BFH Beschluss v. - I B 83/99

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtliche Behandlung einer Gewinntantieme.

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Stammkapital in den Streitjahren (1989 bis 1991) zu je 50 v.H. von X und Y gehalten wurde. X und Y waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Außerdem beschäftigte die Klägerin zwei Prokuristen, nämlich R und G.

Im Oktober 1984 hatte die Klägerin mit den Geschäftsführern und den Prokuristen als Ergänzung zu den bestehenden Dienstverträgen eine Vereinbarung getroffen, nach der die Gesamtvergütung dieser Mitarbeiter aus einem monatlich zu zahlenden Fixum in Höhe von 8 250 DM und einem Anteil am erwirtschafteten Gewinn bestehen sollte. Die endgültige Vergütung sollte sich nach Erstellung der Jahresbilanz mit 50 v.H. des dort ausgewiesenen Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergeben, so dass auf den einzelnen Mitarbeiter ein Gewinnanteil von 12,5 v.H. entfiel. Die Differenz zwischen der so ermittelten Jahresvergütung und dem Fixum sollte als Tantieme einen Monat nach Verabschiedung der Bilanz ausgezahlt werden. Das Fixum sollte den Mitarbeitern als untere Grenze der Vergütung jedenfalls verbleiben.

Bei der Berechnung der sich hiernach ergebenden Tantieme ging die Klägerin von Anfang an vom Jahresgewinn vor Körperschaftsteuer und Tantieme aus. Demgegenüber vertrat der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) bei den Veranlagungen für die Streitjahre die Ansicht, die Bemessungsgrundlage für die Tantieme sei nicht eindeutig bestimmt. Richtigerweise sei die Tantieme von demjenigen Jahresgewinn zu berechnen, der sich nach Abzug der Tantieme als Betriebsausgabe ergebe. Auf dieser Basis erließ das FA für die Streitjahre Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide. Das Finanzgericht (FG) hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben, ohne die Revision zuzulassen.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt das FA, dass das angefochtene Urteil von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche und auf Verfahrensfehlern beruhe.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Das FA hat die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision nicht ordnungsgemäß vorgebracht:

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder wenn es auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Beide Zulassungsgründe müssen, wenn auf sie eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt wird, in der Beschwerdeschrift oder spätestens bis zum Ablauf der Beschwerdefrist bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Soweit es hieran fehlt, ist das Beschwerdevorbringen nicht statthaft und deshalb bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu berücksichtigen.

2. Im Streitfall sieht das FA einen Verfahrensfehler des FG darin, dass nicht Beweis darüber erhoben worden ist, wie die Tantiemevereinbarung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den hieran beteiligten Personen verstanden wurde. Es meint, dass das FG zu diesem Zweck die Vertragspartner und den Prozessbevollmächtigten der Kläger als Zeugen hätte vernehmen müssen. Dieser Vortrag genügt indessen den formalen Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge nicht.

Wird nämlich eine unterlassene (weitere) Sachaufklärung als Verfahrensmangel geltend gemacht, so muss nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Beschwerdeführer dartun, dass er im erstinstanzlichen Verfahren das Unterbleiben der Beweiserhebung gerügt hat oder aus welchen Gründen ihm dies nicht möglich war (BFH-Beschlüsse vom XI B 14/98, BFH/NV 1999, 961; vom I B 40/98, BFH/NV 1999, 1105, m.w.N.). Dabei gehört zum Vortrag einer erstinstanzlichen Rüge insbesondere die Darlegung, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ein entsprechender Beweisantrag gestellt und protokolliert worden ist. Darüber hinaus muss dargetan werden, was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre und wie sich dieses Ergebnis auf die Entscheidung des FG ausgewirkt hätte (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 65 i.V.m. § 120 Rz. 40). Zu allen diesen Punkten hat das FA im Streitfall nichts vorgetragen.

