BFH Beschluss v. - X B 1/01

Gründe

I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) hat eine beim ... Senat des Finanzgerichts (FG) anhängige Klage erhoben. Mit Schreiben vom lehnte der Kläger den Richter am FG X, der Mitglied des ... Senats, aber nicht Berichterstatter im Verfahren des Klägers ist, als befangen ab. Er begründete seine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters X mit den Ablehnungsgesuchen in anderen Verfahren. An diesen Verfahren ist der Kläger nicht beteiligt. Richter am FG X erklärte sich in einer dienstlichen Äußerung vom für nicht befangen. Dem Kläger war eine Frist zur Stellungnahme zu dieser Äußerung bis zum eingeräumt worden. Dem Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) wurde das Ablehnungsgesuch vom zusammen mit der dienstlichen Äußerung des Richters X am mit dem Hinweis, eine etwaige Gegenäußerung innerhalb von zwei Monaten einzureichen, zugeleitet.

Mit Beschluss vom lehnte das FG —ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters— das Ablehnungsgesuch ab. Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom Beschwerde ein. Die Begründung sollte bis zum nachgereicht werden. Das FG beschloss am , der Beschwerde nicht abzuhelfen. Dem Antrag des Klägers vom gleichen Tag, die Begründungsfrist bis zum zu verlängern, entsprach das FG nicht. Mit Schreiben vom teilte es dem Kläger mit, dass das Verfahren nunmehr dem Bundesfinanzhof (BFH) zugeleitet werde. Eine weitere Verzögerung sei nicht vertretbar.

Mit Schreiben vom lehnte der Kläger den Vorsitzenden Richter am FG Y, der Mitglied des ... Senats ist und am Beschluss vom mitgewirkt hat, als befangen ab:

  • Er verwies auf die Ablehnungsgesuche in den Verfahren ...

  • Zudem sei ihm die dienstliche Stellungnahme des Richters X zur Kenntnis und Gegenäußerung mit der Frist zugeleitet worden. Gleichwohl habe das FG unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Y in seinem und zehn weiteren Verfahren seines Prozessbevollmächtigten vor Ablauf der ihm gesetzten Frist über das Befangenheitsgesuch entschieden. Fristsetzung und Terminierung im vorliegenden Verfahren durch den Vorsitzenden Richter Y begründeten die Vermutung, dass ein faires Verfahren nicht zu erwarten sei.

  • Schließlich habe das FG in dem anschließenden Beschwerdeverfahren die erbetene Frist nicht abgewartet, obwohl hierdurch nur eine Verzögerung von drei Tagen entstanden wäre.

Mit Beschluss vom lehnte das FG —ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter— das Ablehnungsgesuch ab. Eine dienstliche Äußerung des Senatsvorsitzenden hatte das FG zuvor nicht eingeholt, da der Kläger lediglich bereits geltend gemachte Befangenheitsgründe wiederhole.

Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Beschwerde macht der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens geltend, sein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter Y stütze sich nicht nur auf das Verhalten des abgelehnten Richters in anderen Verfahren. Er habe auch auf die fehlerhafte Verhaltensweise in seinem eigenen Verfahren hingewiesen. Da eine dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Richters Y unterblieben sei, sei davon auszugehen, dass die geäußerten Ablehnungsgründe zutreffend seien. Die Auffassung des Senats, das Ablehnungsgesuch habe der Prozessverschleppung gedient, entspreche nicht den Tatsachen. Zum einen bleibe der Senat trotz eines Ablehnungsgesuchs voll handlungsfähig. Außerdem stehe auch dem Kläger das Recht zu, sich zu informieren und sein Handeln zu überdenken, bevor in seiner Sache ein Ablehnungsantrag gestellt werde.

Das FA hat keine Stellungnahme zur Sache abgegeben.

II. Die gemäß § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757; vgl. Art. 4 2.FGOÄndG) zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (z.B. , BFH/NV 1997, 369). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 369).

2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die vom Kläger vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Der Kläger stützt sein Befangenheitsgesuch zu Unrecht auf ein Verhalten des abgelehnten Richters in zwei anderen Verfahren, an denen er selbst nicht beteiligt ist oder war. Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem abgelehnten Richter, die in anderen Verfahren zutage getreten sind, können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit in dem konkreten Verfahren begründen, wenn eine ablehnende Einstellung auch in diesem Verfahren in Erscheinung getreten ist; sachliche Meinungsunterschiede in Fragen der richterlichen Prozessleitung reichen dafür aber nicht aus (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., § 42 Rn. 13).

Im Streitfall hat das FG zwar über das Befangenheitsgesuch gegen den Richter am FG X vor Ablauf der dem Kläger gesetzten Äußerungsfrist entschieden. Aus diesem Verfahrensfehler lässt sich jedoch keine Voreingenommenheit oder unsachliche innere Einstellung des Vorsitzenden Richters Y gegenüber dem Kläger oder seinem Prozessbevollmächtigten ableiten, da die Entscheidung auch vor Ablauf der dem FA eingeräumten Äußerungsfrist gefällt wurde. Schließlich ist auch die Ablehnung des FG, die Frist zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss vom zu verlängern, für sich allein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters Y zu begründen, und zwar schon deshalb nicht, weil diese Entscheidung des FG nicht rechtswidrig war.

3. Der Beschwerde vermag auch der Einwand des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen, es sei keine dienstliche Äußerung (§ 44 Abs. 3 ZPO) des abgelehnten Richters eingeholt worden. Die in § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO vorgesehene Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters dient der vollständigen Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblichen Sachverhalts. Steht dieser unstreitig fest und bedarf es daher keiner weiteren Aufklärung, so ist das Unterbleiben einer Einholung der dienstlichen Äußerung für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ohne Bedeutung (vgl. , BFH/NV 1999, 70). So verhält es sich im Streitfall. Insbesondere ergibt sich aus den Akten eindeutig, dass der Beschluss vom —wie vom Kläger vorgetragen— vor Ablauf der ihm, aber auch dem FA eingeräumten Äußerungsfrist gefasst wurde.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1289 Nr. 10
BAAAA-66406