BGH Beschluss v. - XII ZB 567/15

Familiensache: Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens in einer Beschwerdebegründungsschrift

Leitsatz

Die Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens steht dem fristgerechten Eingang einer Beschwerdebegründungsschrift nicht entgegen, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände die Zuordnung zu dem Beschwerdeverfahren zweifelsfrei möglich ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 27/04, BGHZ 165, 371 = FamRZ 2006, 543).

Gesetze: § 64 FamFG, § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 117 Abs 1 FamFG, § 129 Abs 1 ZPO, § 130 ZPO, § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: Az: II-12 UF 186/15vorgehend Az: 114 F 2130/13

Gründe

I.

1Die Beteiligten streiten um Kindes- und Trennungsunterhalt sowie - in einem Parallelverfahren - um nachehelichen Unterhalt.

2Mit ist der Antragsgegner zur Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt verpflichtet worden. Gegen diesen am zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt. Mit Schriftsatz vom hat der Antragsgegner die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss begründet und beantragt, den "Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom , Az.: 114 F 2130/13" abzuändern und die Anträge der Antragstellerin abzuweisen. In diesem Schriftsatz ist auf der ersten Seite als Aktenzeichen I. Instanz das Aktenzeichen des parallelen Verfahrens (114 F 2128/13) betreffend den nachehelichen Unterhalt genannt.

3Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen, weil die Beschwerdebegründung vom nach dem dort angegebenen Aktenzeichen nur das Verfahren über den nachehelichen Unterhalt betreffe. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

41. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Denn der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 53/16 -FamRZ 2016, 1681 Rn. 3 mwN).

52. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die vom Beschwerdegericht angeführte Begründung trägt die Verwerfung der Beschwerde nicht.

6a) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts durfte die Beschwerdebegründung vom im vorliegenden Verfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Insoweit ist zwar nicht festgestellt, wann die Beschwerdebegründung beim Oberlandesgericht eingegangen ist, und es ist anhand der Akte auch nicht nachvollziehbar, wann die Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt wurde. Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist insoweit aber zu unterstellen, dass die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde jeweils gewahrt sind.

7Die Angabe eines falschen erstinstanzlichen Aktenzeichens steht für sich genommen dem (fristgerechten) Eingang der Beschwerdebegründung nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 165, 371 = FamRZ 2006, 543). Das Gesetz schreibt weder in § 64 FamFG noch in §§ 129 Abs. 1, 130 ZPO, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf Familienstreitsachen Anwendung finden, die Angabe eines bereits zugeordneten und mitgeteilten Aktenzeichens vor. Die Angabe eines Aktenzeichens soll vielmehr lediglich die Weiterleitung eines Schriftsatzes innerhalb des Gerichts erleichtern und für eine rasche Bearbeitung sorgen. Es handelt sich um eine Ordnungsmaßnahme, die für die Sachentscheidung ohne Bedeutung ist (BGH Beschlüsse vom - VIII ZB 126/02 - NJW 2003, 3418, 3419; vom - IV ZB 22/15 - juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom - IVb ZB 60/82 - VersR 1982, 673). Für die Fristwahrung ist es dabei unerheblich, ob der Schriftsatz anhand eines Aktenzeichens bereits innerhalb der Begründungsfrist in die für diese Sache angelegte Akte eingeordnet werden kann (Senatsbeschluss vom - IVb ZB 60/82 - VersR 1982, 673).

8Der Begründung muss allerdings zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welchem Verfahren sie eingereicht werden soll. Unrichtige Angaben schaden nur dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Gegner zweifelsfrei feststeht, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 368/14 - FamRZ 2015, 1276 Rn. 18; BGH Beschlüsse vom - II ZB 20/07 - MDR 2008, 355 Rn. 12 mwN und vom - IV ZB 22/15 - juris Rn. 11). Wurde durch die Angabe eines falschen Aktenzeichens eine Unsicherheit darüber herbeigeführt, in welcher Sache die Beschwerdebegründung eingereicht wurde, ist diese nach dem Inhalt der schriftsätzlichen Ausführungen des Rechtsanwalts dem richtigen Verfahren zuzuordnen (vgl. - NJW 2003, 3418, 3419).

9b) Nach diesen Maßgaben ist die Beschwerdebegründung vom eindeutig dem hiesigen Verfahren zuzuordnen. Denn der Schriftsatz enthält ein vollständiges und richtiges Rubrum und nennt im Antrag sowohl die Entscheidung, gegen die sich das Rechtsmittel richten soll, als auch das korrekte erstinstanzliche Aktenzeichen. Das Rechtsmittel ist auch von derselben Rechtsanwältin eingelegt worden, die den Antragsgegner bereits in der Vorinstanz vertreten hat, so dass durch einen Abgleich der Begründungsschrift mit der zwischenzeitlich beim Oberlandesgericht eingegangenen Akte nicht zweifelhaft sein konnte, für welchen Beteiligten das Rechtsmittel eingelegt ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 325/12 - FamRZ 2013, 371, Rn. 15). Zudem ist der Verfahrensgegenstand mit "Kindes- und Trennungsunterhalt" angegeben, und zwar in der Betreffzeile, sodann im Antrag und schließlich auch in der Begründung des Schriftsatzes. Damit ist diese Beschwerdebegründung - auch wenn sie auf der ersten Seite das erstinstanzliche Aktenzeichen des Parallelverfahrens zum nachehelichen Unterhalt trägt - ohne Zweifel dem Verfahren bezüglich Kindes- und Trennungsunterhalt zuzuordnen und von dem Parallelverfahren zu unterscheiden. Das Oberlandesgericht ist sogar selbst davon ausgegangen, dass die eingereichte Begründung dem Verfahren "Kindes- und Trennungsunterhalt" zuzuordnen ist, wie sich aus dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 325/12 - FamRZ 2013, 371 Rn. 15).

103. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:250117BXIIZB567.15.0

Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 10 Nr. 12
NJW-RR 2017 S. 385 Nr. 7
IAAAG-38915