichtverletzungen durch das Handeln eines vertretungsberechtigten Organs zwei Geldbußen in Höhe von 400.000 und 450.000 Euro verhängt. Die jeweils mit Verfahrensbeanstandungen und der ausgeführten Sachrüge geführten Revisionen führen lediglich beim Angeklagten S.      zu einer Änderung der Konkurrenzen (§ 349 Abs. 4 StPO) und sind im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften hinaus bedarf Folgendes näherer Erörterung:

I.

2Verfahrenshindernisse bestehen nicht.

31. Die Vorwürfe sind nicht verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist für Vergehen nach § 370 Abs. 1 AO und § 266a StGB (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, auch i.V.m. § 369 Abs. 2 AO) bezüglich der verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeiträume Januar 2005 bis Ende August 2009 wurde bezüglich des Angeklagten S.       durch die erste Beschuldigtenvernehmung am sowie den ihn betreffenden Durchsuchungsbeschluss vom und bezüglich des Angeklagten W.   durch den Durchsuchungsbeschluss vom wirksam unterbrochen (vgl. § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 StGB). Dies führt auch zur Unterbrechung der Verjährung gegenüber der Nebenbeteiligten, denn verjährungsunterbrechende Handlungen gegen ein Organ im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wirken auch gegenüber der vom Organ vertretenen juristischen Person (vgl. , NJW 2006, 163, 164).

4Die im Herbst 2009 neu beginnende Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 Satz 1 StGB) ruhte sodann gemäß § 78b Abs. 4 StGB ab der Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem . Hierfür kommt es lediglich darauf an, ob das Gesetz - wie hier (§ 266a Abs. 4 StGB, § 370 Abs. 3 AO) - einen besonders schweren Fall mit einer Strafdrohung von über fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht (Senat, Beschluss vom - 1 StR 490/10, BGHSt 56, 146).

5Auch wenn man den rechtlichen Ansatz des Landgerichts, bei dem Angeklagten W.   alle Steuerstraftaten zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen - was aufgrund des Gesamthinterziehungsbetrages und des späten Beendigungszeitpunkts zur Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO führen würde - nicht teilt (vgl. unten II. 4.), ist keine Steuerstraftat verjährt. Eine einschränkende Auslegung des § 78b Abs. 4 StGB dahingehend, dass er gegen seinen Wortlaut wegen der Änderung von § 376 AO auf Fälle der einfachen Steuerhinterziehung keine Anwendung mehr finden soll (vgl. Baumhöfener/Madauß, NZWiSt 2017, 27, 28), hält der Senat nicht für geboten (ebenso Bülte in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand November 2013, § 376 AO Rn. 198; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 376 AO Rn. 98; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Stand Juni 2009, § 376 AO Rn. 174; vgl. auch Senat, Urteil vom - 1 StR 172/16, NZWiSt 2017, 68; anders für die von § 376 Abs. 1 AO erfassten Fälle Mitsch, NZWiSt 2015, 8, 12; Mosbacher, Steueranwalt 2009/2010, S. 131, 146).

62. Die Verfahrensweise hinsichtlich der Beteiligung der Nebenbeteiligten begründet ebenfalls kein Verfahrenshindernis ihr gegenüber.

7Die Beteiligung der Nebenbeteiligten nach § 444 Abs. 1 StPO wurde jedenfalls konkludent durch den Eröffnungsbeschluss vom angeordnet. Dieser macht unmissverständlich klar, dass das Strafverfahren - gemäß dem Antrag der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom - auch gegen die Nebenbeteiligte geführt werden soll. Entsprechend ist im Folgenden auch verfahren worden. Die Nebenbeteiligte wurde zur Hauptverhandlung geladen und war dort durch einen Rechtsanwalt vertreten. All dies reicht für eine Beteiligungsanordnung aus (vgl. zur konkludenten Beteiligungsanordnung auch 5 Ss OWi 19/73, NJW 1973, 1851, 1853; , NStZ 1987, 79; Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 444 Rn. 15 mwN).

