Eingruppierung einer in einer Mensa tätigen Küchenhilfe in Teil II EntgeltO TV-L
Gesetze: § 29a Abs 3 S 1 TVÜ-L, § 1 TVG, § 43 TV-L
Instanzenzug: ArbG Würzburg Az: 8 Ca 1741/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 2 Sa 21/15 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Entgelts nach der Entgeltgruppe 3 Stufe 6 der Entgeltordnung der Anlage A zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (EntgeltO TV-L).
2Die Klägerin ist seit 1992 bei der Beklagten als Küchenhilfe beschäftigt. Ihre Tätigkeit besteht im Wesentlichen im Kochen von Beilagen wie Nudeln, Kartoffeln und Knödeln für die Mensa, die „Frankenstube“ und die „Pasta-Station“, im Vorbereiten der Speisenausgabe, dem Bestücken der Ausgabe mit den produzierten Speisen, der kontinuierlichen Versorgung der Ausgabe und der HACCP-konformen Reinigung der Küche.
3Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Länder. Überdies finden nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL II) vom und die diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge Anwendung. Ab dem Monat März 1993 erhielt die Klägerin eine Vergütung nach der Lohngruppe (Lgr.) 2 Nr. 1.3 des Lohngruppenverzeichnisses des MTL II und später nach der Lgr. 2a Nr. 4 des Lohngruppenverzeichnisses des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) sowie nach einer weiteren vierjährigen Tätigkeit eine Vergütung nach der Lgr. 3 Nr. 5 MTArb.
4Zum wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom (TVÜ-Länder) in den TV-L überführt und die Klägerin nach der Anlage 2 TVÜ-Länder in die Entgeltgruppe 3 (EG 3) TV-L übergeleitet. Am trat die EntgeltO TV-L in Kraft.
5Mit den Schreiben vom und beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Berufung auf eine analoge Anwendung von § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder eine Öffnung der Stufe 6 der EG 3 TV-L, was die Beklagte ablehnte.
6Mit ihrer der Beklagten am zugestellten Klage hat die Klägerin Entgeltdifferenzen für den Zeitraum vom bis zum mit der Begründung begehrt, ihr stehe eine Vergütung nach der Stufe 6 der EG 3 TV-L zu. Das Wirtschaftspersonal in Mensen werde von Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L erfasst. Dessen EG 3 TV-L enthalte den Klammerzusatz „keine Stufe 6“ gerade nicht. Selbst wenn sie nach Teil III Abschnitt 1 EntgeltO TV-L zu vergüten sei, führe dies zur beantragten Öffnung der Stufe 6. Sie sei als angelernte Beschäftigte im Sinne der Protokollerklärung Nr. 3 zur Fallgr. 2 der EG 3 EntgeltO TV-L anzusehen. Unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Beschäftigungszeiten von mehr als 15 Jahren habe sie die Stufe 6 erreicht. Dies ergebe sich auch aus den hierzu ergangenen Durchführungshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, die bei einer Eingruppierung in der EG 3 EntgeltO TV-L auf Antrag eine „Öffnung“ der Stufe 6 vorsehen.
7Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Interesse - zuletzt beantragt,
8Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Tätigkeit der Klägerin sei nach dem Teil III und nicht nach Teil II der EntgeltO TV-L zu vergüten. Bei ihrer Tätigkeit handele es sich um eine überwiegend körperliche, einfachste Tätigkeit, die jederzeit auch von Aushilfskräften ohne längere Einarbeitungszeit ausgeübt werden könne, so dass die Anforderungen der in diesem Teil enthaltenen EG 3 EntgeltO TV-L nicht erfüllt seien. Im Übrigen werde die Klägerin nicht ungleich behandelt. Ab dem könnten neu eingestellte Mitarbeiter die Stufe 6 auch erst nach 15 Jahren, mithin erstmalig zum , erreichen. Durch die tariflichen Übergangsvorschriften blieben der Klägerin ihr bisheriger Bewährungsaufstieg und damit auch ihre Gehaltshöhe erhalten.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren - soweit noch anhängig - weiter.
