Betriebliche Altersversorgung - Berechnung einer vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente - Auslegung einer Versorgungsordnung
Gesetze: § 2 Abs 1 BetrAVG, § 6 BetrAVG
Instanzenzug: Az: 14 Ca 10177/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 12 Sa 1154/14 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
2Der am geborene Kläger war vom bis zum bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Die Beklagte hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Richtlinien für die Betriebliche Altersversorgung (Fassung vom ) für Arbeiter und Angestellte (im Folgenden Richtlinien 68) zugesagt. Die Richtlinien 68 bestimmen ua.:
3In einem von der Beklagten und dem Betriebsrat unterschriebenen Aushang vom wurde Folgendes bekanntgegeben:
4Am fasste eine betriebliche Einigungsstelle zur Änderung der betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten folgenden Spruch:
5Begründet wurde der Spruch der Einigungsstelle ua. mit der eingetretenen planwidrigen Überversorgung, wodurch die Geschäftsgrundlage der Richtlinien 68 weggefallen sei.
6Seit dem bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente und von der Beklagten eine betriebliche Altersrente. Diese belief sich auf 1.937,00 DM brutto monatlich. Dies entspricht 990,37 Euro.
7Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:
8Seit dem zahlte die Beklagte dem Kläger nur noch eine monatliche Altersrente von 922,00 Euro brutto. Die Reduzierung des Auszahlungsbetrags beruht darauf, dass die Beklagte nunmehr eine mögliche anrechnungsfähige Beschäftigungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde legte, die anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung fiktiv auf die bei einer Inanspruchnahme ab der Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Rente hochrechnete und den sich ergebenden Betrag im Verhältnis der tatsächlichen zu der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr kürzte.
9Mit seiner Klage hat der Kläger eine monatliche Altersrente iHv. 990,37 Euro sowie die Zahlung rückständiger Altersrente für den Zeitraum vom bis zum iHv. monatlich 68,37 Euro verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Rentenberechnung sei zutreffend gewesen. Die Beklagte sei weder berechtigt, eine zeitanteilige Kürzung der Rente im Verhältnis der tatsächlichen Dienstzeit zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Dienstzeit vorzunehmen, noch eine auf das 65. Lebensjahr hochgerechnete fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen.
10Der Kläger hat zuletzt beantragt
11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers, mit der er seine Klage erweitert hat, festgestellt, dass der Kläger über den hinaus einen Anspruch auf eine monatliche Altersrente iHv. 990,37 Euro hat und die Beklagte verurteilt, an den Kläger rückständige Altersrente für den Zeitraum vom bis zum iHv. insgesamt 4.307,31 Euro (= 68,37 Euro monatlich) nebst Zinsen zu zahlen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter und beantragt für den Fall, dass der Kläger mit seiner Hauptforderung ganz oder teilweise unterliegt, widerklagend zuletzt,
Gründe
13Die zulässige Revision der Beklagten ist überwiegend unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger auch ab dem weiter eine monatliche Altersrente iHv. 990,37 Euro zu zahlen. Daher schuldet sie dem Kläger für die Monate September 2009 bis einschließlich November 2014 rückständige Betriebsrente iHv. 4.307,31 Euro mit der Maßgabe, dass dem Kläger Zinsen erst ab dem zweiten Tag des jeweiligen Folgemonats zustehen. Die erstmals in der Revision angebrachte Widerklage fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
14I. Die Berufung des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.
151. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung der Berufung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision zurückzuweisen. Das gilt auch, wenn das Landesarbeitsgericht die Berufung als zulässig angesehen hat (vgl. etwa - Rn. 14 mwN).
162. Die Berufungsbegründung des Klägers erfüllt die gesetzlichen Anforderungen.
17a) Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (sh. etwa - Rn. 15 mwN).
18b) Danach zeigt die Berufungsbegründung ausreichend deutlich auf, in welchen Punkten der Kläger das erstinstanzliche Urteil für fehlerhaft hält.
19aa) Das Arbeitsgericht hat angenommen, ein Arbeitgeber könne im Fall einer lückenhaften und ergänzungsbedürftigen Zusage das betriebliche Ruhegeld eines Arbeitnehmers, der wie der Kläger bis zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes betriebszugehörig war, nur „nach dem Maßstab des § 2 BetrAVG kürzen“ und damit eine ratierliche Kürzung der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Vollrente entsprechend § 2 BetrAVG vornehmen. Auf den ermittelten Betrag sei die Sozialversicherungsrente fiktiv hochgerechnet auf die feste Altersgrenze anzurechnen. Die Beklagte habe die Berechnungsschritte bei der Neuberechnung der Rente des Klägers rechnerisch zutreffend nachvollzogen.
