BAG Urteil v. - 4 AZR 5/09

Eingruppierung einer Tierschutzbeauftragten als Fachtierärztin mit entsprechender Tätigkeit - BAT - TV-Ärzte Charité - einheitlicher Arbeitsvorgang

Gesetze: § 22 Abs 2 UAbs 2 S 1 BAT, Anl 1a VergGr Ia Fallgr 11 BAT, § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 91 Ca 19812/07 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 14 Sa 1276/08 Urteilnachgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 14 Sa 133/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. seit wann die Tätigkeit der Klägerin als Fachtierärztin statt als Tierärztin zu vergüten ist.

2Die Klägerin ist seit dem Jahre 1985 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgänger zunächst befristet und ab April 1999 unbefristet im Universitätsklinikum beschäftigt. Mit Schreiben vom wurde sie zur Tierschutzbeauftragten für den Fachbereich Humanmedizin mit Ausnahme der Forschungseinrichtung für Experimentelle Medizin bestellt. Nach einer vierjährigen Weiterbildung erwarb sie am die Zusatzqualifikation als Fachtierärztin für Tierschutz. Mit Wirkung zum bestellte die Beklagte die Klägerin zur Tierschutzbeauftragten an der Charité. Ihr Verantwortungsbereich erstreckt sich seither auf die Einrichtungen der Charité, in denen Versuchstiere gehalten und Tierversuche vorgenommen werden.

3Aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung waren zunächst ua. der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden Tarifverträge für Angestellte des öffentlichen Dienstes in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) geltenden Fassung für das Arbeitsverhältnis maßgebend. Die Klägerin ist Mitglied des Marburger Bundes.

4Die Beklagte vergütete die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst nach der VergGr. Ib Fallgr. 18 der Anlage 1a zum BAT als Tierärztin nach fünfjähriger tierärztlicher Tätigkeit. Mit Schreiben vom machte die Klägerin Vergütung nach VergGr. Ia der Anlage 1a zum BAT rückwirkend ab dem sowie nach Entgeltgruppe Ä 2 des zwischen der Charité - Universitätsmedizin Berlin und dem Marburger Bund Landesverband Berlin/Brandenburg am geschlossenen Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an der Charité - Universitätsmedizin Berlin (TV-Ärzte Charité) für die Zeit ab dem geltend. Die Beklagte lehnte eine Entgeltzahlung nach VergGr. Ia BAT für die Vergangenheit ab, vergütet die Klägerin jedoch seit dem als Fachtierärztin nach der Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 1 TV Ärzte Charité.

5Mit elektronischen Schreiben vom 18. Januar und verlangte die Klägerin Vergütung nach der Stufe 2 der Entgeltgruppe Ä 2 des TV-Ärzte Charité.

Mit ihrer Klage und der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz hat die Klägerin im Wesentlichen das Ziel verfolgt, dass ihre Tätigkeit als Tierschutzbeauftragte als fachtierärztliche Tätigkeit im Tarifsinne vergütet wird. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Tierschutzbeauftragte betreue sie überwiegend Vorhaben im Bereich der Tumorerzeugung und -behandlung, komplexe immunologische Fragestellungen, Infektionsversuche bis hin zu Leber-, Lungen- und Herztransplantationen. Insgesamt beaufsichtige sie 250 Versuchsvorhaben pro Jahr. Ihre konkret auszuübende Tätigkeit setze sich innerhalb einer Woche wie folgt zusammen:

7Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die in § 8b Abs. 2 Satz 1 Tierschutzgesetz bezeichneten Ausbildungen lediglich Mindestqualifikationen für eine Tätigkeit als Tierschutzbeauftragte. Zusätzlich sei nach Satz 2 dieser Vorschrift erforderlich, dass die für die Durchführung der Aufgaben erforderlichen Fachkenntnisse vorliegen. Welche dies seien, ergebe sich im Zusammenhang mit der jeweiligen konkreten Forschungstätigkeit bei der Beklagten, wobei die Überwachung der Tumorforschung der Beklagten sowie die Beurteilung und Kontrolle von Eingriffen, die zu schweren Tierbelastungen führen, andere Fachkenntnisse im Sinne der Vorschrift erfordern würden als Versuchsvorhaben, die den Schweregrad „leicht“ oder „mittelschwer“ erreichen. Als Tierschutzbeauftragte an der Charité habe sie Fragen im Bereich von Ethik und Recht, der Alternativmethoden sowie der Beurteilung, Beratung, Beaufsichtigung und Überwachung zu klären, ggf. bis hin zum eventuellen Abbruch operativer Eingriffe. Dafür seien die Kenntnisse erforderlich, die in der Weiterbildung zur Fachtierärztin für Tierschutz vermittelt würden. Zudem habe die Beklagte mittlerweile selbst anerkannt, dass die Klägerin überwiegend fachtierärztlich tätig sei, da sie die Klägerin seit dem nach der Entgeltgruppe Ä 2 des TV-Ärzte Charité vergüte.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit der Klägerin keine fachtierärztliche sei mit Ausnahme von 6,8 der 42,3 Wochenarbeitsstunden, für die das zu Gunsten der Klägerin angenommen werden könne. Dies betreffe die wissenschaftliche Beratung zum Schmerzmanagement, zur Leidensbegrenzung, zum Einsatz von Alternativmethoden, zum Töten von Tieren, zur Narkosedurchführung und zur ethischen Abwägung von Tierversuchen sowie bei der Kontrolle der artgemäßen und verhaltensgerechten Haltung der Tiere. Soweit fachtierärztliche Tätigkeit angenommen werden könne, sei zu bestreiten, dass es sich um Kenntnisse und Fähigkeiten handele, die der Weiterbildungsordnung entsprächen, nach der die Klägerin sich weitergebildet habe. Insofern sei zwischen der Weiterbildung zum Fachtierarzt für Tierschutz einerseits und zum Fachtierarzt für Versuchstierkunde andererseits zu unterscheiden. Zudem habe die Klägerin die Weiterbildung nach einer mittlerweile überholten Weiterbildungsordnung absolviert. Im Hinblick auf die Einstufung der Klägerin in die Entgeltgruppe Ä 2 des TV-Ärzte Charité behalte sich die Beklagte eine Korrektur dieser Eingruppierung vor. Irrtümlich habe sie insoweit angenommen, dass für die Entgeltgruppe Ä 2 des TV-Ärzte Charité eine Tätigkeit im Fachgebiet ausreiche, ohne dass diese überwiegend ausgeübt werden müsse.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nur im Hinblick auf den Antrag zu 2. zugelassen. Nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf den Antrag zu 1. verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit der Revision insgesamt weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

11Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO). Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte die Berufung der Klägerin nicht zurückgewiesen und die Klage nicht abgewiesen werden. Da es für eine abschließende Entscheidung an Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).

12A. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für unbegründet gehalten, weil die Klägerin weder in Bezug auf eine Eingruppierung nach der VergGr. Ia der Anlage 1a zum BAT noch nach der Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 2 TV-Ärzte Charité dargelegt habe, dass sie im dafür jeweils geforderten arbeitszeitlichen Umfang als Fachtierärztin mit entsprechender Tätigkeit eingesetzt werde. Lediglich im Umfang von 6,8 Wochenstunden liege „unstreitig“ ein Arbeitsvorgang vor, dessen Aufgaben die Weiterbildung der Klägerin zur Fachtierärztin erfordere. Soweit darüber hinaus eine fachtierärztliche Tätigkeit der Klägerin zwischen den Parteien streitig geblieben sei, könne bereits ihrem eigenen Vortrag nicht entnommen werden, dass zeitlich mindestens zur Hälfte Aufgaben oder Arbeitsvorgänge vorlägen, die die abgeschlossene Weiterbildung zur Fachtierärztin für Tierschutz erforderten. Weder gesetzlich noch tatsächlich sei die fachtierärztliche Weiterbildung der Klägerin für die Bestellung zur Tierschutzbeauftragten bei der Beklagten zwingend erforderlich.

13B. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern, weshalb die Revision Erfolg hat. Es kann mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedoch nicht abschließend entschieden werden, ob die Tätigkeit der Klägerin den Anforderungen der jeweils angestrebten Vergütungsgruppen entspricht.

14I. Die Klage ist hinsichtlich des Antrages zu 1. nur teilweise zulässig.

