BGH Urteil v. - VIII ZR 70/16

Begründung von Wohnungseigentum an der Mietwohnung: Voraussetzungen für die Entstehung des Vorkaufsrechts des Mieters

Gesetze: § 577 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 577 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 8 WoEigG

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 2 S 253/15 Urteilvorgehend AG Ludwigshafen Az: 2e C 453/13

Tatbestand

1Die Kläger begehren von der Beklagten, ihrer ehemaligen Vermieterin, Schadensersatz mit der Behauptung, diese habe ihr Vorkaufsrecht vereitelt.

2Die Kläger mieteten mit Vertrag vom eine Dachgeschosswohnung in einem im Eigentum der Beklagten stehenden Zehnfamilienhaus in L.                   an. Am vertraglich vereinbarten Mietbeginn () wurde den Klägern die Wohnung auch überlassen.

3Bereits vor Abschluss des Mietvertrags mit den Klägern hatte die Beklagte mit notarieller Teilungserklärung vom die Umwandlung des Anwesens, in dem sich die angemietete Wohnung befindet, zu Wohnungseigentum erklärt. Am veräußerte die Beklagte die künftigen zehn Wohnungen an N.   und A.   K.     . Der Kaufpreis für die Dachgeschosswohnung nebst Stellplatz belief sich auf 207.000 €. Die Anlage des Wohnungsgrundbuchs und die Eintragung der Beklagten als Eigentümer der zehn Wohnungen erfolgten kurze Zeit später am . Am wurde A.   K.     als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom bot die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer A.   K.    , dem Kläger zu 1 den Kauf der Dachgeschosswohnung nebst Stellplatz zum Preis von 224.000 € an; dieser nahm das Angebot nicht an. Die Wohnung wurde sodann anderweitig veräußert. Der neue Eigentümer teilte den Klägern auf Anfrage mit, er wolle die Wohnung künftig selbst nutzen. Daraufhin kündigten die Kläger das Mietverhältnis fristgemäß.

4Mit der Klage haben die Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 11.422,10 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Sie sind der Auffassung, die Beklagte habe das ihnen als Mieter zustehende Vorkaufsrecht vereitelt; sie sei ihnen deshalb zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

5Das Amtsgericht hat der Klage, unter deren Abweisung im Übrigen, in Höhe von 6.161,60 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist beim Landgericht erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

Gründe

6Die Revision hat Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung vor Erlass des Senatsurteils vom (VIII ZR 143/15, NZM 2016, 540) ergangen ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

8Zu Recht habe das Amtsgericht einen Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 280 Abs. 1, § 577 Abs. 1, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht, da die Beklagte ihre gesetzliche Verpflichtung, die Kläger beim Abschluss des Kaufvertrages vom über das ihnen zustehende Vorkaufsrecht zu informieren, verletzt habe.

9Nach § 469 Abs.1 Satz 1 BGB habe der Verpflichtete dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags unverzüglich mitzuteilen. Gemäß § 577 Abs. 1 BGB sei der Mieter zum Vorkauf berechtigt, wenn vermietete Räume, an denen nach Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden sei oder begründet werden solle, an einen Dritten verkauft würden. Diese gesetzlichen Voraussetzungen lägen im Streitfall vor.

10Dem stehe nicht entgegen, dass die Teilungserklärung bereits am und damit vor Abschluss des Kaufvertrages () und Überlassung der Mietsache () beurkundet worden sei. Denn entscheidend sei der Zeitpunkt des abgeschlossenen Vollzugs der Umwandlung in Wohnungseigentum. Dieser sei mit der Anlage der Wohnungsgrundbücher, also hier mit der Eintragung am , wirksam erfolgt. Dieser Zeitpunkt liege nach dem Einzug der klagenden Mieter.

11Da die Vorschrift des § 577 BGB der Stärkung der Mieterrechte diene, müsse deren Schutzbereich auch diejenigen Fälle erfassen, in denen - wie im Streitfall - bereits ein Teil des Umwandlungsvorgangs, nämlich die Beurkundung der Teilungserklärung, vor der Überlassung der Mietsache erfolge, der maßgebliche Vollzug aber erst danach.

II.

12Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

13Den Klägern steht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 577 Abs. 1 Satz 1, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu. Ihnen musste der Verkauf der Dachgeschosswohnung vom nicht gemäß § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB offen gelegt werden, da ein Vorkaufsrecht an der Wohnung nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bestand. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts ist von Rechtsirrtum beeinflusst.

141. Der Mieter ist nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB unter zwei - gleichberechtigt nebeneinander stehenden - Alternativen zum Vorkauf berechtigt. Voraussetzung der ersten Alternative ist, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist und dieses dann an einen Dritten verkauft wird (Senatsurteil vom - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 23 [zum Vorkaufsrecht an einer in demselben Objekt gelegenen Wohnung]; , BGHZ 199, 136 Rn. 5). Nach der zweiten Alternative ist die Entstehung eines Vorkaufsrechts davon abhängig, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet werden soll und das zukünftige Wohnungseigentum an einen Dritten verkauft wird. Gegenstand des Vorkaufsrechts ist in diesem Fall ein sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum. Das Vorkaufsrecht des Mieters entsteht in einem solchen Fall nur dann, wenn sich der Veräußerer beim Verkauf des noch ungeteilten Grundstücks gegenüber dem Dritten zur Durchführung der Aufteilung nach § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste künftige Wohneinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 24 mwN).