II.

8Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Schuldsprüche.

91. Nach den Feststellungen des Landgerichts erbrachte die Nebenbeteiligte in den Jahren 2005 bis 2009 mit ca. 250 bis 500 fest angestellten Mitarbeitern Bewachungs- und Sicherheitsleistungen am Flughafen M.     . Der Angeklagte W.   war in diesem Zeitraum Geschäftsführer der Nebenbeteiligten, der Angeklagte S.     nach einer Tätigkeit als Betriebsleiter Berater im Bereich Personalwesen.

10Ein Großteil der Mitarbeiter der Nebenbeteiligten war im genannten Zeitraum zusätzlich bei einer anderen Firma (H.       GmbH oder Se.                      GmbH) als geringfügig Beschäftigte gemeldet. Dies diente indes lediglich der gesplitteten Abrechnung von Mehrarbeit der Beschäftigten. Auf diese Weise konnten die Nebenbeteiligte und die bei ihr angestellten Arbeitnehmer Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für Mehrarbeit einsparen, weshalb alle Beteiligten ein erhebliches Interesse an der Fortführung dieses schon seit den frühen 1990er Jahren betriebenen „Lohnmodells“ hatten.

11Mit der H.         GmbH oder der Se.                       GmbH schlossen die betroffenen Angestellten der Nebenbeteiligten unter deren Vermittlung „formal“ schriftliche Arbeitsverträge über eine geringfügige Beschäftigung, die auch entsprechend gemeldet wurde. Tatsächlich kannten die vorgeblichen Arbeitnehmer keine Ansprechpartner bei diesen „Arbeitgebern“. Sie stellten sich dort nicht zur Einstellung vor, wurden von niemandem aus diesen Firmen angewiesen, erhielten von dort weder Kleidung noch sonstige Arbeitsutensilien, stellten dort keine Urlaubsanträge, meldeten sich dort weder zum Dienstantritt noch krank und hatten überhaupt keinen direkten Kontakt zu ihren angeblichen Arbeitgebern. Vielmehr leisteten sie ausschließlich unter Kontrolle und auf Anweisung der Nebenbeteiligten ihre Arbeitsstunden in der Dienstkleidung und mit den Sicherheitsausweisen, die sie von der Nebenbeteiligten erhalten hatten. Der später formal für die H.         GmbH tätige Angeklagte S.        trat den Arbeitnehmern gegenüber weiterhin als der Nebenbeteiligten zugehörig auf. Lediglich wenn Mehrarbeit anfiel, wurde diese über die beiden genannten Firmen abgerechnet, wobei auch nachträglich Stunden umgeschrieben wurden, wenn dies besser in den vorteilhaften Abrechnungsmodus passte. Die H.         GmbH und die Se.                      GmbH fungierten auf diese Weise lediglich als „Zahlstellen“ der Nebenbeteiligten. Die Aufgaben beider Firmen beschränkten sich darauf, ihre angeblich geringfügig Beschäftigten anzumelden, nach detaillierten Vorgaben der Nebenbeteiligten Lohnabrechnungen zu fertigen und Löhne für die angeblich bei ihnen geringfügig Beschäftigten auszuzahlen. Unabhängig von jeder tatsächlichen Beschäftigung wurde pro Monat mindestens eine Stunde über die Drittfirmen abgerechnet, damit es zu keiner Abmeldung bei der Knappschaft kam.

12Im Zusammenhang mit einer geplanten Zusammenarbeit mit der C.      GmbH, die nach dem beschriebenen Modell als „Subunternehmerin“ der Nebenbeteiligten fungieren sollte, wurde den Angeklagten schon im Sommer 1999 bekannt, dass es erhebliche rechtliche Bedenken gegen diese Form der gesplitteten Mitarbeiterbezahlung gibt. Soweit sie bei Rechtsanwälten und Behörden rechtlichen Rat einholten und zur Antwort bekamen, das angefragte Modell sei unbedenklich, beruhte dies auf der unzutreffenden Angabe, die Arbeitnehmer wären tatsächlich bei zwei verschiedenen Arbeitgebern tätig.