Gründe
10Die zulässige Revision ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und seine Begründung tragen die Klageabweisung nicht. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).
11A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit der Klägerin als Küchenhilfe in der Mensa des Studentenwerks falle nicht unter Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L, sondern unter Teil III Abschnitt 1 (Allgemeine Tätigkeitsmerkmale) EntgeltO TV-L. Ein Studentenwerk und dessen Mensa seien keine „Einrichtungen, die nicht unter § 43“ iSd. Teils II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L fallen. Von dieser Ausnahmeregelung seien nur Einrichtungen mit Betreuungscharakter erfasst. Damit sei eine Anwendung des Teils III EntgeltO TV-L nicht ausgeschlossen. Da die Tätigkeit der Klägerin auch nicht unter Teil III Abschnitt 1 EG 3 Fallgr. 2 oder 3 EntgeltO TV-L falle, komme die von der Klägerin begehrte Öffnung der Stufe 6 nicht in Betracht.
12B. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit als Küchenhilfe in einer Mensa nicht von Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L erfasst wird.
13I. Für die Eingruppierung und Stufenzuordnung der Klägerin sind aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel die tariflichen Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder maßgebend.
141. Die danach im Streitfall bedeutsamen Regelungen des TV-L lauten ua.:
152. Die zum in Kraft getretene EntgeltO TV-L lautet auszugsweise wie folgt:
163. § 43 TV-L vom in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
174. § 29a TVÜ-Länder regelt die Überleitung in die Entgeltordnung zum TV-L am . Er lautet auszugsweise:
18Die Anlage 2 zum TVÜ-Länder regelt ua.:
19II. Unter Anwendung dieser Tarifregelungen hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht eine Eingruppierung der Klägerin in die EG 3 nach Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L abgelehnt. Entgegen dessen Auffassung ist das Wirtschaftspersonal einer Mensa im Geltungsbereich der EntgeltO TV-L nach den Regelungen in Teil II Abschnitt 25 EntgeltO TV-L eingruppiert. Aus dem tariflichen Zusammenhang lässt sich nicht ableiten, dass unter Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L („Einrichtungen, die nicht unter § 43 fallen“) nur solche Einrichtungen zu verstehen sind, die - zusätzlich - eine Betreuungsfunktion oder einen Betreuungscharakter haben. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Regelungen.
201. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (näher dazu zB - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204; - 4 AZR 269/00 - zu B I 1 d aa der Gründe, BAGE 98, 35, jeweils mwN). Sie ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen ( - Rn. 30, BAGE 124, 110).
212. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien des TV-L mit der EntgeltO Regelungen für das gesamte Personal der Länder treffen wollten. Dies gilt auch für das Wirtschaftspersonal.
22a) Zwar gelten nach Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der EntgeltO für Beschäftigte mit körperlich/handwerklich geprägten Tätigkeiten nur die Tätigkeitsmerkmale des Teils III EntgeltO TV-L. Hiervon werden nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Angehörigen des Wirtschaftspersonals der Länder jedoch nicht erfasst. Für diese enthält Teil II Abschnitt 25 EntgeltO TV-L ausweislich seiner Überschrift besondere Tätigkeitsmerkmale. In Ermangelung näherer Einschränkungen ist davon auszugehen, dass durch diesen Abschnitt das gesamte Wirtschaftspersonal erfasst werden soll.
23aa) Die in Teil II Abschnitt 25.1 bis 25.3 EntgeltO TV-L formulierte Bezugnahme auf Einrichtungen iSd. § 43 TV-L enthält weder ausdrücklich noch konkludent eine Begrenzung des Anwendungsbereichs von Teil II Abschnitt 25 EntgeltO TV-L auf Heime und andere Einrichtungen des Betreuungsbereichs.
