BFH Urteil v. - VII R 60/98

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) meldete beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt —HZA—) im Oktober 1991 einen aus den USA stammenden ”Ford F 350 Crew Cab” als PKW unter der Code-Nr. 8703 3319 0900 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Das HZA stellte aufgrund einer Beschau eine Sattelzugmaschine (wegen der Vorrichtung für einen Auflieger) der Unterpos. 8701 20 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) fest und fertigte die Ware unter Erhebung von Zoll (Zollsatz 20 %) in Höhe von ... DM zum freien Verkehr ab. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil unter Hinweis auf sein zum gleichen Fahrzeugtyp Ford Crew Cap F 350 ergangenes Urteil vom IV 281/93 N (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1996, 211) aus, dass ein solches Fahrzeug kein PKW, sondern ein Kleinlastwagen und daher in die Pos. 8704 21 31 KN einzureihen sei.

Mit der Revision bringt der Kläger vor, es handele sich bei dem eingeführten Fahrzeug um ein Liebhaberfahrzeug, das vor allem wegen seiner Optik anstelle eines normalen PKW als Spaß- und Freizeitauto zur Personenbeförderung angeschafft werde. Der ”normale” Gewerbetreibende nutze für seine Transportaufgaben die hierzulande üblichen Kleinlastwagen, während die von dem Kläger eingeführten ”Edel-Pick-Up"-Fahrzeuge nicht zum Transport von Lasten, sondern allein wegen ihres besonderen Flairs gekauft würden. Dabei werde es als Vorteil angesehen, dass die Fahrzeuge stets wenigstens fünf, wenn nicht gar sechs Personen Platz böten. Das Fahrzeug sei daher als PKW-ähnliches Fahrzeug einzuordnen, wie dies bei Einfuhren über andere Mitgliedstaaten bereits jetzt der Fall sei.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das HZA beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Es hält die Einwände des Klägers gegen die Vorentscheidung nicht für durchgreifend.

II. 1. Die Revision gegen den als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid des FG ist als Zolltarifsache gemäß § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 90a Abs. 2 FGO zulässig. Nach § 90a Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen einen Gerichtsbescheid nur zulässig, wenn die Revision zugelassen worden ist. Einer Zulassung bedarf es jedoch nicht, wenn bestimmte in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführte Mängel des Verfahrens gerügt werden (vgl. , BFHE 174, 107, BStBl II 1994, 571). Gleiches gilt, wenn eine Zolltarifsache gegeben ist (vgl. , BFH/NV 1999, 637).

2. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat unter Berücksichtigung der von ihm getroffenen, revisionsrechtlich bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) rechtsfehlerfrei erkannt, dass es sich bei dem im Oktober 1991 abgefertigten Fahrzeug um einen LKW aus Pos. 8704 KN (Zollsatz 22 %) oder um eine Zugmaschine aus Pos. 8701 KN (Zollsatz 20 %) und nicht um einen PKW aus Pos. 8703 KN gehandelt hat. Das HZA hat demnach zu Recht Zoll in Höhe von ... DM festgesetzt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wie auch des erkennenden Senats (vgl. etwa —Vobis—, EuGHE 1996, I-3047, Rz. 13; Senatsurteil vom VII R 36/94, BFH/NV 1995, 846) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des GZT festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. etwa die —Knubben—, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14, und vom Rs. C-11/93 —Siemens Nixdorf—, EuGHE 1994, I-1945 Rz. 11 und 12). Auf den Verwendungszweck darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. Senatsurteil vom VII K 16/92, BFHE 172, 244).

b) Mit Ausnahme bestimmter fahrbarer Maschinen, die dem Abschn. XVI zuzuweisen sind, umfasst das Kap. 87 KN alle nicht schienengebundenen Landfahrzeuge. Unter anderem gehören in dieses Kapitel die Kfz zum Befördern von Personen (Pos. 8702 oder 8703) oder Gütern (Pos. 8704) sowie Kfz zu besonderen Zwecken (Pos. 8705). Für das vom Kläger eingeführte Fahrzeug kommt nur eine Einreihung als LKW (Pos. 8704) oder als ”andere” PKW (Pos. 8703) in Betracht, da das Kfz unstreitig sowohl zum Transport von Personen als auch von Gütern (auf der offenen Ladefläche) geeignet ist.

