Die deutsche Pünktlichkeit: Klischee oder Wahrheit?
Grundsätzlich schätzt der Deutsche Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Ist das nur ein im Ausland verbreitetes Klischee oder tatsächlich Realität?
Zumindest was die Begleichung an Rechnungen angeht, scheint es sich hier wirklich um ein Klischee zu handeln. Denn laut des Atradius Zahlungsmoralbarometers 2016 nehmen es deutsche Unternehmen mit der Zahlungsmoral nicht so genau. Demnach waren durchschnittlich 40 % des Gesamtwertes der von Befragten in Deutschland ausgestellten B2B-Rechnungen am Fälligkeitsdatum noch offen und wurden somit zu spät bezahlt. Die Zeit zwischen der Rechnungsstellung und ihrer Bezahlung liegt in Deutschland aktuell durchschnittlich bei 33 Tagen und ist damit drei Tage länger als im Vorjahr. Dass in jedem Klischee auch meistens ein Fünkchen Wahrheit steckt, zeigt sich jedoch hier: Denn die 33 Tage stellen den zweitniedrigsten Wert in Westeuropa nach Dänemark dar. Deutschland liegt damit deutlich unter dem Durchschnitt Westeuropas, wo die durchschnittliche Forderungslaufzeit bei 48 Tagen liegt.
Für viele neutrale Betrachter mögen die Zahlen daher nicht so dramatisch wirken. Für kleine Unternehmer sind sie es jedoch häufig sehr wohl. Denn sie haben oft nicht den finanziellen Puffer, größere Beträge vorzufinanzieren.
Eine Branche in Deutschland ist dabei besonders betroffen: Die Baubranche. Laut des European Payment Reports 2016 (EPR) von Intrum Justitia sagen bemerkenswerte 98 % der befragten deutschen Bauunternehmen, dass durch ein schnelleres Zahlungsverhalten „wahrscheinlich“ oder „ganz bestimmt“ mehr Arbeitsplätze geschaffen würden. Mit 4,4 % musste die Baubranche in Deutschland auch einen besonders großen Anteil des Umsatzes als uneinbringlich abschreiben. Die Gefahr einer Abwärtsspirale ist groß: Notwendige Mitarbeiter werden nicht eingestellt, die Mitarbeiterzahl sogar reduziert, Wachstum wird verhindert, verlorener Umsatz führt zu Liquiditätsproblemen und Existenzangst.
Was können Sie Ihren Mandanten gegen diese Risiken raten? Gerade kleine Unternehmen meiden es, schwere Geschütze wie Inkassoverfahren und gerichtliche Verzugsmaßnahmen aufzufahren – sei es, weil sie dafür keine Zeit haben oder weil sie mögliche zusätzliche Kosten scheuen. Daher ist es gerade für diese Mandanten wichtig, ein systematisches Mahnwesen aufzubauen. Müller gibt Ihnen NWB OAAAG-40970 viele pragmatische Tipps aus der Praxis, wie Sie Zeitpunkt, Zyklus und Häufigkeit der Mahnung festlegen können und welche Mahnstrategie – schriftlich oder telefonisch – sich in welcher Situation eignet. Damit können Sie die Unwägbarkeit des Zahlungsverzugs und -ausfalls zwar nicht vollständig vermeiden, aber zumindest dafür sorgen, dass die Kunden Ihrer Mandanten dem Ruf der deutschen Pünktlichkeit wieder etwas gerechter werden.
Beste Grüße
Heiko Lucius
Fundstelle(n):
NWB-BB 4/2017 Seite 97
NWB TAAAG-40964