15Der zweigliedrig gestellte Antrag zu 1. enthält bezogen auf denselben Zeitraum ( bis ) und dieselbe Vergütungsgruppe (VergGr. Ia der Anlage 1a zum BAT) einen auf Eingruppierungsfeststellung bezogenen und einen auf Feststellung der Vergütungspflicht bezogenen Antragsteil. Da nicht ersichtlich ist, welches über eine entsprechende Vergütungszahlung hinausgehende Interesse an der begehrten Eingruppierungsfeststellung bestehen könnte (vgl. dazu  - Rn. 12), fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse für den ersten Teil des Antrages zu 1. Aus diesem Grund kommt auch eine Auslegung als Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) nicht in Betracht. Eine solche setzt voraus, dass die Frage nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann ( - Rn. 13 mwN). Dafür ist bisher nichts dargelegt.

16II. Ob die Klage begründet ist, wird das Landesarbeitsgericht nach weiterer Sachaufklärung zu entscheiden haben. Es wird zugleich auch auf eine den dargelegten Zulässigkeitsanforderungen genügende Antragstellung hinzuwirken haben, nachdem bisher ein entsprechender gerichtlicher Hinweis nicht erfolgt ist.

171. Ob die Klage hinsichtlich des Antrages zu 1., mit dem für die Zeit vom bis zum eine Vergütung nach VergGr. Ia der Anlage 1a zum BAT geltend gemacht wird, begründet ist, kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend entschieden werden. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass unstreitig im Umfang von jedenfalls 6,8 von 42,3 Wochenarbeitsstunden fachtierärztliche Tätigkeit vorliege. Es hätte aufgrund dessen nach rechtlichem Hinweis und daraufhin gegebenenfalls ergänztem Parteivortrag prüfen müssen, ob die so qualifizierte Tätigkeit einen rechtserheblichen Teil eines Arbeitsvorgangs im Tarifsinne ausmacht, der seinerseits mindestens die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin einnimmt.

18a) Der BAT fand im vom Antrag zu 1. umfassten Streitzeitraum jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

b) Die für die Eingruppierung der Tätigkeit der Klägerin bedeutsamen Tätigkeitsmerkmale des Teils I (Allgemeiner Teil) der Anlage 1a zum BAT/BL lauten:

20c) Ob die der Klägerin übertragene und von ihr ausgeübte Tätigkeit im Zeitraum vom 1. Februar bis das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Ia Fallgr. 11 der Anlage 1a zum BAT erfüllt, hängt nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT davon ab, ob dabei zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen dieses Tätigkeitsmerkmales erfüllen.

21aa) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsgerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., ua.  - BAGE 29, 416, 419; - 4 AZR 129/01 - BAGE 102, 89, 95; - 4 AZR 220/08 - Rn. 25, AP BAT §§ 22, 23 Rückgruppierung Nr. 6; diese Überprüfung ist stets geboten, vgl. - 4 AZR 603/89 - AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 7). Dabei kann das Revisionsgericht, bei Vorliegen der erforderlichen Tatsachenfeststellungen, die Arbeitsvorgänge auch selbst bilden ( - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 126).

22Der Bezugspunkt der Eingruppierung nach dem BAT ist immer der Arbeitsvorgang als maßgebende Einheit für die Zuordnung zu einem Tätigkeitsmerkmal ( - Rn. 33, BAGE 129, 208). Unter einem Arbeitsvorgang ist nach ständiger Rechtsprechung eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (zB  - BAGE 100, 35, 39). Entscheidendes Bestimmungskriterium ist das Arbeitsergebnis ( - Rn. 18 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 310). Dabei kann auch die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst ( - Rn. 20 mwN, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 40). Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhanges mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Bewertung zur Vermeidung einer tarifwidrigen „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führende Tätigkeit muss tatsächlich von der übrigen Tätigkeit des Angestellten abgrenzbar und rechtlich selbständig bewertbar sein ( - mwN, AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 7).

23Innerhalb eines Arbeitsvorgangs müssen die qualifizierenden Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales nicht ihrerseits wiederum in dem tariflich für den Arbeitsvorgang als solchen grundsätzlich geforderten Umfang von mindestens der Hälfte der Arbeitszeit vorliegen. Da nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT die gesamte auszuübende Tätigkeit dem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen und der Arbeitsvorgang nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 BAT hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden darf, erfüllt ein Arbeitsvorgang als solcher die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales bereits dann, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß vorliegen (vgl. ua.  - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 178; - 4 AZN 1105/94 - zu II der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 193; - 4 AZR 249/08 - ZTR 2010, 28).

