BFH Beschluss v. - V B 28/00

Gründe

I. Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre Klage auf Erlass von Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Verspätungszuschlag in Höhe von 4 768,80 DM.

Die Antragstellerin bewirtschaftete bis Mitte 1991 ein…Seitdem erhält sie Sozialhilfe. Ab 1993 lebte sie in Scheidung.

Gegen sie wurden folgende Abgaben festgesetzt:

Umsatzsteuer 1987 77 DM

Umsatzsteuer 1988 ./. 1 040 DM

Umsatzsteuer 1991 1 907 DM

Einkommensteuer 1988

(zusammen mit Ehemann) 5 014 DM

Verspätungszuschlag zur

Umsatzsteuersteuervorauszahlung

II/1991 35 DM

Die Festsetzungen sind bestandskräftig. Die Antragstellerin behauptet, die Steuerfestsetzungen beruhten auf Schätzungen, da die Unterlagen bei ihrem verstorbenen Steuerberater nicht mehr auffindbar gewesen seien.

Die Antragstellerin hatte für die Jahre 1987 und 1988 ursprünglich höhere Vorsteuer-Überschüsse geltend gemacht und vergütet erhalten, so dass sich auf Grund der oben genannten Steuerfestsetzungen Abschlusszahlungen in Höhe von 5 009 DM und 2 151 DM ergaben.

Die Antragstellerin beantragt den Erlass der Abgaben aus Billigkeitsgründen. Soweit sie die Abgaben bereits bezahlt hatte, beantragte sie die Erstattung der entrichteten Beträge.

Im Laufe des Erlassverfahrens erließ der Beklagte (das Finanzamt —FA—) rückständige Steuern in Höhe von insgesamt 12 525 DM. Die Erstattung der bereits entrichteten Beträge lehnten das FA und die Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover ab (Beschwerdebescheid der . Im Einzelnen geht es um folgende Beträge:

Umsatzsteuer 1987 2 477,00 DM

Umsatzsteuer 1988 137,80 DM

Umsatzsteuer 1991 1 480,80 DM

Einkommensteuer 1988 638,00 DM

Verspätungszuschlag zur

Umsatzsteuersteuervorauszahlung

II/1991 35,00 DM

Gegen die Erlassablehnung hat die Antragstellerin Klage erhoben, die beim Niedersächsichen Finanzgericht (FG) anhängig ist. Für das Klageverfahren hat sie PKH beantragt.

Das FG hat den Antrag auf PKH abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete (Beschluss vom ).

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Antragstellerin meint, sie sei erlasswürdig und erlassbedürftig; sie ist der Ansicht, über ihren Erlassantrag sei erneut zu entscheiden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a) Nach § 227 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

b) Die Unbilligkeit der Einziehung der Steuern kann im Streitfall nicht mit der Behauptung dargetan werden, die bestandskräftigen Steuerfestsetzungen seien falsch.

Steuern, die bestandskräftig festgesetzt worden sind, können nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar war, sich gegen deren Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (ständige Rechtssprechung, vgl. , BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512). Da diese Voraussetzungen im Streitfall offensichtlich nicht vorliegen, haben die Angriffe der Antragstellerin gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzugen keine Aussicht auf Erfolg. Die beantragte Zeugeneinvernahme zur Höhe der Umsätze in den Jahren 1987 bis 1990 kommt im Verfahren wegen PKH ohnehin nicht in Betracht.

c) Die Antragstellerin beruft sich auch zu Unrecht auf die Grundsätze des (BFH/NV 1994, 562). Nach dieser Entscheidung sind für einen Erlassantrag nach § 227 AO 1977 grundsätzlich die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgebend; bei längerer Dauer des Klageverfahrens kann jedoch etwas anderes gelten, wenn der Kläger deshalb einen Rechtsanspruch auf erneute Bescheidung hat, weil sich die tatsächlichen Grundlagen für die Betätigung des Verwaltungsermessens aufgrund Zeitablaufs in einem für die damalige Ermessensentscheidung maßgeblichen Punkt verändert haben.

Diese Entscheidung betrifft Erlassanträge i.S. des § 227 Abs. 1 1. Halbsatz AO 1977. Im Streitfall geht es jedoch um einen Erstattungsantrag i.S. des § 227 Abs. 1  2. Halbsatz AO 1977.

d) Der Vortrag der Antragstellerin, sie habe bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben Sozialhilfe bezogen, besagt nicht, dass FA und OFD zu Unrecht deren Erlasswürdigkeit in dem genannten Zeitpunkt verneint haben.

Aufgrund der bestandskräftigen Veranlagungen ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin für die Jahre 1987 und 1988 lediglich Vorsteuerüberschüsse zurückzahlte, die sie zu Unrecht geltend gemacht hatte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1326 Nr. 11
UAAAA-65766