24(1) Die Eingruppierungsregelungen in Teil II Abschnitt 25.1 bis 25.3 EntgeltO TV-L gelten für Beschäftigte in Einrichtungen iSd. § 43 TV-L (Küchenwirtschaftsdienst, Wäschereidienst, Hauswirtschaft). Ausweislich seiner Überschrift enthält § 43 TV-L Sonderregelungen für die nichtärztlichen Beschäftigten in Universitätskliniken und Krankenhäusern. Nach § 43 Nr. 1 TV-L gelten diese Sonderregelungen für diejenigen Beschäftigten (mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, die unter § 41 oder § 42 fallen), die in Universitätskliniken, Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, tätig sind.
25(2) Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L erfasst die Beschäftigten in „Einrichtungen, die nicht unter § 43 fallen“. Angesichts des umfassenden Regelungsanspruchs für das gesamte Wirtschaftspersonal kann diese Geltungsbereichsbestimmung nur so verstanden werden, dass damit das Wirtschaftspersonal in allen anderen (restlichen) Einrichtungen der Länder gemeint ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts lässt sich aus dem tariflichen Zusammenhang nicht ableiten, dass unter „Einrichtungen, die nicht unter § 43 fallen“ nur solche zu verstehen sind, die - zusätzlich - eine Betreuungsfunktion oder einen Betreuungscharakter haben. So lässt sich aus den Tätigkeitsmerkmalen der EG 8 und 9 Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L nicht schließen, dass der allgemeine Begriff der Einrichtung nur im Sinne eines „Heims“ zu verstehen ist. Aus dem Tätigkeitsmerkmal der EG 6 Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L ergibt sich vielmehr, dass Heime nur eine bestimmte Form von Einrichtungen iSd. EntgeltO TV-L darstellen. So werden Hauswirtschaftsleiterinnen mit entsprechender Tätigkeit grundsätzlich nach EG 6 Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L vergütet. Nur wenn sie in „Heimen“, die eine bestimmte Größe haben, mit einer entsprechenden Tätigkeit beschäftigt sind, erhalten sie ein Entgelt nach EG 8 oder 9 Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L.
26bb) Eine dieser grundsätzlichen Zuordnung entgegenstehende Einzelprüfung anhand Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der EntgeltO hat nicht mehr zu erfolgen, da die Tarifvertragsparteien mit dem Teil II Abschnitt 25.1 EntgeltO TV-L deutlich gemacht haben, dass die Tätigkeiten von Beschäftigten im Küchenwirtschaftsdienst - zumindest hinsichtlich der Entgeltgruppen 2 bis 10 - nicht als körperlich/handwerklich geprägte Tätigkeit verstanden werden und daher nicht den Tätigkeitsmerkmalen des Teils III EntgeltO TV-L zuzuordnen sind. Das gilt nicht nur für Küchenmeister und Hauswirtschaftsleiterinnen, sondern auch für Wirtschafterinnen, zu deren Tätigkeit nach der Protokollerklärung Nr. 5 die Zubereitung der Nahrung gehört, und für Beschäftigte im Küchenwirtschaftsdienst mit einfachen Tätigkeiten (EG 2) oder mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erforderlich ist, die über eine Einarbeitung iSd. EG 2 des Teils II EntgeltO TV-L hinausgeht. Es ist nicht ersichtlich, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Tätigkeiten von Küchenhilfen keine Tätigkeiten von Beschäftigten im Küchenwirtschaftsdienst im tariflichen Sinne sind, und zwar unabhängig davon, ob sie in Einrichtungen iSd. § 43 TV-L erbracht werden, oder in Einrichtungen, die nicht unter § 43 TV-L fallen.
27b) Schließlich ergeben sich auch aus der Tarifgeschichte keine Anhaltspunkte für ein anderes Ergebnis.
