Allgemeines zum Umfang des Kapitalkontos i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG
Zu der Frage, wie der Umfang des Kapitalkontos i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG unter Zugrundelegung der Rechtsprechung zu bestimmen ist, hat bereits das (BStBl 1997 I S. 627) Stellung genommen. Dieses Schreiben findet weiterhin Anwendung:
Das Kapitalkonto i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG setzt sich aus dem Kapitalkonto des Gesellschafters in der Steuerbilanz der Gesellschaft und dem Mehr- oder Minderkapital aus einer etwaigen positiven oder negativen Ergänzungsbilanz des Gesellschafters ( BStBl 1993 II, 706) zusammen. Bei der Ermittlung des Kapitalkontos sind im Einzelnen folgende Positionen zu berücksichtigen:
I. Geleistete Einlagen
Hierzu rechnen insbesondere erbrachte Haft- und Pflichteinlagen, aber auch z. B. verlorene Zuschüsse zum Ausgleich von Verlusten. Pflichteinlagen gehören auch dann zum Kapitalkonto i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, wenn sie unabhängig von der Gewinn- oder Verlustsituation verzinst werden.
II. In der Bilanz ausgewiesene Kapitalrücklagen
Wenn eine KG zur Abdeckung etwaiger Bilanzverluste ihr Eigenkapital vorübergehend durch Kapitalzuführung von außen im Wege der Bildung einer Kapitalrücklage erhöht, so verstärkt sich das steuerliche Eigenkapital eines jeden Kommanditisten nach Maßgabe seiner Beteiligung an der Kapitalrücklage.
III. In der Bilanz ausgewiesene Gewinnrücklagen
Haben die Gesellschafter einer KG durch Einbehaltung von Gewinnen Gewinnrücklagen in der vom Gesellschaftsverlag hierfür vorgesehenen Weise gebildet, so verstärkt sich das steuerliche Eigenkapital eines jeden Kommanditisten nach Maßgabe seiner Beteiligung an der Gewinnrücklage.
Der Umstand, dass durch die Bildung von Kapital- (siehe II.) und Gewinnrücklagen (siehe III.) das steuerliche Eigenkapital der KG nur vorübergehend verstärkt und die Haftung im Außenverhältnis nicht nachhaltig verbessert wird, ist für die Zugehörigkeit ausgewiesener Kapital- und Gewinnrücklagen zum Kapitalkonto i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ohne Bedeutung.
IV. Beteiligungskonto in Abgrenzung zu einem Forderungskonto (Darlehenskonto)
Nach § 167 Abs. 2 HGB wird der Gewinnanteil des Kommanditisten seinem Kapitalanteil nur so lange gutgeschrieben, wie dieser die Höhe der vereinbarten Pflichteinlage nicht erreicht. Nach § 169 HGB sind nicht abgerufene Gewinnanteile des Kommanditisten, soweit sie seine Einlage übersteigen, außerhalb seines Kapitalanteils gutzuschreiben. In diesem Fall sind die auf einem weiteren Konto (Forderungskonto oder Darlehenskonto) ausgewiesenen Gewinnanteile dem Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten zuzuordnen, weil sie ein selbständiges Forderungsrecht des Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft begründen.
§ 169 HGB kann jedoch durch Gesellschaftsvertrag abbedungen werden. Die Vertragspraxis hat daher ein System kombinierter Kapitalanteile mit geteilten Kapitalkonten entwickelt. Die Kapitalbeteiligung, das Stimmrecht und die Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung richten sich regelmäßig nach dem Verhältnis der festen Kapitalanteile, wie sie auf dem sog. Kapitalkonto I ausgewiesen werden. Auf diesem Konto wird in der Regel die ursprünglich vereinbarte Pflichteinlage gebucht. Daneben wird ein zweites variables Gesellschafterkonto geführt, das eine Bezeichnung wie Kapitalkonto II, Darlehenskonto, Kontokorrentkonto o. Ä. zu tragen pflegt. Dieses Konto dient dazu, über das Kapitalkonto I hinausgehende Einlagen, Entnahmen oder Gewinn- und Verlustanteile auszuweisen. Es kann aber auch Gesellschafterdarlehen aufnehmen ( BStBl II 1988, 551). Soweit deshalb ein Gesellschaftervertrag die Führung mehrerer Gesellschafterkonten vorschreibt, kann nicht mehr die Rechtslage nach dem HGB zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist entscheidend darauf abzustellen, welche Rechtsnatur der Bestand auf dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten zweiten Gesellschafterkonto hat ( a. a. O.).