152. Im Streitfall sind die Voraussetzungen beider Alternativen des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfüllt.

16a) Das Berufungsgericht hat allerdings im Ansatz richtig gesehen, dass die Entstehung des Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht daran scheitert, dass die Beklagte bereits am und damit vor der am erfolgten Überlassung der Mietsache an die Kläger (und sogar schon vor Abschluss des Mietvertrags vom ) die für die Aufteilung in Wohnungseigentum erforderliche Teilungserklärung (§ 8 WEG) hat notariell beurkunden lassen. Dies ändert nichts daran, dass Wohnungseigentum erst nach Überlassung der Wohnräume an die Kläger begründet worden ist. Denn die Teilung ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG erst mit dem dinglichen Vollzug, der hier am mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher erfolgte, wirksam geworden (Senatsurteil vom - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 26).

17b) Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass es für die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht ausreicht, wenn nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Abschluss des Kaufvertrags mit dem Dritten der Begründung von Wohnungseigentum zeitlich nachfolgt. Wird dieses erst nach dem Verkauf an den Dritten begründet, scheidet ein Vorkaufsrecht aus (, aaO Rn. 5; Senatsurteil vom - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 28).

18c) So verhält es sich auch im Streitfall. Die notarielle Beurkundung des Kaufvertrags zwischen der Beklagten und den Erwerbern fand am statt. Wohnungseigentum wurde erst danach mit der am erfolgten Eintragung der Teilungserklärung in das Grundbuch begründet. Es wurde also nicht - wie von § 577 Abs.1 Satz 1 Alt. 1 BGB vorausgesetzt - eine Wohnung verkauft, an der bereits vor Abschluss des Kaufvertrags Wohnungseigentum entstanden war.

19d) Auch die Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB sind, wie die Revision zu Recht geltend macht, im Streitfall nicht erfüllt, weil die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, nicht erst nach der Überlassung an den Mieter gefasst und dokumentiert worden ist.

20aa) Der Senat hat in der bereits erwähnten, den Verkauf einer anderen Wohnung desselben Hauses betreffenden Entscheidung vom (VIII ZR 143/15, aaO Rn. 30 ff.) ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers dem Mieter durch die Regelung des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zwar (auch) ein Vorkaufsrecht an künftig entstehendem Wohnungseigentum gesichert werden soll, das Entstehen des Vorkaufsrechts aber nicht an geringere Voraussetzungen geknüpft sein sollte, als im Falle bereits begründeten Wohnungseigentums nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Das Gesetz gibt in beiden Alternativen des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB eine zeitliche Abfolge der Geschehnisse vor, die nur bei deren strikter Einhaltung zu der Entstehung eines Vorkaufsrechts führt. Soweit es um die künftige Begründung von Wohnungseigentum geht (§ 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB), muss die Absicht hierzu nach außen dokumentiert werden. Diese Bekundung nach außen ist regelmäßig in der notariellen Beurkundung der Teilungserklärung zu sehen (Senatsurteil vom - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 42 f.). Um ein Vorkaufsrecht des Mieters entstehen zu lassen, muss die Überlassung an den Mieter indes nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zeitlich vor der nach außen dokumentierten Absicht, Wohnungseigentum begründen zu wollen, erfolgt sein. Daran fehlt es im Streitfall. Denn die Beurkundung der Teilungserklärung erfolgte am , mithin bereits mehrere Monate vor dem Abschluss des Mietvertrags mit den Klägern () und deren Besitzerlangung am vertraglich vereinbarten Tag des Mietbeginns ().

21bb) Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die die Entstehung eines Vorkaufsrechts des Mieters nach § 577 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB betreffenden Ausführungen des Senats im Urteil vom (VIII ZR 143/15, aaO) stünden insoweit in Widerspruch zu den diesbezüglich im Urteil vom (V ZR 96/12, aaO) angestellten Erwägungen des V. Zivilsenats, als der Senat für die hinreichende Absicht des Vermieters, Wohnungseigentum zu begründen, die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung ausreichen lasse, während der V. Zivilsenat zusätzlich eine aus dem Kaufvertrag mit dem Dritten folgende Verpflichtung des Verkäufers zum Vollzug der Aufteilung verlange, trifft dies nicht zu.

22Der V. Zivilsenat hat in der herangezogenen Entscheidung nicht etwa ausgesprochen, dass die Absicht zur Begründung von Wohnungseigentum erst dann hinreichend manifest sei, wenn ein Kaufvertrag mit dem Dritten geschlossen werde. Er hat vielmehr in Abgrenzung von sogenannten "Erwerbermodellen" ausgesprochen, dass für das Entstehen des Vorkaufsrechts in diesen Fällen die bloße Veräußerung an den Dritten nicht ausreicht, sondern dieses nur dann entstehen kann, wenn sich der veräußernde Vermieter zusätzlich zur Begründung von Wohnungseigentum verpflichtet, nicht jedoch, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen (, aaO Rn. 17). Dass der Kaufvertrag mit dem Dritten von dem Veräußerer bereits vor der Überlassung an den Mieter erfolgen müsste, um eine hinreichende Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, annehmen zu können, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 143/15, aaO Rn. 44) .

III.

23Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Berufung der Beklagten zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Mangels Bestehen eines Vorkaufsrechts ist die Klage insgesamt abzuweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:071216UVIIIZR70.16.0

Fundstelle(n):
DNotZ 2017 S. 182 Nr. 3
NJW-RR 2017 S. 206 Nr. 4
FAAAG-34869