24Zwar ist es im Hinblick auf § 22 BAT nicht Aufgabe der klagenden Partei, ihrerseits ihre Tätigkeit, bereits nach „Arbeitsvorgängen“ aufgegliedert, den Tatsachengerichten zu unterbreiten, da es sich beim „Arbeitsvorgang“ um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Anwendung alleinige Angelegenheit der Gerichte ist. Zur Schlüssigkeit einer solchen Klage gehört jedoch, dass die klagende Partei die Einzelheiten ihrer Tätigkeit sowie darüber hinaus diejenigen Tatsachen vorträgt, die das Gericht kennen muss, um daraus rechtlich folgern zu können, welche „Arbeitsvorgänge“ im Sinne der §§ 22, 23 BAT von dem betreffenden Angestellten zu erbringen sind, und dieses Vorbringen den rechtlichen Schluss der Erfüllung der beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale ermöglicht (vgl.  - mwN, BAGE 34, 158, 167).

25bb) Vorliegend kann der Sachverhalt aus mehreren Gründen nicht abschließend beurteilt werden.

26(1) Das Landesarbeitsgericht hat sich auf das Senatsurteil vom (- 4 AZR 571/06 - ZTR 2008, 210) bezogen, in dem bezüglich der Tätigkeit eines Fachtierarztes in einem Schlachthof auf das Vorliegen eines einzigen einheitlichen Arbeitsvorgangs erkannt worden ist. Ohne nähere Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, dass auch die auszuübende Tätigkeit der Klägerin als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen sein könnte, hat es sodann einen „in sich zusammenhängenden Arbeitsvorgang fachtierärztlicher Tätigkeit“ angenommen und festgestellt, es liege „ein 6,8 Wochenstunden umfassender Arbeitsvorgang“ vor. Weitere Feststellungen zur konkreten Bestimmung von Arbeitsvorgängen in der Tätigkeit der Klägerin enthält das Urteil nicht.

27(2) Das ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis aus der Liste der von der Klägerin vorgetragenen 25 Einzeltätigkeiten sieben (Kontrolle der artgemäßen und verhaltensgerechten Haltung der Tiere, wissenschaftliche Beratung zum Schmerzmanagement, zur Leidensbegrenzung, zum Einsatz von Alternativmethoden, zum Töten von Tieren, zur Narkosedurchführung und zur ethischen Abwägung von Tierversuchen) zusammengefasst als einen Arbeitsvorgang angesehen. Für diese Zusammenfassung der betreffenden Teiltätigkeiten hat es keine objektiven Kriterien genannt. Der Umstand, dass die Parteien über die Bewertung bestimmter Einzeltätigkeiten als „fachtierärztlich“ einig sein mögen, ist kein rechtserhebliches Kriterium dafür, diese Tätigkeiten zu einem oder mehreren Arbeitsvorgängen zusammenziehen zu können.

28Ob tatsächlich eine fachtierärztliche Tätigkeit im Bereich des Tierschutzes im Umfang von 6,8 Wochenstunden zwischen den Parteien unstreitig ist, erscheint nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts zudem nicht gesichert; seine Ausführungen in diesem Zusammenhang sind nicht widerspruchsfrei. Das Landesarbeitsgericht stellt in den Urteilsgründen auf S. 10 zwar fest „so liegt unstreitig ein 6,8 Wochenstunden umfassender Arbeitsvorgang vor, dessen Aufgaben die vorliegende Weiterbildung der Klägerin zur Fachtierärztin erfordern“. Es gibt im Tatbestand auf S. 6 als Beklagtenvortrag wieder, „dass die Klägerin, träfe deren Vortrag zur zeitlichen Verteilung ihrer wöchentlichen Aufgaben zu, nur an 6,8 Stunden der 42,3 Stunden je Woche fachtierärztliche Aufgaben ausübe.“ Hier ist mit „träfe … zu“ offengehalten, ob der bezeichnete Sachverhalt, also der zeitliche Umfang von 6,8 Stunden, in dem fachtierärztliche Tätigkeiten anfallen, zutrifft. In diesem Sinne trägt die Beklagte auch in der Revision vor.

29(3) Damit bedarf das angefochtene Urteil bereits sowohl wegen der nicht begründeten Herausnahme eines Tätigkeitsausschnitts aus der Gesamttätigkeit und der fehlenden Bestimmung von Arbeitsvorgängen nach Maßgabe der höchstrichterlichen Vorgaben als auch wegen des noch nicht feststehenden zeitlichen Umfangs der fachtierärztlichen Tätigkeit der Aufhebung.