Es beruft sich vielmehr ausschließlich darauf, dass sich die nunmehr vermisste Beweiserhebung für das FG aufgedrängt hätte. Das reicht jedoch schon deshalb nicht aus, weil das FG sich maßgeblich auf die Rechtsprechung des Senats gestützt hat, nach der aus der späteren Durchführung eines Geschäfts unter Umständen auf das Vorliegen einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zurückgeschlossen werden kann (, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645, 646; vom I R 39/91, BFH/NV 1993, 385; vom I R 19/97, BFH/NV 1998, 746, 748). Dem entsprechend hat es aus dem Umstand, dass die Tantieme von Beginn an in der nunmehr vom FA beanstandeten Weise berechnet worden ist, das Bestehen einer dahingehenden Vereinbarung gefolgert. Es hat mithin den Abschluss jener Vereinbarung als erwiesen angesehen und hatte daher keinen Anlass, zu diesem Punkt weiteren Beweis zu erheben. Unter diesen Umständen ergibt sich aus dem Vortrag des FA nicht schlüssig die Verpflichtung des FG zu einer Beweiserhebung von Amts wegen, was indessen für eine ordnungsmäßige Sachaufklärungsrüge erforderlich wäre.

Abgesehen davon verkennt das FA, dass nach der vom FG zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Senats nicht nur der erstmalige Abschluss einer klaren und eindeutigen Vereinbarung durch deren tatsächliche Durchführung nachgewiesen werden kann. Vielmehr kann die regelmäßige Abwicklung einer Gehaltsvereinbarung auch darüber Aufschluss geben, dass die ursprüngliche Abrede später in hinreichend eindeutiger Form abgeändert worden ist (Senatsurteil in BFH/NV 1993, 385). Entsprechendes muss erst recht gelten, wenn eine Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zunächst unklar war, in der Folge aber durchgehend in einer bestimmten Weise umgesetzt worden ist. Das bedeutet für den Streitfall: Selbst wenn eine Beweiserhebung ergeben hätte, dass bei der ursprünglichen Abfassung des hier zu beurteilenden Vertrags der streitige Punkt nicht bedacht oder sogar in dem vom FA vertretenen Sinne verstanden worden ist, hätte das FG aus der späteren tatsächlichen Durchführung ohne Rechtsfehler auf eine entsprechende Änderung der Vereinbarung schließen können. Es ist mithin keineswegs selbstverständlich, dass das Ergebnis der vom FA geforderten Beweiserhebung —wie auch immer es ausgefallen wäre— die Entscheidung des FG beeinflusst hätte. Auch hierzu hätte das FA deshalb nähere Ausführungen machen müssen, was ebenfalls nicht geschehen ist.

Der Sache nach beanstandet das FA denn auch vor allem, dass das FG aus der tatsächlichen Berechnung der Tantieme auf das Bestehen einer entsprechenden Vereinbarung geschlossen hat. Damit wendet es sich aber letztlich nur gegen die Beweiswürdigung durch das FG, womit es im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden kann (BFH-Beschlüsse vom X B 233/96, BFH/NV 1998, 605; vom III B 3/98, BFH/NV 1999, 180; vom X B 132/98, BFH/NV 1999, 510). Jedenfalls ergibt sich hieraus kein Anknüpfungspunkt für eine Sachaufklärungsrüge, weshalb eine solche im Streitfall nicht ordnungsgemäß erhoben worden ist.

3. Im Ergebnis dasselbe gilt für die vom FA geltend gemachte Divergenzrüge. Denn eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wird nur dann in der von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise ”dargelegt”, wenn der Beschwerdeführer einen die FG-Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz formuliert, der mit einem ebenfalls tragenden Rechtssatz aus der zu bezeichnenden Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschlüsse vom VIII B 17/99, BFH/NV 2000, 211; vom II B 8/99, BFH/NV 2000, 340; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 63, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall. Das FA beruft sich insoweit nämlich lediglich darauf, dass das FG ”die Rechtsansicht” vertreten habe, ”die…seit der Erteilung der Zusage der Tantieme vorgenommene Berechnung der Tantiemezahlung beruhe für die Streitjahre auf einer vorherigen klaren und ernstlich getroffenen Vereinbarung”. Damit bezeichnet es aber nicht einen vom FG gebildeten abstrakten Rechtssatz, sondern lediglich die Würdigung des konkreten Sachverhalts durch das FG. Das reicht für eine Divergenzrüge nicht aus. Im Kern beanstandet das FA auch hier wiederum die Beweiswürdigung durch das FG, die einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist und deshalb auch kein Anknüpfungspunkt für eine Zulassung der Revision sein kann.

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 167 Nr. 2
NAAAA-65336