28aa) Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung eines Tarifvertrags unterliegt bereits grundsätzlichen Bedenken. Wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse Dritter, die an den Tarifvertragsverhandlungen nicht beteiligt waren, kann der Wille der Tarifvertragsparteien im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat ( - Rn. 40). Die an einen Tarifvertrag gebundenen Arbeitsvertragsparteien müssen aus dessen Wortlaut ermitteln können, welchen Regelungsgehalt die Tarifnormen haben. Sie können regelmäßig nicht darauf verwiesen werden, sich - über den Wortlaut und die Systematik hinaus - Kenntnisse über weitere Auslegungsaspekte und -methoden zu verschaffen, zB durch Einholung von Auskünften ihrer Koalition über die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder durch Ermittlung der Existenz und des Inhalts von - vermeintlichen - Vorgängertarifverträgen ( - Rn. 22 mwN, BAGE 150, 184; vgl. dagegen zur grundsätzlichen Möglichkeit der Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte - 10 AZR 518/14 - Rn. 34). Dies gilt insbesondere, wenn der Wortlaut zu Zweifeln keinerlei Anlass gibt. Eine solche Verpflichtung widerspräche dem Normcharakter von Tarifverträgen und würde die notwendige Sicherheit und Gewissheit über deren Geltungsgrund und deren Geltungsinhalt nehmen. Die Tarifvertragsparteien können einem vom Wortlaut der tariflichen Vorschrift abweichenden Regelungswillen vielmehr dadurch Rechnung tragen, dass sie diesen in einer auch für Außenstehende erkennbaren Weise zum Ausdruck bringen.
29bb) Aber selbst bei Berücksichtigung der Tarifgeschichte ergäbe sich kein anderes Ergebnis.
30So gibt zwar die Protokollerklärung zu Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der EntgeltO TV-L einen Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung von früheren Tarifverträgen. Danach sind in Teil III nur die Beschäftigten eingruppiert, die bei Fortgeltung des alten Rechts im Lohngruppenverzeichnis des MTArb/MTArb-O eingereiht gewesen wären. Mit der Protokollerklärung sollte allerdings nur zum Ausdruck gebracht werden, dass Tätigkeiten, die bei einer Fortgeltung des alten Rechts nach dem BAT einzugruppieren waren, nicht unter Teil III fallen sollen. Für Beschäftigte hingegen, deren Tätigkeit in besonderen Tätigkeitsmerkmalen des Teils II aufgeführt ist, gelten nur die Tätigkeitsmerkmale dieses Teils (Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 der Vorbemerkungen). So steht auch zwischen den Parteien außer Streit, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht unter die besonderen Tätigkeitsmerkmale der Abschnitte 2 und 3 des Teils III EntgeltO TV-L fällt. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass die Klägerin früher nach dem MTArb eingereiht war. Im Übrigen entspricht es einem allgemeinen Prinzip bei der Einführung der neuen EntgeltO TV-L, Merkmale entweder dem Teil II oder dem Teil III zuzuordnen, wenn sowohl in der früheren Vergütungsordnung als auch im ehemaligen Lohngruppenverzeichnis identische oder nahezu identische Merkmale ausgebracht waren (vgl. dazu Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2016 Teil III Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung Rn. 44).
31Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass die Eingruppierung des Wirtschaftspersonals in Anstalten und Heimen gemäß SR 2a und SR 2b BAT früher in Teil IV Abschnitt E der Anlage 1a zum BAT geregelt war, während das sonstige Wirtschafts- und Küchenpersonal nach den Lohngruppen des Lohngruppenverzeichnisses eingruppiert war. Selbst wenn man diese frühere Struktur zur Auslegung der EntgeltO TV-L heranziehen könnte, ergäbe sich daraus nicht, dass sie unverändert übernommen worden wäre. So verwendet die EntgeltO TV-L nicht mehr den Begriff der Anstalt, sondern den Begriff der Einrichtung. Die SR 2b BAT galt zudem nicht für alle Anstalten und Heime, die nicht unter die SR 2a BAT fielen, sondern definierte diese in ihrer Nr. 1 näher. Teil IV Abschnitt E der Anlage 1a zum BAT enthielt für Wirtschaftsgehilfinnen (Vergütungsgruppe IXb) den Vorbehalt „wenn sie als Angestellte beschäftigt sind (§ 1 Abs. 2)“. Diese Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern kennt die EntgeltO TV-L nicht mehr (vgl. Zetl ZMV 2012, 9, 11). Insofern ist es konsequent, das gesamte Wirtschaftspersonal in Teil II der EntgeltO TV-L zu erfassen.