132. Das Landgericht ist auf der Grundlage dieser Feststellungen zutreffend davon ausgegangen, dass die Nebenbeteiligte bezüglich der gesamten Tätigkeit der bei ihr angestellten Arbeitnehmer (Haupt- und „Nebenbeschäftigung“) als Arbeitgeber im Sinne von § 266a StGB anzusehen ist und sich deshalb die Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern aus dem von den Arbeitnehmern erzielten Gesamtlohn berechnen.

14a) Grundlage der Beitragsbemessung ist das gesamte Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit. Hierzu zählen alle Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (vgl. Senat, Urteil vom - 1 StR 516/13, NJW 2014, 1975, 1977). Sämtliche bei einem Arbeitgeber vorgenommenen Tätigkeiten sind - ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Gestaltung - als ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen. Eine neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübte geringfügige Beschäftigung ist deshalb nur dann versicherungsfrei, wenn sie nicht bei demselben Arbeitgeber ausgeübt wird (, BSGE 55, 1).

15Der Begriff des Arbeitgebers ist im Rahmen von § 266a StGB sozialrechtlich zu bestimmen (vgl. hierzu umfassend Radtke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 266a Rn. 12 ff.; Brettschneider in Ignor/Mosbacher [Hrsg.], Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl., § 2 Rn. 27 ff., jeweils mwN). Arbeitgeber in diesem Sinne ist derjenige, demgegenüber der Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleitungen verpflichtet ist und zu dem er in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, das sich vor allem durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers äußert (Radtke aaO Rn. 12 mwN).

16b) Arbeitgeberin der „geringfügig Beschäftigten“ war nach diesen Maßstäben jeweils nur die Nebenbeteiligte. Die Arbeitnehmer waren lediglich in ihren Betrieb eingegliedert und erhielten lediglich von dort Weisungen. Sie waren nach der von allen Parteien so gewollten Vereinbarung nicht den Drittfirmen gegenüber zur Dienstleistung verpflichtet, sondern nur der Nebenbeteiligten gegenüber. Dies zeigt sich - worauf das Landgericht zutreffend abgestellt hat - schon daran, dass die Drittfirmen als angebliche Arbeitgeber weder über Dienstantritt noch Krankheit oder Urlaub „ihrer Arbeitnehmer“ informiert waren, sondern sich ihre Tätigkeit lediglich auf die Auszahlung von Arbeitslohn nach detaillierten Vorgaben der Nebenbeteiligten beschränkte. Die Arbeitnehmer erbrachten ihre Tätigkeit nur für die Nebenbeteiligte, nicht für die Drittfirmen, bei denen sie ohnehin niemanden kannten.

17c) Auf der Grundlage der Feststellungen erweisen sich die von den Arbeitnehmern der Nebenbeteiligten mit der H.           GmbH oder der Se.                       GmbH geschlossenen „Arbeitsverträge“ über eine geringfügige Beschäftigung letztlich als bloße Scheingeschäfte im Sinne von § 117 BGB. Tatsächlich sollte durch diese Verträge keine der Parteien wirksam im Sinne von § 611 BGB verpflichtet werden.