20Der Kläger ist in seiner Berufungsbegründung auf diese Erwägungen des Arbeitsgerichts eingegangen. Er hat gemeint, für die Möglichkeit einer Kürzung fehle es bereits an einer Ergänzung der Versorgungsordnung durch die Beklagte nach Einführung des flexiblen Altersruhegeldes. Eine Kürzungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 1 BetrAVG scheitere vorliegend auch daran, dass das für ihn maßgebliche Rentenalter 63 Jahre betragen habe und er deshalb mit seinem Ausscheiden mit 63 Jahren die volle Betriebstreue erbracht habe. Damit hat der Kläger Umstände aufgezeigt, aus denen sich iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ergeben könnte.
21bb) Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, dem Kläger stehe die von der Beklagten zunächst berechnete Rente weder aus einer anlässlich seines Ausscheidens von der Beklagten erteilten Zusage noch aus betrieblicher Übung zu. Die dem Kläger bei seinem Ausscheiden übermittelte Berechnung sei eine reine Wissenserklärung ohne Bindungswirkung und daher keine konkrete Zusage. Der Kläger habe keine Umstände für eine den Vertrauenstatbestand begründende betriebliche Übung dargelegt. Die Beklagte habe weder durch besondere Zusagen noch durch Handlungen den Anschein erweckt, sie wolle mehr tun, als die Versorgungszusage an den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu erfüllen. Sie habe die Betriebsrenten jahrelang lediglich irrtümlich falsch berechnet und ausgezahlt.
22Der Kläger hat sich in seiner Berufungsbegründung mit der vom Arbeitsgericht herangezogenen Rechtsprechung zu der Frage, ob es sich bei der übermittelten Rentenberechnung um eine konkrete Zusage oder um eine Wissenserklärung handelt, auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar sei. Damit hat er die Bewertung des Arbeitsgerichts hinreichend in Frage gestellt. Weiter hat der Kläger vorgetragen, die Versorgungsrichtlinien vom enthielten keine ins Einzelne gehende Berechnungsregel. Daher sei für die betroffenen Arbeitnehmer ein Widerspruch zwischen den Vorgaben der Versorgungsrichtlinien und der tatsächlichen und jahrelangen Handhabung der Rentenberechnung durch die Beklagte, der dem Vertrauensschutz der Rentenempfänger entgegenstünde, nicht erkennbar. Vielmehr fülle die langjährige Verfahrensweise der Beklagten die Regelungslücke hinsichtlich der Berechnungsregeln in den Richtlinien vom für die Fälle des Bezugs vorgezogener Altersleistungen aus. Darin liege für die Rentenberechtigten ein ausreichender Anhaltspunkt für einen Verpflichtungswillen der Beklagten. Mit diesen Ausführungen zeigt die Berufung hinreichend deutlich auf, in welchen Punkten das erstinstanzliche Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann nicht verlangt werden (vgl. - Rn. 18 mwN).
23II. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1. Die Voraussetzungen des § 256 ZPO sind erfüllt.
241. Der Antrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Bestimmung nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie - wie vorliegend - auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. - Rn. 16; - 3 AZR 11/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 259).
252. Soweit sich der Feststellungsantrag auf die Zeit vom bis zum bezieht, handelt es sich um eine Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO, für die ein besonderes Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist.
26III. Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger über den hinaus eine monatliche Altersrente iHv. 990,37 Euro zu zahlen. Die Neuberechnung der Altersrente des Klägers entspricht nicht den Vorgaben der Richtlinien 68 in der Fassung des Aushangs vom , der - wie sich aus seiner Einleitung ergibt - die Regelung in IV Nr. 2 Richtlinien 68 abändert, und des Einigungsstellenspruchs vom (im Folgenden Richtlinien 93). Die Beklagte ist nicht berechtigt, bei der Berechnung der Altersrente des Klägers nach IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 93 iVm. § 6 BetrAVG die fiktiv auf die Vollendung des 65. Lebensjahres hochgerechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen und eine Quotierung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG durchzuführen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.
271. Die Altersrente des Klägers berechnet sich nach den in IV Nr. 2 Satz 2 iVm. VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b Richtlinien 93 getroffenen Regelungen und entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts unter entsprechender Anwendung von § 2 BetrAVG.