323. Danach gelten entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für die Klägerin die Tätigkeitsmerkmale des Teils II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L. Die Einrichtung fällt nicht unter § 43 TV-L. Bei der von der Beklagten betriebenen Mensa handelt es sich weder um ein Universitätsklinikum noch um ein Krankenhaus. Auch werden in einer Mensa keine Personen betreut, die in ärztlicher Behandlung stehen.
33III. Der Senat ist an einer eigenen abschließenden Sachentscheidung gehindert. Das Landesarbeitsgericht hat weder geprüft, ob die Klägerin als Beschäftigte im Wirtschaftsdienst Tätigkeiten iSd. EG 3 Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L auszuüben hat, noch hat es einen Arbeitsvorgang bestimmt.
341. Nach § 12 Abs. 1 TV-L ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 TV-L sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
352. Für die Zuordnung der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeit fehlt es bereits an der Bestimmung des Arbeitsvorgangs. Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht erkennen, ob es von einem einheitlichen Arbeitsvorgang oder von verschiedenen Arbeitsvorgängen ausgegangen ist. Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen genügen auch nicht, um dem Senat eine eigene Bestimmung zu ermöglichen (zur Bestimmung des Arbeitsvorgangs durch das Revisionsgericht - Rn. 21 mwN). Das Landesarbeitsgericht hat lediglich festgestellt, die Tätigkeit der Klägerin bestehe im Wesentlichen im Kochen von Beilagen wie Nudeln, Kartoffeln und Knödeln für Mensa, „Frankenstube“ und „Pasta-Station“, im Vorbereiten der Speisenausgabe, dem Bestücken der Ausgabe mit den produzierten Speisen, der kontinuierlichen Versorgung der Ausgabe und der HACCP-konformen Reinigung der Küche. Dies entspricht den Feststellungen im Tatbestand des Arbeitsgerichts. Weitere den Senat nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO bindende Tatsachenfeststellungen haben die Vorinstanzen nicht getroffen. Sollte es sich bei den Tätigkeiten der Klägerin um verschiedene Arbeitsvorgänge handeln, so käme grundsätzlich deren unterschiedliche Bewertung in Betracht. So üben nach der Protokollerklärung Nr. 10 Teil I EntgeltO TV-L Essens- und Getränkeausgeber sowie Servierer und Beschäftigte, die spülen, Gemüse putzen oder sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich ausüben, einfachste Tätigkeiten iSd. EG 1 Teil I EntgeltO TV-L aus, während in Bezug auf die HACCP-konforme Reinigung anderes gelten könnte. Allerdings ist es aufgrund der bisherigen Feststellungen auch nicht auszuschließen, dass ein einheitlicher Arbeitsvorgang vorliegt.
36IV. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung der Sache wird das Landesarbeitsgericht weiter Folgendes zu berücksichtigen haben.
371. Zunächst wird es den Arbeitsvorgang oder die Arbeitsvorgänge zu bestimmen haben. Dabei wird es im Falle eines einheitlichen Arbeitsvorgangs das tarifliche Aufspaltungsverbot zu beachten haben. Sollte es sich bei der HACCP-konformen Reinigung um eine Tätigkeit handeln, die der fachlichen Anlernung bedarf und die in rechtserheblichem Umfang zu erbringen ist (zu diesem Erfordernis - Rn. 31 mwN), würde dies dazu führen, dass der gesamte Arbeitsvorgang entsprechend zu bewerten ist. Sollte es sich bei der HACCP-konformen Reinigung allerdings um einen eigenen Arbeitsvorgang handeln, wird der zeitliche Umfang der anfallenden Arbeitsvorgänge zu ermitteln sein, um feststellen zu können, ob zeitlich zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, „für die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erforderlich ist, die über eine Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 2 hinausgeht“ (EG 3 Teil II Abschnitt 25.4 EntgeltO TV-L).