30(4) Der Senat kann vorliegend mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entscheiden. Es kann nach dem bisherigen Prozessstoff noch nicht festgestellt werden, ob ein einheitlicher oder mehrere Arbeitsvorgänge im tarifrechtlichen Sinne die vertragliche Tätigkeit der Klägerin ausmachen.

31Es ist nicht auszuschließen, dass den vertraglich geschuldeten Tätigkeiten der Klägerin ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne zu entnehmen ist, der mindestens die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin einnimmt und der eine auf den Tierschutz bezogene fachtierärztliche Tätigkeit im Umfang von 6,8 Wochenstunden mitumfasst. Eine dahin gehende Feststellung würde zum Erfolg der Klage führen, weil dann ohne weitere Substantiierung zur fachtierärztlichen Prägung der anderen Einzeltätigkeiten und ihrer Zusammenfassung zu Arbeitsvorgängen feststünde, dass in dem für die begehrte Eingruppierung erforderlichen Umfang eine „entsprechende Tätigkeit“ vorläge. Da außer Streit steht, dass die Klägerin zu Beginn des Streitzeitraums bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern bereits auf eine achtjährige Tätigkeit als Tierärztin zurückblickte, wären damit die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in VergGr. Ia Fallgr. 11 BAT im Streitzeitraum erfüllt. Darauf, nach welcher Fassung der einschlägigen Weiterbildungsordnung die Facharztanerkennung erworben worden ist, kommt es nach dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Ib Fallgr. 16 wie auch der VergGr. Ia Fallgr. 11 der Anlage 1a zum BAT nicht an.

32Nach den im Einzelnen genannten, aus der Rechtsprechung des Senats ersichtlichen Vorgaben zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen ist es auch nicht fern liegend, dass die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit einen einheitlichen Arbeitsvorgang bildet, der (fast) alle von der Klägerin aufgelisteten 25 Einzeltätigkeiten umfasst und durch die Beauftragung nach dem Tierschutzgesetz gekennzeichnet ist.

33(a) In der Senatsrechtsprechung werden die Tätigkeiten von Ärzten und ebenso Tierärzten häufig jeweils als ein einziger einheitlicher Arbeitsvorgang angesehen, weil die Tarifvertragsparteien den Arztbegriff als Funktionsmerkmal auffassen und alle ärztlichen Tätigkeiten insgesamt einheitlich tarifrechtlich bewertet wissen wollen (st. Rspr. zB - 4 AZR 632/02 - BAGE 108, 224; für Tierärzte ausdrücklich - 4 AZR 571/06 - ZTR 2008, 210). Es ist allerdings zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Die Liste der Einzeltätigkeiten der Klägerin enthält lediglich in einem Punkt einen deutlichen Hinweis auf eine (tier-)ärztliche Tätigkeit im Bereich von Diagnose und Behandlung, wie er Gegenstand der genannten Senatsrechtsprechung war, nämlich soweit dort „Tierärztlicher Dienst“ im Umfang von zwei Stunden wöchentlich angesprochen wird.

34(b) Unabhängig davon spricht jedoch einiges dafür, dass die Tätigkeiten der Klägerin in ihrer Funktion als Tierschutzbeauftragte einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Ein einheitliches Arbeitsergebnis könnte sich aus der im Tierschutzgesetz vorgegebenen Aufgabe ergeben, innerbetrieblich auf die Einhaltung von tierschutzrechtlichen Vorschriften, Bedingungen und Auflagen zu achten einschließlich der damit verbundenen Beratungen und Stellungnahmen und unter Einrechnung der Zusammenhangstätigkeiten. Eine dahin gehende Bewertung hat die Rechtsprechung mehrfach bei „Beauftragungen“ mit singulären Funktionen, wie beispielsweise bei Gleichstellungsbeauftragten (ua.  - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 294), Sicherheitsmeistern oder Betriebsschutzbeauftragten ( - BAGE 50, 9, 12) vorgenommen. Eine abschließende Bewertung der Einzeltätigkeiten der Klägerin ist indes noch nicht möglich. Es fehlt nämlich sowohl an konkreten Feststellungen als auch an Anhaltspunkten insbesondere für die Arbeitsergebnisse, die Verwaltungsübung, die Zusammenhangstätigkeiten sowie die Möglichkeiten der tatsächlichen Abgrenzbarkeit und der unterschiedlichen rechtlichen Bewertbarkeit der einzelnen Aufgaben der Klägerin. Hierzu sind nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits ergänzende Feststellungen erforderlich.