28Zwar wird bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG in das Äquivalenzverhältnis zwischen der zugesagten Versorgungsleistung und der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Gegenleistung stets zweifach eingegriffen, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer vorzeitig ausgeschieden ist oder das Arbeitsverhältnis bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente bestanden hat. Zum einen wird in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen, dass der Arbeitnehmer die Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze nicht vollständig erbracht hat. Zum anderen erfolgt eine Verschiebung des in der Versorgungszusage festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dadurch, dass er die Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt (vgl. etwa - Rn. 24 mwN). Dies führt jedoch vorliegend nicht zur Berechnung der Altersrente des Klägers nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts entsprechend § 2 BetrAVG.
29a) Die vom - 3 AZR 164/00 -) entwickelten allgemeinen Grundsätze des Betriebsrentenrechts, nach denen der Arbeitgeber berechtigt ist, eine Quotierung entsprechend § 2 BetrAVG wegen der fehlenden Betriebszugehörigkeit und ggf. eine weitere Kürzung wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme vorzunehmen, finden bereits deshalb keine Anwendung, weil sie nur für die Berechnung der Höhe der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente nach vorzeitigem Ausscheiden gelten. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Der Kläger ist nicht vorzeitig, sondern erst mit Eintritt des in IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 93 geregelten Versorgungsfalls mit Ablauf des aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden und hat ab dem im Alter von 63 Jahren die gesetzliche Altersrente als Vollrente und die betriebliche Altersrente nach den Richtlinien 93 vorgezogen in Anspruch genommen (vgl. etwa - Rn. 22).
30b) Eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG ist auch nicht aus anderen Gründen veranlasst. Die Berechnung der nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente eines bis dahin betriebszugehörigen Arbeitnehmers entsprechend § 2 BetrAVG kommt nur dann in Betracht, wenn die Versorgungsordnung selbst keine Regelung zur Berechnung der Betriebsrente bei deren vorgezogener Inanspruchnahme enthält. Regelt die Versorgungsordnung die Höhe der nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente hingegen selbst, ist für eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG kein Raum (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 23; - 3 AZR 726/11 - Rn. 16). Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Höhe der betrieblichen Altersrente bei vorgezogener Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist in IV Nr. 2 Satz 2 und VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b Richtlinien 93 eigenständig und abschließend geregelt. Dies ergibt die Auslegung der Richtlinien 93.
31aa) Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Richtlinien 93 um eine Betriebsvereinbarung oder um eine Gesamtzusage handelt. Zwar hängt es vom Rechtscharakter der Richtlinien 93 ab, welche Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind. Beide Auslegungsmethoden führen jedoch zu demselben Ergebnis.
32(1) Betriebsvereinbarungen sind nach den für Gesetze und Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. etwa - Rn. 25; - 3 AZR 539/10 - Rn. 21; - 3 AZR 939/08 - Rn. 18 mwN).
33(2) Eine Gesamtzusage ist als an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtete Erklärung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragspartnern verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (vgl. etwa - Rn. 26; - 3 AZR 610/11 - Rn. 51, BAGE 141, 222).
34bb) Die Auslegung der Richtlinien 93 führt nach beiden Grundsätzen zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen in IV Nr. 2 Satz 2, VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b Richtlinien 93 die Berechnung der Altersrente auch für den Fall ihrer vorgezogenen Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG abschließend regeln.
35(1) Hierfür spricht bereits die sprachliche Fassung von IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 93. Danach wird die Altersrente („Sie“) auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vor Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheidet und gesetzliche Rente in Anspruch nimmt. Diese Formulierung verdeutlicht, dass es sich auch bei der vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente um „die Altersrente“ iSd. I Nr. 2 Richtlinien 93 handelt, deren Höhe sich - trotz Inanspruchnahme vor Vollendung des 65. Lebensjahres - nach den Bestimmungen in VIII Richtlinien 93 richtet.
36(2) Der systematische Zusammenhang der Richtlinien 93 bestätigt dieses Verständnis.
37In I Richtlinien 93 sind die vier Arten von Versorgungsleistungen aufgeführt, die nach den Richtlinien 93 gewährt werden. Hierbei handelt es sich um die Erwerbsunfähigkeitsrente, die Altersrente, die Witwenrente und die Waisenrente. Die Voraussetzungen für die Gewährung der verschiedenen Versorgungsleistungen sind in IV Richtlinien 93 benannt. Die in I Nr. 2 Richtlinien 93 enthaltene Altersrente wird demnach nicht nur bei Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vorher ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Die Höhe der Versorgungsleistungen ist in VIII Richtlinien 93 bestimmt. Danach berechnet sich die „Altersrente“ bei Angestellten nach VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Richtlinien 93. Die Regelungen erfassen damit sowohl die Berechnung der mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommenen Altersrente iSv. IV Nr. 2 Satz 1 Richtlinien 93 als auch die nach § 6 BetrAVG vorgezogene Altersrente iSv. IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 93.
