BFH Beschluss v. - X B 135/00

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht.

Sind die Voraussetzungen des § 181 der Zivilprozessordnung (ZPO) für eine sog. Ersatzzustellung erfüllt (im Streitfall Zustellung in der Wohnung des Klägers an einen erwachsenen Hausgenossen), ist das Schriftstück mit der Übergabe an die Ersatzperson zugestellt. Ob und wann der Zustellungsadressat von dem Schriftstück Kenntnis erhält, ist für die Wirksamkeit der Zustellung unerheblich. Händigt die Ersatzperson das Schriftstück dem Zustellungsadressaten nicht aus, kann dieser nur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (, BVerwGE 44, 105; vgl. auch , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1990, 1666, unter II. 3.; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 21. Aufl., § 181 Rz. 1; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 3 VwZG Rz. 64; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 3 VwZG Rz. 6). Unerheblich ist daher, ob die Ersatzperson das Schriftstück versehentlich oder bewusst nicht an den Empfänger weitergeleitet hat. Ebenso wenig wird die Wirksamkeit der Ersatzstellung beeinträchtigt, wenn —wie im Streitfall— ein anderer Hausgenosse das von der Ersatzperson für den Zustellungsempfänger bereitgelegte Schriftstück an sich nimmt und dem Zustellungsadressaten vorenthält.

2. Ein zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führender Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor.

Der Kläger rügt, das Finanzgericht (FG) habe —wie sich aus dem Beweisthema ergebe— vor der Beweisaufnahme offensichtlich die Auffassung vertreten, eine Ersatzzustellung sei nicht wirksam, wenn das für den Zustellungsadressaten bestimmte Schriftstück durch einen Familienangehörigen unterschlagen werde. In dem unterlassenen Hinweis auf die nach der Beweisaufnahme geänderte Rechtsauffassung liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) gewährleistet, dass die Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung ausreichend Gelegenheit erhalten, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Im Streitfall hat das FG dem Kläger diese Gelegenheit in ausreichendem Maße gegeben.

Das Gericht verstößt auch gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (z.B. , BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt.

Die Vernehmung der Eltern zum ”Zugang der im Streit stehenden Bescheide” ließ nicht darauf schließen, dass das FG eine Ersatzzustellung für unwirksam hielt, wenn die Ersatzperson das Schriftstück dem Zustellungsadressaten nicht übergibt. Denn die Eltern sollten auch über den Zugang der mit der Post übersandten Gewerbesteuermessbescheide befragt werden. Außerdem hing die Wirksamkeit der Ersatzzustellung bei den mit Postzustellungsurkunde übersandten Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheiden davon ab, ob die Mutter die Schriftstücke tatsächlich entgegengenommen hatte. Im Übrigen hätte das FG, selbst wenn es ursprünglich eine andere Rechtsauffassung in Betracht gezogen und diese Meinung erst während der Zwischenberatung nach der Beweisaufnahme geändert hätte, den Kläger hierauf nicht hinweisen müssen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) vertrat von Anfang an die Auffassung, dass eine Ersatzzustellung mit Übergabe an die Ersatzperson wirksam ist. Der Kläger musste daher damit rechnen, dass das FG sich dieser Ansicht anschließt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 216 Nr. 2
PAAAA-66423