18d) Die Einwände der Revisionen, es habe sich bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung um Leiharbeit gehandelt, gehen deshalb an den Feststellungen des Urteils vorbei. Dies würde voraussetzen, dass die jeweiligen Arbeitnehmer im Rahmen ihrer „geringfügigen Tätigkeit“ jedenfalls eine wirksame arbeitsvertragliche Verpflichtung mit den Drittfirmen H.        GmbH oder Se.                      GmbH eingegangen wären. Daran mangelt es nach den Feststellungen aber gerade. Kommt schon überhaupt kein Arbeitsvertrag mit einem anderen Arbeitgeber zustande, sondern wird dieser Vertrag - wie hier - nur formal „zum Schein“ geschlossen, ohne dass damit nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien arbeitsvertragliche Pflichten begründet werden sollen, gibt es schon keine zwei Arbeitgeber, wie dies die Rechtsausführungen der Revisionen voraussetzen.

193. Auch die Bestimmung des Schadensumfangs der Beitragshinterziehung hält letztlich revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

20a) Zu Recht ist das Landgericht hinsichtlich des nicht gemeldeten Lohnteils nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV von einem Nettoarbeitsentgelt ausgegangen und hat dies zur Beitragsberechnung im Sinne von § 266a Abs. 1 und 2 StGB auf einen fiktiven Bruttolohn hochgerechnet.

21aa) Die Fiktion einer Nettolohnvereinbarung gilt auch, wenn die Schwarzlohnzahlung - wie hier - nur einzelne Lohnteile erfasst (Senat, Beschlüsse vom - 1 StR 320/09, wistra 2010, 29 und vom - 1 StR 283/09, wistra 2010, 148).

22bb) Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich auch, dass diese Teilschwarzlohnzahlungen mit mindestens bedingtem Vorsatz erfolgt sind, was Voraussetzung der Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist (vgl. , BSGE 109, 254; Senat, Urteil vom - 1 StR 516/13, NJW 2014, 1975, 1977). Entgegen der Auffassung der Revisionen wird insoweit nicht mehr verlangt als für die - hier festgestellte - bedingt vorsätzliche Erfüllung des Straftatbestandes des § 266a StGB; vielmehr gilt ein Gleichlauf der subjektiven Voraussetzungen (vgl. BSG aaO Rn. 28).

23b) Die Hochrechnung der einzelnen Schwarzlohnanteile auf einen fiktiven Bruttolohn als Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge ist allerdings fehlerhaft.

24aa) Einerseits hat das Landgericht bei der Hochrechnung zu Lasten der Angeklagten jeweils zu Unrecht die Lohnsteuerklasse VI angesetzt, obwohl für sämtliche Arbeitnehmer die Lohnsteuerkarten vorlagen (vgl. § 39c EStG) und die individuellen Lohnsteuermerkmale im Rahmen der Lohnsteuerberechnung festgestellt wurden (vgl. Senat, Urteil vom - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 79).

25bb) Andererseits hat die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten rechtsfehlerhaft lediglich den Schwarzlohnanteil isoliert auf einen Bruttolohn hochgerechnet und aus dieser Summe die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge bestimmt. Zwar ist die Hochrechnung der Schwarzlohnsumme auf eine Bruttolohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nur auf den Schwarzlohnanteil zu beziehen (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 283/09, wistra 2010, 148). Aber dieser muss für eine auch die Progression beinhaltende zutreffende Beitragsberechnung dem gemeldeten Teil der Lohnsumme hinzugerechnet werden, damit anschließend von dem insgesamt ermittelten Bruttolohn der gemeldete Bruttolohn wieder abgezogen werden kann (vgl. Senat aaO).

26cc) Letztlich wirken sich beide gegenläufigen Fehler unter Berücksichtigung des vom Landgericht stets vorgenommenen Sicherheitsabschlags in Höhe von 5 % jedenfalls im Ergebnis nicht zu Lasten der Angeklagten oder der Nebenbeteiligten aus.

274. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des Landgerichts hält nur eingeschränkt rechtlicher Überprüfung stand.

