BSG Beschluss v. - B 1 KR 14/16 S

Sozialgerichtliches Verfahren - elektronischer Rechtsverkehr beim BSG - Prozesskostenhilfegesuch - Formerfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur

Gesetze: § 65a Abs 1 S 3 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 114 ZPO, § 117 Abs 1 ZPO, § 117 Abs 2 ZPO, § 117 Abs 4 ZPO, § 121 ZPO, § 2 Nr 3 SigG 2001, § 2 Abs 3 ERVVOBSG

Instanzenzug: Az: S 11 KR 398/16 ER Beschlussvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 4 KR 408/16 B Beschluss

Gründe

1I. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung, ihm einen Notanwalt (§ 78b ZPO) beizuordnen (), zurückgewiesen (). Hiergegen hat der Antragsteller mit einem am per einfacher E-Mail beim BSG eingegangenen elektronischen Dokument sinngemäß Beschwerde eingelegt und gleichzeitig einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt.

2II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen (dazu 1.), die Beschwerde des Antragstellers als unzulässig zu verwerfen (dazu 2.).

31. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 und 121 ZPO kann einem Beteiligten für ein Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist, dass sowohl der Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 SGG, § 117 Abs 1, 2 und 4 ZPO) eingereicht werden. Der Bewilligungsantrag des Antragstellers per einfacher E-Mail erfüllt diese Voraussetzung nicht. Ein an das BSG gerichtetes elektronisches PKH-Gesuch bedarf vielmehr einer hierfür zugelassenen qualifizierten elektronischen Signatur.

4Grundsätzlich ist ein Antrag auf PKH als Prozesshandlung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 117 Abs 1 S 1 ZPO, vgl Röhl in Zeihe/Hauck, SGG, Stand , Anhang 8 § 114 ZPO Anm 8a aa; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 73a RdNr 5a). § 65a Abs 1 SGG lässt - anstelle der Schriftform - die Übermittlung von elektronischen Dokumenten nach Maßgabe von Rechtsverordnungen des Bundes oder des jeweiligen Landes zu. Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr 3 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz idF durch Art 1 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften vom , BGBl I 876) vorzuschreiben (§ 65a Abs 1 S 3 SGG). Für das BSG hat die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim BSG (ERVVOBSG vom , BGBl I 3219, geändert durch VO vom , BGBl I 2339) die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen. § 2 Abs 3 ERVVOBSG bestimmt hierfür: Die für Dokumente, die - wie hier der PKH-Antrag - einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, erforderliche qualifizierte elektronische Signatur muss dem Profil ISIS-MTT entsprechen und das ihr zugrunde liegende Zertifikat muss durch das Gericht, das mit einer automatisierten Überprüfung andere Stellen beauftragen kann, prüfbar sein (vgl auch - Juris, für SozR 4-1500 § 65a Nr 2 vorgesehen; zu vergleichbaren Anforderungen ab beim BFH vgl - BFH/NV 2016, 1303 = Juris RdNr 7 mwN zur Abgrenzung zur früheren Rechtslage und Rspr).

5Hieran fehlt es. Der Antragsteller erfüllt mit seinen an das BSG übermittelten einfachen E-Mails vom 15.10., 19.10. und nicht diese Voraussetzungen. Der erkennende Senat kann vom Formerfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur auch nicht ausnahmsweise absehen, selbst wenn sich aus den E-Mails oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (vgl Hauck in Hennig, SGG, Stand , § 65a RdNr 15 mwN).

62. Die Beschwerde ist ua aus den zu 1. genannten Gründen als unzulässig zu verwerfen. Selbst statthafte Rechtsbehelfe - woran es hier fehlt - können beim BSG nicht per einfacher E-Mail wirksam eingelegt werden.

73. Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2017:300117BB1KR1416S0

Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 1200 Nr. 16
HAAAG-43359