Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) beantragte beim Finanzgericht (FG) für das dort anhängige Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH). Im Hauptsacheverfahren ist über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Antragstellerin erbte —als befreite Vorerbin— im Jahr 1982 von ihrem Ehemann ein Unternehmen, das sie bis 1986 weiterführte. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs verpflichtete sie sich im Jahr 1984, dem Sohn ihres Mannes 300 000 DM als Pflichtteil auszubezahlen. Damit entfiel dessen Nacherbenstellung.
Die Antragstellerin verkaufte im Januar 1986 das im Unternehmen genutzte Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 859 000 DM und im Februar 1986 sämtliche Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH zu einem Kaufpreis von 122 000 DM, der letztendlich aber nur in Höhe von 25 573 DM bezahlt wurde.
Der Beklagte (das Finanzamt —FA—) erließ für 1986 zunächst einen Einkommensteuerbescheid über 0 DM, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Am erging ein an die Antragstellerin adressierter Änderungsbescheid. Dabei ging das FA von einem Veräußerungsgewinn im Jahr 1986 in Höhe von 890 839 DM aus. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens beantragte die als Steuerberaterin auftretende Bevollmächtigte der Antragstellerin, H, die Pflichtteilszahlungen in Höhe von tatsächlich 252 840 DM als Anschaffungskosten zu aktivieren und ”gewinnmindernd zu berücksichtigen”. Nachdem H zunächst weitere Anfragen des FA nicht beantwortete, und das FA sich wieder an die Antragstellerin wandte, schaltete sich erneut H ein und beantragte, zusätzlich zu den Pflichtteilszahlungen noch Veräußerungskosten in Höhe von 305 702 DM zu berücksichtigen. In der an H adressierten Einspruchsentscheidung vom erkannte das FA zwar die geltend gemachten Veräußerungskosten, nicht aber die Pflichtteilszahlungen gewinnmindernd an. Die Einkommensteuer wurde auf 75 169 DM festgesetzt.
Mit Schreiben vom beantragte H, die Einkommensteuernachzahlung für 1986 zu erlassen. Zwar seien die Zahlungen an den Stiefsohn ”im Einspruchsverfahren nicht als Anschaffungskosten anerkannt” worden. Da die Ausgleichszahlungen von der Antragstellerin jedoch geleistet worden seien, führe die ungekürzte Besteuerung des Veräußerungsgewinns in Höhe von 488 000 DM zu einer nicht leistungsgerechten Besteuerung. Die Antragstellerin verfüge über kein Vermögen mehr; sie sei zu 70 % geh- und stehbehindert, so dass sie keiner regelmäßigen Tätigkeit mehr nachgehen könne. Das FA lehnte den Antrag ab.
Mit Schreiben vom beantragte H nochmals Erlass der Steuer. Dieser Antrag wurde ebenfalls abgelehnt. Dagegen legte H Einspruch ein mit der Begründung, der Kaufpreis für das Betriebsgrundstück sei zur Zahlung der Pflichtteilsansprüche und betrieblicher Schulden verwendet worden. Um das Unternehmen zu retten, habe sich die Antragstellerin privat für die Verbindlichkeiten des Unternehmens verbürgt.
Die Antragstellerin begründete den Erlassantrag zusätzlich damit, dass H sie unrichtig beraten habe. Fehlerhaft sei es gewesen, die Pflichtteilszahlungen als Anschaffungskosten anzusetzen. Sie seien Betriebsausgaben (/92, BStBl I 1993, 62). H habe auftragswidrig den Steuerbescheid 1986 nicht fristgerecht angefochten. Dadurch sei die Antragstellerin in eine unverschuldete Notlage geraten. Zudem habe H Anfragen des FA nicht beantwortet. Seit dem gehöre H auch nicht mehr dem Berufsstand der Steuerberater an. Wenn die Antragstellerin gewusst hätte, von einer Nichtberechtigten vertreten zu sein, wäre sie selbst initiativ geworden.