28a) Soweit das Landgericht bei dem Angeklagten W.   jeweils nur eine Tat des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und der Steuerhinterziehung angenommen hat, ist dies angesichts seiner tatsächlichen Einbindung zwar nicht unbedenklich (vgl. zu den Konkurrenzen bei § 266a StGB nur Radtke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 266a Rn. 99; Pananis in Ignor/Mosbacher [Hrsg.], Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl., § 6 Rn. 45; zu den Konkurrenzen bei Lohnsteuerhinterziehung nach § 370 AO vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 90/11, NStZ 2011, 645, jeweils mwN). Da das Landgericht trotz der Schadenshöhe mangels Handeln aus grobem Eigennutz keinen besonders schweren Fall von Steuer- oder Beitragshinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF und § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB angenommen hat, schließt der Senat aber aus, dass eine etwa fehlerhafte Konkurrenzbeurteilung den Angeklagten beschwert. Ohnehin beeinflusst die unzutreffende Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses den materiellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat insgesamt nicht (Senat, Beschluss vom - 1 StR 122/16, NStZ-RR 2016, 244, 245 mwN).

29b) Gleiches wie für den Angeklagten W.   gilt für die nach § 30 OWiG akzessorisch haftende Nebenbeteiligte.

30c) Die Revision des Angeklagten S.      führt zu einer Änderung der Konkurrenzen bei seiner Verurteilung. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, dienten die Beihilfehandlungen dieses Angeklagten gleichermaßen der Ermöglichung von Beitrags- wie Steuerhinterziehung. Unterstützt der Teilnehmer durch eine Handlung mehrere Haupttaten, liegt nur eine Beihilfe vor (vgl. Jäger, in Klein, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 251 mwN).

31Der Senat ändert in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich und setzt die bisherige Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe fest (vgl. hierzu ; BVerfG - Kammer -, Nichtannahmebeschluss vom - 2 BvR 1603/06). § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte insoweit nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Lediglich zur Klarstellung hat der Senat ausgesprochen, dass die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt bleibt. Eines neuerlichen Beschlusses nach § 268a StPO bedarf es nicht.

III.

32Zu den Verfahrensrügen ist ergänzend zu bemerken:

331. Bezüglich der Verfahrensbeanstandungen, die eine unrichtige Behandlung von Beweisanträgen zur „formal-rechtlichen“ Betrachtung der Arbeitgeberstellung im Tatzeitraum sowie entsprechenden Auskünften von Sozialversicherungsträgern hierzu geltend machen, kann der Senat aufgrund des unter II. Ausgeführten - unabhängig von der Frage einer Einschränkung des Beweisantragsrechts der Nebenbeteiligten nach § 436 Abs. 2 i.V.m. § 444 Abs. 2 Satz 2 StPO und unabhängig von der Rügeberechtigung derjenigen Revisionsführer, die lediglich die Ablehnung von anderen Verfahrensbeteiligten gestellten Beweisanträgen beanstanden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - 1 StR 75/14, StraFo 2015, 70 mwN) - jeweils ausschließen, dass das Urteil auf einer etwa unrichtigen Rechtsanwendung im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO beruht.

34a) In allen ablehnenden Beschlüssen nach § 244 Abs. 3 und 6 StPO hat die Strafkammer ihren auch im Urteil fortgesetzten Rechtsstandpunkt deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht die H.        GmbH und die Se.                 GmbH (sowie früher eingebundene Drittfirmen) nur angeblich, nicht aber wirklich zusätzliche Arbeitgeber der jeweiligen Arbeitnehmer der Nebenbeteiligten waren. Sämtliche unter Beweis gestellten Tatsachen erwiesen sich deshalb für die Entscheidung der Strafkammer, worauf sie in ihren ablehnenden Beschlüssen jeweils hingewiesen hat, als aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Hierüber konnte deshalb, trotz im Einzelnen teils etwas knapper Begründung, für die Revisionsführer zu keinem Zeitpunkt Unklarheit bestehen.