38(3) Der mit dem Aushang vom erkennbar verfolgte Regelungszweck unterstützt diese Auslegung.
39Die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes vom (BGBl. I S. 3610) stammenden Richtlinien 68 waren durch die Einführung von § 6 BetrAVG zum lückenhaft geworden. IV Nr. 2 Richtlinien 68 bestimmte lediglich, dass der Arbeitnehmer eine Altersrente erhält, wenn er nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Unternehmen ausscheidet. Nach VIII B Nr. 1 Richtlinien 68 hing die Höhe dieser Altersrente von der Anzahl der anrechnungsfähigen Dienstjahre ab. Danach betrug die mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlende Altersrente nach Ablauf der Wartezeit 15 vH des letzten Grundgehalts und stieg für jedes weitere anrechnungsfähige Dienstjahr um 1 vH. Demgegenüber regelten die Richtlinien 68 nicht, wie sich die nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommene Altersrente des gleichzeitig aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheidenden Arbeitnehmers berechnete (vgl. zur Lückenhaftigkeit von Versorgungsordnungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes ausführlich: - zu I 2 der Gründe, BAGE 30, 333; - 3 AZR 236/83 - zu II der Gründe). Die Beklagte war daher - unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats - befugt, die wegen des vorzeitigen und möglicherweise längeren Rentenbezugs in der Versorgungsordnung entstandene Lücke an die geänderte Rechtslage anzupassen (vgl. zur Anpassungsbefugnis des Arbeitgebers infolge der Lückenhaftigkeit der Versorgungsordnung: - zu I 2 und zu II 3 c der Gründe; - 3 AZR 216/77 - zu I 2 der Gründe, aaO). Dies ist durch den Aushang vom geschehen.
40Wie sich aus dem Aushang ergibt, sollte durch die Ergänzung der Richtlinien 68 der in § 6 BetrAVG geregelte Versorgungsfall ausdrücklich in IV Nr. 2 Richtlinien 68 aufgenommen werden. Gleichzeitig wurde dadurch die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente nach § 6 BetrAVG - einschließlich des Verzichts auf versicherungsmathematische Abschläge in diesen Fällen - in den Richtlinien 68 geregelt und damit die bis dahin vorhandene Lücke in den Richtlinien 68 geschlossen. Dem Umstand der verkürzten Betriebszugehörigkeit sowie dem längeren Bezug der Altersrente bei deren vorgezogener Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG wurde damit nicht durch eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG und Einführung versicherungsmathematischer Abschläge, sondern dadurch abschließend Rechnung getragen, dass die Jahre zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und dem 65. Lebensjahr als anrechnungsfähige Dienstjahre unberücksichtigt bleiben (sh. nur - Rn. 32).
41Dies steht - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht im Widerspruch zu den Urteilen des Senats vom (- 3 AZR 194/12 - Rn. 54) und vom (- 3 AZR 832/11 - Rn. 65). Diesen Entscheidungen lag nicht nur eine vorgezogene Inanspruchnahme der Altersrente, sondern auch ein vorzeitiges Ausscheiden der Kläger zugrunde. Die Richtlinien 93 enthalten jedoch keine Regelungen für die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente eines vorzeitig - vor dem Eintritt des Versorgungsfalls - aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Aushang vom . Sollten die Ausführungen des Senats zur Auslegung des Aushangs anders zu verstehen sein, wird daran nicht festgehalten.
42c) Da die betriebliche Altersrente auch bei deren vorgezogener Inanspruchnahme nach VIII B Richtlinien 93 zu berechnen ist, kann im Rahmen der vorgesehenen Gesamtversorgung lediglich die vom Kläger tatsächlich bezogene, nach den Richtlinien 93 anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Eine Anrechnung der fiktiven Rente, die der Kläger erhielte, wenn er die gesetzliche Rente erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen hätte, scheidet aus. Die Berücksichtigung der fiktiven, auf die feste Altersgrenze hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn die Versorgungsordnung dies vorsieht oder wenn im Rahmen der Quotierung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG die fiktive Vollrente zu ermitteln ist. Enthält die Versorgungsordnung eine abschließende eigenständige Regelung, die die Anrechnung einer fiktiven, auf die feste Altersgrenze hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorsieht und die einer entsprechenden Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG entgegensteht, scheidet eine Hochrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die fiktive, bei Inanspruchnahme ab der festen Altersgrenze zustehende Rente aus (vgl. - Rn. 33; - 3 AZR 726/11 - Rn. 23).