Die Pos. 8703 KN erfasst ihrem Wortlaut nach ”Personenkraftwagen und andere hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaute Kraftfahrzeuge (ausgenommen solche der Pos. 8702), einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen”. Aus der in der Pos. 8703 KN gewählten Formulierung wird deutlich, dass es für die Einreihung in die fragliche Position ausschließlich auf die Herstellerkonzeption (... zur Personenbeförderung gebaut ...) ankommt, mithin auf den Verwendungszweck, den der Hersteller für das Fahrzeug vorgesehen hat. Entgegen der Auffassung der Revision —die vorträgt, das Fahrzeug würde vor allem wegen seiner Optik anstelle normaler PKW als Spaß- und Freizeitauto zur Personenbeförderung angeschafft werden— ist der Verwendungszweck, den der Zollbeteiligte seiner Ware beimisst oder für den er sie bestimmt hat, unbeachtlich.

Da für die zolltarifliche Einordnung die objektive Beschaffenheit aufgrund der an der Ware feststellbaren Merkmale und Eigenschaften maßgebend ist, bedeutet dies, dass die Herstellerkonzeption für das Fahrzeug im Augenblick der Zollabfertigung erkennbar sein muss. Außerdem ist nach dem Wortlaut der Pos. 8703 KN erforderlich, dass die ”anderen Kraftfahrzeuge” ”hauptsächlich” zur Personenbeförderung gebaut sein müssen. Ist ein Fahrzeug aufgrund seiner objektiven Beschaffenheitsmerkmale nicht nur zur Personenbeförderung, sondern nach dem äußeren Erscheinungsbild in gleicher Weise auch zum Transport von Gütern gebaut, kommt eine Einreihung in die Pos. 8703 KN nicht in Betracht.

Fahrzeuge, die —personenwagenmäßig ausgestattet sowie mit Hecktür versehen— im Innenraum auch den Transport von Gütern ermöglichen, sind PKW (vgl. , EuGHE 1991, I-130, zur früheren Tarifst. 87.02 A GZT), denn sie sind mit herkömmlichen Fahrzeugen vergleichbar, die über einen Kofferraum zum Transport von weniger sperrigen Gütern verfügen. Dem entsprechen auch die Ausführungen in Rz. 12.0 der Erläuterungen zum Harmonisierten System —ErlHS— (8703/1) und das nach der Einfuhr des streitigen Fahrzeugs in die ErlHS 8703/1 Rz. 14.0 und 15.0 eingefügte Tarifavis, wonach Geländefahrzeuge und Kombinationskraftwagen, die fünf bzw. maximal neun Personen befördern und deren Innenraum ohne Umbau sowohl für die Beförderung von Personen als auch von Gütern vorgesehen ist, zur Pos. 8703 KN gehören. Fahrzeuge mit einem vom Fahrerhaus abgetrennten, ausrüstungsfähigen Fahrgestell sind hingegen, weil sie erkennbar nicht hauptsächlich zur Personenförderung gebaut sind, LKW (vgl. ErlKN zu Pos. 8704 Rz. 01.3). Das Gleiche gilt für Kleinlastwagen mit Pritsche, Plane und geschlossenem Aufbau (ErlHS 8704/1 Rz. 02.0).

Die Feststellung, ob ein Fahrzeug erkennbar hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaut ist, ist unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist aufgrund des Gesamtbildes des Fahrzeugs bei der Einfuhr zu urteilen, wobei die Zulademöglichkeit außerhalb des Fahrgastraumes nach der Herstellerkonzeption eine wesentliche Bedeutung hat und im Einzelfall gegen die Einreihung als ”anderer Personenkraftwagen”, der hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaut ist, sprechen kann. Diese Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist eine tatrichterliche Aufgabe der Tatsacheninstanz, die vom BFH als Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen ist (vgl. zur Abgrenzung von PKW und LKW nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz, Senatsurteil vom VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489), ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind.