35b) Der Senat kann offenlassen, ob sich die Ablehnung der beantragten Verlesung der den Beweisanträgen beigefügten Urkundenkopien nach § 244 Abs. 3 StPO oder - als präsente Beweismittel - nach § 245 Abs. 2 StPO richtet (vgl. hierzu , NStZ 1994, 593; Urteil vom - 1 StR 633/10, wistra 2012, 29, 33; Beschluss vom - 4 StR 355/15, StV 2016, 343). Auch in diesen Fällen kann der Senat aufgrund des eben Ausgeführten ausschließen, dass die jeweils unterlassenen Beweiserhebungen die Entscheidung des Landgerichts beeinflusst haben könnten (vgl. zum Maßstab der Beruhensprüfung bei Verstößen gegen § 245 StPO: , NStZ 1996, 400).

362. Die Revision der Nebenbeteiligten kann auch nicht mit ihrer Rüge durchdringen, Ladung und tatsächliche Beteiligung der Nebenbeteiligten seien unzureichend gewesen.

37a) Zwar lag der Ladung der Nebenbeteiligten zur Hauptverhandlung keine Zustellungsanordnung des Vorsitzenden zu Grunde, sondern die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat ohne entsprechende Anordnung die förmliche Zustellung der Ladung verfügt (vgl. hierzu nur Mosbacher/Claus in SSW-StPO, 2. Aufl., § 36 StPO Rn. 3 und 9 mwN). Dieser Mangel hat sich aber nicht zu Lasten der Nebenbeteiligten ausgewirkt (vgl. zum Prüfungsmaßstab Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 216 Rn. 8 mwN), denn sie ist tatsächlich zuverlässig von den Hauptverhandlungsterminen unterrichtet worden und konnte deshalb ihr Beteiligungsrecht wahrnehmen.

38Ein Antrag nach § 217 Abs. 2 StPO ist nicht fristgerecht gestellt worden. Eine etwaige Nichteinhaltung der Ladungsfrist aufgrund des vorgenannten Fehlers im Zustellungsverfahren würde im vorliegenden Fall auch nicht von den Rechtsfolgen des § 444 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO entbinden; die Fristeinhaltung ist in solchen Fällen keine Voraussetzung für Maßnahmen, die das Gesetz an das Ausbleiben der Nebenbeteiligten knüpft (vgl. zu ähnlichen Konstellationen Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 217 Rn. 11 mwN).

39b) Die Nebenbeteiligte war in der Hauptverhandlung auch ordnungsgemäß vertreten. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend im Einzelnen ausgeführt hat, war der Angeklagte W.   zwar wegen Interessenkonflikts als Geschäftsführer der Nebenbeteiligten von der Vertretung im Verfahren ausgeschlossen. Da nach der Satzung der Nebenbeteiligten deren Vertretung aber sowohl durch einen wie durch mehrere Geschäftsführer möglich ist und neben dem Angeklagten W.   jeweils noch ein anderer Geschäftsführer bestellt war, erstarkte die Gesamtvertretungsmacht des verbliebenen Geschäftsführers zur Alleinvertretungsmacht (vgl. , NJW-RR 2007, 1260).

40Die Beauftragung der anwaltlichen Vertreter der Nebenbeteiligten, die jeweils ausdrücklich auch zu deren Vertretung bevollmächtigt waren, ist aus demselben Grund als wirksam anzusehen. Ohnehin oblag es der Nebenbeteiligten nach Anordnung der Beteiligung und Ladung selbst, sich um ihre Vertretung in der Hauptverhandlung zu kümmern (vgl. § 444 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO).

IV.

41Der geringfügige Teilerfolg der Revision des Angeklagten S.       rechtfertigt es nicht, diesen Angeklagten ganz oder teilweise von den entstandenen Kosten oder Auslagen zu entlasten (vgl. § 473 Abs. 1 und 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:071216B1STR185.16.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2018 S. 17 Nr. 1
BFH/NV 2017 S. 878 Nr. 6
HFR 2017 S. 860 Nr. 9
GAAAG-46294