Das FA erließ einen Teil der Säumniszuschläge, wies im Übrigen den Einspruch jedoch mit Entscheidung vom als unbegründet zurück. Es lägen weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vor. Die Steuerfestsetzung sei bestandskräftig geworden. Im Erlassverfahren sei die Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht mehr zu überprüfen. Im Übrigen sei die Steuerfestsetzung rechtmäßig, da die Begleichung von Pflichtteilsverbindlichkeiten nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen sei und die damit im Zusammenhang stehenden Schuldzinsen bereits das laufende Betriebsergebnis gemindert hätten. Eine Erlassbedürftigkeit sei zu verneinen. Das FA ging dabei insbesondere von den Angaben der Antragstellerin und den Ausführungen des FG in einem Vollstreckungsschutzverfahren aus. Danach habe die Antragstellerin im Juni/Juli 1996 eine monatliche Rente in Höhe von 2 232 DM bezogen. Mietzahlungen an die Tochter, die die Antragstellerin nach eigenen Angaben seit 1987 aufgrund eines mündlichen und seit 1995 aufgrund eines schriftlichen Mietvertrages gezahlt habe, seien nicht zu berücksichtigen. Die Antragstellerin bewohne ein (Doppel)Haus, das sie im Mai 1986 für 330 000 DM erworben und im März 1987 für 250 000 DM an ihre Tochter verkauft habe. Ausweislich des Kaufvertrages vom März 1987 habe die Antragstellerin ein unentgeltliches Nutzungsrecht an dem Haus.
Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin Klage ein und beantragte PKH. Das FG lehnte den Antrag ab: Das Klagebegehren habe —so das FG— keine ausreichende Erfolgsaussicht. Die gerichtliche Überprüfung der abgelehnten Billigkeitsmaßnahme beschränke sich auf den in § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesteckten Rahmen. Ein Anspruch auf Erlass der Steuerschuld bestehe nur bei einer Ermessensreduktion auf null. Die Ausführungen des FA zur Verneinung einer sachlichen Unbilligkeit seien nicht zu beanstanden. Ein etwaiges Fehlverhalten der früheren Steuerberaterin sei der Antragstellerin zuzurechnen, da diese die Beraterin auf eigene Verantwortung eingeschaltet habe. Im Übrigen sei unwahrscheinlich, dass die Einkommensteuer 1986 nach rechtzeitiger Einlegung einer Anfechtungsklage niedriger festgesetzt worden wäre. Nachdem die Antragstellerin seit Ergehen des Urteils im Rahmen des Vollstreckungsschutzverfahrens eine wesentliche Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargetan habe, müsse kein Erlass aus persönlichen Gründen ausgesprochen werden. Insbesondere seien die an die Tochter gezahlten Mietzahlungen als Schenkungen zu beurteilen, weil die Antragstellerin ein unentgeltliches Nutzungsrecht an der von ihr bewohnten Wohnung habe.
Nach Ablehnung des Antrags auf PKH reichte die Antragstellerin eine vom datierende notarielle Urkunde ein, wonach die ursprünglich unentgeltliche Nutzung des Hauses aufgehoben worden sei. Danach sollten Einzelheiten über die Nutzung des Grundstücks durch die Antragstellerin im Rahmen eines privatschriftlichen Mietvertrages geregelt werden. Dabei gingen die Parteien davon aus, dass ein monatlicher Mietzins von 800 DM kalt zugrunde zu legen sei. Der Notar wurde beauftragt, den Vertrag vom März 1987 zunächst unabhängig von der Änderungsvereinbarung zu vollziehen und den grundbuchrechtlichen Vollzug der Änderung nur auf schriftliche Anweisung einer der Beteiligten vorzunehmen.
Gegen den Beschluss des FG legte die Antragstellerin Beschwerde ein mit dem Antrag, PKH für die erste Instanz —rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung— unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Aufgrund der notariellen Urkunde vom April 1987 habe die Antragstellerin —entgegen der Annahme des FG— Mietzins zu entrichten. Dies sei bei der Erlassbedürftigkeit zu berücksichtigen. Die Steuerschuld sei ferner aus sachlichen Gründen zu erlassen. Seit H den Steuerberatertitel 1991 verloren habe, sei die Antragstellerin objektiv nicht mehr von einer ”Steuerberaterin” vertreten gewesen. Sie habe hiervon schuldlos keine Kenntnis gehabt. Die Steuerschuld resultiere eindeutig auf der ”Nichtberatung durch die berufsausübungsunberechtigte” Beraterin.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es läge keine sachliche Unbilligkeit vor. Die Antragstellerin habe sich das Verhalten der früheren Beraterin zurechnen zu lassen (§ 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—). Was die Pflicht zur Mietzahlung, d.h. die Erlassbedürftigkeit der Antragstellerin betreffe, so bestünden nicht unerhebliche Unstimmigkeiten im Vortrag der Antragstellerin.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 142 Abs. 1 FGO, § 114 der Zivilprozeßordnung —ZPO—), hat das FG den Antrag auf Gewährung von PKH zu Recht abgelehnt.
Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. z.B. , BFH/NV 1998, 683, m.w.N.). Da die Gewährung eines Erlasses aus Billigkeitsgründen eine Ermessensentscheidung darstellt, kann das Verfahren in der Hauptsache nur Erfolg haben, wenn das FA die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO; vgl. z.B. BFH in BFH/NV 1998, 683). Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vom an (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 102 Rdnr. 13, m.w.N.).
1. Die Voraussetzungen für einen Erlass gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) aus sachlichen Gründen sind nicht erfüllt.
Unbilligkeit der Einziehung einer Steuer aus sachlichen Gründen kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH in Betracht, wenn die Besteuerung im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Erfüllt ein Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand, kann ein Erlass aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein, wenn die Besteuerung den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Steuern, die bestandskräftig festgesetzt worden sind, können nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (vgl. , BFH/NV 1996, 728, m.w.N.; , BFH/NV 1996, 190).
Die Besteuerung von betrieblichen Veräußerungsgewinnen entspricht zweifelsfrei den Wertungen des Gesetzgebers. Die Steuerfestsetzung war auch rechtmäßig: Ausgaben zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen mindern nicht den Veräußerungsgewinn. Sie sind weder Anschaffungskosten noch Werbungskosten oder Betriebsausgaben (vgl. Beschluss des Großen Senats vom GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837; , BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392). Folglich sind auch Darlehenszinsen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen anfallen, keine Betriebsausgaben (vgl. , BFHE 173, 112; vom X R 41/92, BFH/NV 1995, 287, m.w.N.; vom IX R 68/89, BFHE 170, 134, BStBl II 1993, 434). Die frühere Rechtsprechung des BFH hierzu ist damit überholt (z.B. , BFHE 156, 497, BStBl II 1989, 618). Im Übrigen hat das FA in der Einspruchsentscheidung vom unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die auf das —als ”Betriebsmittelkredit” bezeichnete— Darlehen gezahlten Schuldzinsen und Provisionen bereits das laufende Betriebsergebnis gemindert haben. Danach wäre die Einkommensteuer 1989 zu niedrig festgesetzt.
Ist die Steuerfestsetzung zutreffend, so kommt es nicht mehr darauf an, ob es einem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar war, gegen eine Einspruchsentscheidung Klage zu erheben, wenn der Bevollmächtigte zur Führung der Berufsbezeichnung ”Steuerberater” nicht mehr berechtigt war.
2. Die Verneinung persönlicher Billigkeitsgründe durch das FA in der Einspruchsentscheidung vom ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das FA hat die Versagung eines Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen auf die fehlende Erlassbedürftigkeit abgestellt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass sich die Antragstellerin im Kaufvertrag vom März 1987 ein unentgeltliches Nutzungsrecht zurückbehielt (vgl. notariellen Vertrag vom ) und folglich im Rahmen der Erlassbedürftigkeit Mietaufwendungen nicht anzusetzen seien. Diese Überlegungen sind nicht zu beanstanden. Wenn die Antragstellerin nunmehr im November 1999 unter Vorlage einer notariellen, möglicherweise grundbuchrechtlich noch nicht vollzogenen, Änderungsvereinbarung vorbringt, sie habe zu keinem Zeitpunkt ein unentgeltliches Nutzungsrecht gehabt, so kann dies der Klage, für die PKH begehrt wird, nicht zum Erfolg verhelfen.
Gegenstand des Klageverfahrens ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Einspruchsentscheidung vom , anhand des damaligen Sachstandes. Dabei muss das FA den Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben (vgl. z.B. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 227 AO 1977 Rdnr. 379). Da die Antragstellerin das FA seinerzeit offenbar nicht über die allein in ihrem Wissensbereich liegende Änderungsvereinbarung vom April 1987 informiert hatte, kann deren Nichtberücksichtigung keinen Ermessensfehlgebrauch begründen. Der Antragstellerin verbleibt aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Situation allenfalls die Möglichkeit, unter Hinweis auf eine veränderte Vermögenslage erneut einen Antrag auf Steuererlass zu stellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAA-65098