c) An diesen Rechtsgrundsätzen gemessen hält die Entscheidung des FG der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Wie das FG unter Bezugnahme auf sein Urteil in der Sache IV 281/93 N für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO), verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Vorrichtung, mit der nicht nur normale Anhänger, sondern auch Sattelzugauflieger gezogen werden können. Diese Vorrichtung befindet sich auf der offenen Ladefläche, die nicht vom Führerhaus zugänglich ist. Wenn das FG daraus die Folgerung zieht, das Fahrzeug sei nicht hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaut, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG ist überdies bei der rechtlichen Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen ersichtlich davon ausgegangen, dass ein ”anderes” Kfz nur dann der Pos. 8703 KN zuzuweisen ist, wenn es hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaut ist. Insoweit hält sich die Entscheidung des FG in dem zolltariflich zu berücksichtigenden Rahmen. Damit verbleibt nur die Einordnung des Fahrzeugs als ”Lastkraftwagen” in die Pos. 8704 KN. Diese Position trifft ihrem Wortlaut nach für alle beschaffenheitsmäßig zur Güterbeförderung geeigneten, nicht zu ”besonderen Zwecken” (Pos. 8705 KN) gebauten Fahrzeuge zu, unabhängig davon, ob die Güterbeförderung Haupt- oder Nebenzweck ist. Innerhalb der bezeichneten Position gehört das Fahrzeug, der sonstigen Beschaffenheit entsprechend, in die Unterpos. 8704 21 31 KN. Soweit das HZA zu der Auffassung gelangt ist, dass das Fahrzeug wegen der auf der Ladefläche installierten Anhängervorrichtung als Zugmaschine in die Unterpos. 8701 20 10 KN einzureihen ist, verletzt dies den Kläger nicht in seinen Rechten, weil die Tarifierung des HZA zu einem für den Kläger günstigeren Zollsatz von 20 % und damit zu einer niedrigeren Abgabenbelastung geführt hat.

An diesem Ergebnis kann das nach Ergehen der finanzgerichtlichen Entscheidung in die ErlHS bei Pos. 8703 (nach Randzahl 02.0) eingefügte Avis nichts ändern. Das Avis weist ein ”zweiradangetriebenes Kraftfahrzeug ..mit einem Hubraum von 1800 ccm .. mit zwei Türen, zwei Vordersitzen, einer nicht zusammenklappbaren Rücksitzbank für drei Personen im Fahrgastbereich (Doppelkabine)” der Pos. 8703 HS zu. ”Der rückwärtige Teil des Fahrzeugs, offen und für den Warentransport vorgesehen, ist vom Fahrgastbereich getrennt und hat eine herunterlassbare rückwärtige Bordwand. Die Gesamtnutzlast (Personen, einschließlich Fahrer und Fracht) beträgt 495 kg mit einer Frachtkapazität von ca. 145 kg ...” Ob es sich bei der hier beschriebenen niedrigen Hubraumzahl eines Fahrzeugs, das für die Beförderung von fünf Personen ausgerüstet ist, und der sehr geringen Frachtkapazität (145 kg) um bloße Indizien handelt oder ob dies entscheidend für eine Einreihung in die Pos. 8703 KN sprechen könnte, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden, da das eingeführte Fahrzeug nach den Feststellungen des FG und dem Vortrag des Klägers über einen wesentlich höheren Hubraum und höhere Frachtkapazitäten verfügt.

3. Den Hinweisen des Klägers auf abweichende Einreihungspraktiken in anderen Mitgliedstaaten braucht der Senat schon deshalb nicht nachzugehen, weil die Angaben nicht substantiiert und von dem Kläger nicht durch die Vorlage entsprechender Dokumente belegt worden sind. Insbesondere ist aus den vom Kläger vorgelegten, teilweise unleserlichen und in dänischer Sprache abgefassten Tarifauskünften der dänischen Zollbehörden nicht ersichtlich, dass ihr Gegenstand die gleiche Ware betrifft, die der Kläger eingeführt hat. Ein Ford F Crew Cab, wie im Streitfall, wird darin nicht aufgeführt.

4. Aus diesen Gründen sieht der Senat auch keine Veranlassung, im Streitfall eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. C 340/1; ABlEG 1999 L 114/56) zur Auslegung der Pos. 8703 KN einzuholen. Der Senat hält vielmehr in Anwendung der Grundsätze des  283/81 (EuGHE 1982, 3415 —C.I.L.F.I.T.—) die richtige Auslegung der maßgebenden Position der KN für zweifelsfrei und offenkundig; er ist davon überzeugt, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde.

5. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 121, 90 Abs. 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
XAAAA-66108