43So verhält es sich hier. Weder ist die vorgezogene Altersrente in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 1 BetrAVG zu ermitteln noch sehen die Richtlinien 93 die Anrechnung einer fiktiven, auf das 65. Lebensjahr hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Der Einigungsstellenspruch vom ändert lediglich die Obergrenze der Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung in VIII B Nr. 2 Buchst. a der Richtlinien 86 ab und beschränkt in Nr. 2 Buchst. b die Summe aus diesen beiden Altersbezügen auf 100 vH des pensionsfähigen Nettoentgelts.
442. Danach hat die Beklagte dem Kläger bis zum zu Recht eine monatliche Altersrente iHv. 990,37 Euro gezahlt. Dieser Betrag stand ihm auch über den hinaus zu. Der Kläger hatte bei Eintritt des Versorgungsfalls am gemäß IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 93 einen Anspruch auf eine Altersrente iHv. (aufgerundet) 1.937,00 DM.
45Der Kläger hat vom bis zum insgesamt 43 anrechnungsfähige Dienstjahre iSd. III Satz 1 und Satz 2 Richtlinien 93 bei der Beklagten zurückgelegt. Damit belief sich seine Altersrente nach VIII B Nr. 1 Buchst. a Richtlinien 93 bei Zugrundelegung eines pensionsfähigen Gehalts iHv. 7.575,00 DM auf 48 vH dieses Betrags, mithin auf 3.636,00 DM (15 vH für die ersten zehn Jahre, je 1 vH für jedes weitere Jahr). Ausgehend von 43 Dienstjahren ergab sich nach VIII B Nr. 2 Buchst. a Richtlinien 93 eine Gesamtversorgungsobergrenze iHv. 69,8 vH (59 vH für die ersten 25 Dienstjahre und 0,6 vH für jedes weitere Dienstjahr), mithin ein Betrag von 5.287,35 DM (69,8 vH von 7.575,00 DM). Bei Eintritt in den Ruhestand am hat der Kläger aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente iHv. 3.351,18 DM bezogen. Auf die maximale Gesamtversorgung von 5.287,35 DM ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 3.351,18 DM anzurechnen. Daraus ergibt sich bei Eintritt des Versorgungsfalls am eine Altersrente iHv. 1.936,17 DM (aufgerundet 1.937,00 DM), mithin ein Betrag von 990,37 Euro monatlich. Da die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom bis zum nur noch einen Betrag iHv. 922,00 Euro monatlich gezahlt hat, kann der Kläger für diese Zeit eine Nachzahlung iHv. insgesamt 4.307,31 Euro beanspruchen.
463. Die mit den Klageanträgen zu 2. bis 5. geltend gemachte Zinsforderung ist überwiegend begründet. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB iVm. VI Richtlinien 93. Die monatlichen Zahlungsansprüche sind jeweils ab dem zweiten Tag des Folgemonats mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
474. Die „Verfahrensrüge“ der Beklagten bleibt erfolglos.
48Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht ersichtlich. Die insoweit erhobenen Rügen der Beklagten befassen sich lediglich mit vermeintlichen Auslegungsfehlern des Landesarbeitsgerichts. Im Ergebnis laufen sie allein darauf hinaus, das Landesarbeitsgericht habe bei seinen Erwägungen in den Entscheidungsgründen den Sachvortrag der Beklagten nicht ausreichend oder angemessen gewürdigt. Damit beruft sich die Beklagte in der Sache lediglich darauf, dass das Landesarbeitsgericht ihrer Rechtsansicht nicht gefolgt sei. Da es sich bei den von der Revision aufgeworfenen Gesichtspunkten ausschließlich um Rechts- und Auslegungsfragen handelt, die vom Senat bei seiner Entscheidung über das Berufungsurteil und die Revisionsangriffe ohnehin heranzuziehen waren, bleibt diese „Verfahrensrüge“ schon deshalb ohne Erfolg (vgl. - Rn. 47).
49IV. Die auf die Rückzahlung der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Beträge gerichtete Widerklage ist von der Beklagten nur für den Fall erhoben worden, dass der Kläger mit seiner Hauptforderung ganz oder teilweise unterliegt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.
50V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:240117.U.3AZR372.15.0
Fundstelle(n):
DStR 2017 S. 14 Nr. 24
UAAAG-40634