NWB Nr. 14 vom Seite 978

Revolution in der Steuerberatung – 70 Jahre NWB

Heinrich Steinfeld | Programmleitung Steuern und Wirtschaft

Wer hätte 1947 unter dem straffen Steuerregime des Alliierten Kontrollrats, zwei Jahre nach dem Zusammenbruch des Naziregimes und zwei Jahre vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, die Entwicklung des deutschen Steuerrechts zu einem hochkomplexen Steuersystem mit einer ausgeklügelten föderalen Finanzverfassung, über 200 Steuergesetzen, einer sechsstelligen Zahl von Verordnungen und einem jährlichen Gesamtsteueraufkommen von über 600 Mrd. € vorhersehen wollen? Wer hätte wenige Tage nach Verkündung der Truman-Doktrin und kurz vor dem Inkrafttreten des ersten losen Zoll- und Handelsabkommens GATT die ca. 100 Doppelbesteuerungsabkommen und die Verflechtung der internationalen Handels- und Rechtsbeziehungen bis hin zu den Berichterstattungspflichten der Country by Country Reportings prophezeit, oder gar die fortschreitende europäische Integration mit der Harmonisierung indirekter Steuern und einer rahmengebenden Mehrwertsteuersystemrichtlinie? Und wer schließlich hätte damals schon das „Rauschen im Blätterwalde“ vernommen und den Mythos von 60, 70 oder 80 % der weltweiten Steuerliteratur in deutscher Sprache befeuert? Möge die weitsichtigen Gründer im Jahr 1947 davon noch eine vage Ahnung begleitet haben; niemand aber hätte sich in Jahren, in denen die bloße Papierbeschaffung als zentrale Herausforderung galt, Gedanken darüber gemacht, welche (digitale) Darstellung und Aufbereitung das Papier einmal am besten zu ersetzen vermag!

So lautet der Auftrag an die nachfolgenden Generationen, den Mut und die Gestaltungskraft der Gründer für die sich dramatisch ändernden Bedürfnisse der Informationsversorgung und -verarbeitung zu übersetzen: Aus dem legendären Grundwerk mit Facheinteilung wurde schon vor acht Jahren eine moderne Lesezeitschrift mit Datenbankzugang für alle Leser. Die NWB-Datenbank wurde als Trägermedium einer wachsenden Zahl von Publikationen ergonomisch und funktional stetig fortentwickelt, so dass sie sich heute auch als das am weitesten verbreitete und meist genutzte Online-Medium bezeichnen darf. 2015 wurde der „Steuerfach-Scout“, eine innovative prozessorientierte Anwenderlösung für Steuerfachangestellte, der ca. 3.000 FAQ-Beiträge zu einem geschlossenen, mit Formularen und Zeilen verknüpften Informationsnetz zusammenführt, in die Datenbank integriert. Der 2016 erstmals aufgelegte EStG-Kommentar ist über Aktualisierungen und systematische Verlinkungen eng mit der NWB verzahnt und wie andere Kommentare integrativer Bestandteil der neuen „NWB Plus“.

Die (künftigen) Anforderungen an Steuerberater werden weit über die Kenntnis des materiellen Steuerrechts hinausgehen. Digitale Transformationsprozesse, besonders die Harmonisierung der Kanzlei- und Mandantensysteme sind ein notwendiger Schritt zur Automatisierung der Standardprozesse (um anderen großen Anbietern – wie etwa Banken – dieses Feld nicht kampflos zu überlassen). Daneben zeichnet sich eine von den europäischen Institutionen massiv vorangetriebene Liberalisierung des Berufsrechts ab. Um diese Veränderungsprozesse zu begleiten und Ihnen, liebe Leser, ein Stück weit Orientierung zu geben, werden wir in Kürze das Portal „digital-steuern.de“ ins Leben rufen. Die Jubiläumsausgabe enthält bereits eine 38-seitige Beilage von Gutenberg und Giesen zum Thema „Digitalisierung: Revolution in der Steuerberatung“.

Heinrich Steinfeld

Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 978
NWB IAAAG-41529