Werden auch Verluste auf dem separat geführten Gesellschafterkonto verrechnet, so spricht dies grundsätzlich für die Annahme eines im Gesellschaftsvermögen gesamthänderisch gebundenen Guthabens. Denn nach § 120 Abs. 2 HGB besteht der Kapitalanteil begrifflich aus der ursprünglichen Einlage und den späteren Gewinnen, vermindert um Verluste sowie Entnahmen. Damit werden stehengelassene Gewinne wie eine Einlage behandelt, soweit vertraglich nicht etwas anderes vereinbart ist; sie begründen keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Verluste mindern die Einlage und mindern nicht eine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Insoweit fehlt es an den Voraussetzungen der §§ 362 bis 397 BGB (Zusatz der OFD: Regelungen über das Erlöschen von Schuldverhältnissen). Die Einlage einschließlich der stehengelassenen Gewinne und abzüglich der Verluste und der Entnahmen stellt damit für die Gesellschaft Eigen- und nicht Fremdkapital dar. Deshalb lässt sich die Verrechnung von Verlusten auf dem separat geführten Gesellschafterkonto mit der Annahme einer individualisierten Gesellschafterforderung nur vereinbaren, wenn der Gesellschaftsvertrag dahin verstanden werden kann, dass die Gesellschafter im Verlustfall eine Nachschusspflicht trifft und die nachzuschießenden Beträge durch Aufrechnung mit Gesellschafterforderungen zu erbringen sind ( a. a. O.).
Sieht der Gesellschaftsvertrag eine Verzinsung der separat geführten Gesellschafterkonten im Rahmen der Gewinnverteilung vor, so spricht dies weder für noch gegen die Annahme individualisierter Gesellschafterforderungen, weil eine Verzinsung von Fremdkapital (§§ 110, 111 HGB) und eine Verzinsung der Kapitalanteile im Rahmen der Gewinnverteilung (§§ 121 Abs. 1 und 2, 168 Abs. 1 HGB) gleichermaßen üblich und typisch sind. Sieht der Gesellschaftsvertrag eine Ermäßigung der Verzinsung entsprechend der Regelung in § 121 Abs. 1 Satz 2 HGB vor, so spricht dies allerdings für die Annahme eines noch zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Guthabens und damit für Eigenkapital i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ( a. a. O.).
Ob ein Gesellschafterdarlehen zum steuerlichen Eigenkapital der Gesellschaft oder zum steuerlichen Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters gehört, lässt sich danach nur anhand der Prüfung der Gesamtumstände des Einzelfalls anhand der vom BFH aufgezeigten Kriterien entscheiden. Ein wesentliches Indiz für die Abgrenzung eines Beteiligungskontos von einem Forderungskonto ist, ob – nach der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung – auf dem jeweiligen Kapitalkonto auch Verluste gebucht werden.
V. Verlustvortrag in Abgrenzung zu Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter
Nach § 167 Abs. 3 HGB nimmt der Kommanditist an dem Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil. Getrennt geführte Verlustvortragskonten mindern regelmäßig das Kapitalkonto des Kommanditisten i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG. Dies gilt auch, wenn die Regelung des § 167 Abs. 3 HGB von den Gesellschaftern abbedungen wird, sodass den Gesellschafter im Verlustfall eine Nachschusspflicht trifft. Derartige Verpflichtungen berühren die Beschränkung des Verlustausgleichs nach § 15a EStG nicht. Die Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Übernahme bzw. Ausgleich des Verlustes entspricht steuerlich einer Einlageverpflichtung des Kommanditisten ( BStBl 1996 II, 226) und ist damit erst bei tatsächlicher Erbringung in das Gesamthandsvermögen zu berücksichtigen ( BStBl 1992 II, 232). Dem zur Verlustübernahme verpflichteten Gesellschafter ist steuerlich zum Bilanzstichtag im Verlustentstehungsjahr ein Verlustanteil zuzurechnen, der zu diesem Stichtag auch sein Kapitalkonto i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG vermindert. Eine Berücksichtigung der Verpflichtung im Sonderbetriebsvermögen ist nicht möglich ( a. a. O.).