35(c) Es ist allerdings auch denkbar, dass einzelne Tätigkeitsanteile nicht dem Arbeitsergebnis dienen, das mit der Beauftragung nach dem Tierschutzgesetz verbunden ist. Solche Einzeltätigkeiten wären als ein oder mehrere gesonderte Arbeitsvorgänge getrennt zu bewerten. Daran könnte man etwa bei der von der Klägerin genannten Lehrtätigkeit denken, oder insoweit, wie der Klägerin neben den Aufgaben als Tierschutzbeauftragte weitere Aufgaben übertragen worden sind, beispielsweise eine Teilnahme an der allgemeinen (fach-)tierärztlichen Versorgung durch Diagnose und Behandlung, von der Klägerin möglicherweise in ihrer Tätigkeitsbeschreibung mit „Tierärztlicher Dienst“ angesprochen. Ob hier Einzeltätigkeiten in einem Umfang festzustellen sind, welcher die Annahme eines Arbeitsvorgangs mit fachtierärztlicher Tätigkeit bei der Aufgabenerfüllung als Tierschutzbeauftragte in einem Umfang von mindestens der Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin ausschließen würde, wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben.

36cc) Gegebenenfalls wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, dass innerhalb eines großen Arbeitsvorgangs, der die gesamte oder jedenfalls zeitlich mindestens die Hälfte der auszuübenden Tätigkeit der Klägerin ausfüllt, ein festgestellter Anteil von 6,8 Wochenstunden auf den Tierschutz bezogener fachtierärztlicher Tätigkeit „rechtlich erheblich“ iSd. vorgenannten Rechtsprechung wäre. Unter der Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs, der die gesamte Tätigkeit der Klägerin umfasst, machen 6,8 von 42,3 Wochenstunden immerhin ca. 16 % der Arbeitszeit aus. Bei einem angenommenen Arbeitsvorgang, der 28 Wochenstunden umfasst, stiege der Anteil auf ca. 25 %. Damit sind die Anteile zeitlich übertroffen, die in früheren Entscheidungen des Senats als ausreichend für eine eingruppierungsrelevante Prägung des gesamten Arbeitsvorgangs angesehen worden sind (vgl. nur - 4 AZN 1105/94 - zu II der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 193).

372. Aufgrund des im Zusammenhang mit der Behandlung des Antrages zu 1. festgestellten Rechtsfehlers ist das Berufungsurteil auch hinsichtlich des Eingruppierungsfeststellungsantrages zu 2. aufzuheben, der die tarifgerechte Vergütung nach Maßgabe des TV-Ärzte Charité für die Zeit ab dem betrifft. Das Urteil beruht insoweit auf einem entsprechenden Rechtsfehler.

38a) Der TV-Ärzte Charité findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit seit dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

39b) Der Erfolg des Antrages zu 2. setzt zunächst voraus, dass die Klägerin das Tätigkeitsmerkmal nach Entgeltgruppe Ä 2 gemäß § 12 TV-Ärzte Charité als Fachärztin mit entsprechender Tätigkeit erfüllt. Nach der Protokollerklärung zu dieser Entgeltgruppe sind die Voraussetzungen für die Eingruppierung als Fachärztin mit entsprechender Tätigkeit bei Vorliegen der Facharztanerkennung und überwiegender Tätigkeit in ihrem Fachgebiet erfüllt. Weiterer Voraussetzungen bedarf es danach nicht.

40c) In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht insbesondere zu prüfen haben, ob die Klägerin eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder eine Teiltätigkeit auszuüben hat, die ihre Arbeitszeit überwiegend erfüllt. Bei der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Teiltätigkeiten gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng. Die für eine Abgrenzung oder Verbindung von Tätigkeitsbereichen maßgeblichen Kriterien sind aber vergleichbar ( - Rn. 20 und 21 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 42). Innerhalb der zu bewertenden Tätigkeit ist auch insoweit nicht mehr zu prüfen, ob die geforderten fachlichen Anforderungen zeitlich überwiegen (etwa  - Rn. 36, BAGE 122, 244, 256). Auch hier kommt es auf ein rechtserhebliches Ausmaß an, soweit die erhöhte fachliche Qualifikation während der Ausübung der Tätigkeit ständig vorgehalten werden muss.

3. Auf die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen kommt es nach allem nicht mehr an.

Fundstelle(n):
LAAAI-18781