382. Darüber hinaus wird zu beachten sein, dass sich entgegen der Auffassung der Klägerin aus den Durchführungshinweisen allein kein Rechtsanspruch gegenüber der Beklagten auf eine analoge Anwendung des § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder ableiten lässt.
39a) Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen hat Hinweise zur Durchführung der Entgeltordnung zum TV-L (im Folgenden Durchführungshinweise) erlassen, die unter Punkt 2.4.3 ua. Folgendes vorsehen:
40b) Allein hierauf kann sich die Klägerin nicht erfolgreich berufen. Es bedarf vielmehr einer verbindlichen Zusage der Beklagten, von der durch die Durchführungshinweise eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht eine Zusage bereits aufgrund der Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom angenommen, die Beklagte werde die Stufenöffnung bewilligen, wenn die in den Durchführungshinweisen genannten Voraussetzungen vorlägen. Es hat aber die mögliche (individuelle) Zusage der Beklagten iVm. den Durchführungshinweisen bisher nicht dahingehend geprüft und ausgelegt, ob hiervon auch eine rückwirkende Vergütung nach der Stufe 6 der EG 3 TV-L ab dem umfasst wäre. Dies wird es nachzuholen haben und dabei beachten müssen, dass es sich bei dem „Antrag“ iSd. § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder um eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung handelt (vgl. BeckOK TV-L/Dannenberg Stand TVÜ-Länder § 29a Rn. 25: konstituierende Bedeutung), der deshalb einer entsprechenden Annahmeerklärung des Arbeitgebers nicht bedarf, dh. dass die geänderte Eingruppierung unmittelbare Rechtsfolge des Antrags ist. Dabei wird jedoch zu beachten sein, dass nach § 29a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder der rechtsgestaltenden Erklärung des Beschäftigten zwar eine Rückwirkung auf den zukommen kann, die Erklärung aber nur innerhalb einer Ausschlussfrist bis zum abgegeben werden konnte. Allerdings soll nach 2.4.3 der Durchführungshinweise „von einer Anwendung des § 29a Abs. 4 TVÜ-Länder“ abgesehen werden. Ob die Beklagte mit ihrer Zusage deshalb diese Regelung nicht zur Anwendung bringen wollte, wird weiter aufzuklären sein. Insbesondere wird das Landesarbeitsgericht, wenn es nicht in entsprechender Anwendung der Ausschlussfrist des § 29a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder zu einer Verfristung gelangen sollte, weiter klären müssen, ob dessen Nichtanwendung dazu führt, dass die rechtsgestaltende Willenserklärung der Klägerin nur Rechtsfolgen für die Zukunft, aber keine Rückwirkung entsprechend § 29a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Länder gehabt hätte. Kam der Erklärung der Klägerin nur eine Wirkung ex nunc zu, wären Ansprüche für den Zeitraum vom bis zum bereits aus diesem Grund ausgeschlossen. Kam der Erklärung hingegen eine ex-tunc-Wirkung auf den zu, wäre ferner zu prüfen, ob neben § 29a Abs. 4 TVÜ-Länder noch die Ausschlussfrist des § 37 TV-L zur Anwendung kam und ggf. gewahrt wurde.
41C. Über die Kosten der Revision wird das Landesarbeitsgericht bei seiner neuen Entscheidung mitzuentscheiden haben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:191016.U.4AZR457.15.0
Fundstelle(n):
BAAAG-41070