Zusatz der Oberfinanzdirektion:
VI. Gesellschafterdarlehen in der Krise
Im Insolvenzrecht gilt bei juristischen Personen auch die Überschuldung als Eröffnungsgrund (§ 19 Abs. 1 InsO). Zur Überprüfung wird eine Überschuldungsbilanz erstellt, die sich weder mit der Handels- noch mit der Steuerbilanz decken muss. Bestimmte nachrangige Gesellschafterdarlehen sind dabei nicht als Verbindlichkeit zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 InsO). Diese Regelungen gelten über § 19 Abs. 3 InsO auch für die Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, bei der keine natürliche Person Komplementär ist.
Gewährt ein Gesellschafter einer solchen GmbH & Co. KG ein Darlehen, weil diese von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr erhalten würde, so ist dieses Darlehen in der Handels- und in der Steuerbilanz als Fremdkapital zu passivieren und auch nicht als Eigenkapital i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zu behandeln.
Dies gilt sowohl für eigenkapitalersetzende Darlehn nach der alten Rechtslage als auch für die seit der Änderung der Insolvenzordnung durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ab geltenden Rechtslage für sog. nachrangige Darlehen. Nach der neuen Rechtslage sind alle Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz nachrangig zu bedienen (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 und 5 InsO, gesetzlich nachrangige Darlehen). Zudem werden alle Zahlungen im Ein-Jahreszeitraum vor dem Insolvenzeröffnungsantrag von der Insolvenzanfechtung des § 135 InsO erfasst. Obwohl damit alle Gesellschafterforderungen in der Insolvenz ab dem nachrangig zu befriedigen sind, sind sie in der Handels- und Steuerbilanz und auch in der insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz mit dem Nennbetrag auszuweisen.
Gesellschafter streben häufig an, dass ihre Darlehen an die Gesellschaft nicht in der Überschuldungsbilanz auszuweisen sind, um so die Insolvenz der Gesellschaft noch abwenden zu können. Um einen Ausweis dieser Darlehen in der Überschuldungsbilanz zu verhindern, muss auch weiterhin zusätzlich ausdrücklich ein Rangrücktritt erklärt werden (vertraglich nachrangige Darlehen). Nach der neuen Rechtslage (§ 19 Abs. 2 InsO) ist ein einfacher Rangrücktritt ausreichend, sodass die Abgrenzung zwischen einfachem und qualifiziertem Rangrücktritt entfällt.
VII. Finanzplandarlehen
Als Finanzplandarlehen bezeichnet man Gesellschafterleistungen, die in den Finanzierungsplan der Gesellschaft einbezogen sind und dem Gesellschaftsvertrag zufolge neben der Bareinlage gewährt werden müssen (oft als sog. gesplittete Einlage). Sie zeichnen sich durch günstige Kreditkonditionen und eine Pflicht zur langfristigen Überlassung des Kapitals aus und sind aus Sicht der Gesellschafter unentbehrlich für die Verwirklichung der gesellschaftsvertraglichen Ziele. Sie sind in der Handels- und in der Steuerbilanz als Fremdkapital zu passivieren und können grundsätzlich nicht als Eigenkapital im Sinne des § 15a EStG behandelt werden.
Nach dem BStBl 2005 II, 598) ist ein solches Finanzplandarlehen allerdings dann als Eigenkapital i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen, wenn es nicht einseitig von dem Kommanditisten gekündigt werden kann und im Falle des Ausscheidens oder der Liquidation der Gesellschaft mit einem eventuell bestehenden negativen Kapitalkonto zu verrechnen ist. Anders als das eigenkapitalersetzende bzw. das gesetzlich oder vertraglich nachrangige Darlehen, das nur zeitweise eine Eigenkapitalfunktion übernimmt und diese verliert, wenn sich die Gesellschaft nachhaltig erholt und so ihre Kreditwürdigkeit zurückgewinnt, behält das Finanzplandarlehen in diesem Sinne seinen Charakter als materielles Eigenkapital mangels Kündbarkeit seitens des Kommanditisten unabhängig davon, ob sich die Gesellschaft in einer Krise befindet. Zudem hat seine spätere Verrechnung mit einem eventuell bestehenden negativen Kapitalkonto zur Folge, dass der Darlehensgeber im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern für Verluste der Gesellschaft einzustehen hat. Die Behandlung des Finanzplandarlehens in der Handelsbilanz ist dabei unerheblich.
Ist eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt – und das dürfte in der Praxis der Regelfall sein – handelt es sich bei dem Finanzplandarlehen weiterhin um Fremdkapital, welches bei der Anwendung des § 15a EStG nicht einzubeziehen ist.
OFD Niedersachsen v. - S 2241a - 96 - St 221/222
Fundstelle(n):
FAAAG-37610