BGH Beschluss v. - StB 14 - 16/16, StB 14/16, StB 15/16, StB 16/16

Verabredung des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion: Konkurrenzverhältnis

Gesetze: § 30 Abs 2 StGB vom , § 49 Abs 1 StGB, § 52 StGB, § 78c Abs 3 S 2 StGB vom , § 311 Abs 1 StGB vom , § 311b Abs 1 Nr 2 StGB vom

Instanzenzug: Az: 1 BGs 4/16vorgehend Az: 1 BGs 236/14vorgehend Az: 1 BGs 235/14

Gründe

1I. Die Beschuldigten K.       und W.        sind seit dem unbekannten Aufenthalts. Der Beschuldigte H.            , der zunächst ebenfalls unbekannten Aufenthalts war, wurde am aufgrund eines gegen ihn bestehenden Haftbefehls in Venezuela festgenommen; ein Auslieferungsersuchen der Bundesrepublik Deutschland hat die Bolivarische Republik Venezuela zwischenzeitlich abgelehnt.

2Gegen die Beschuldigten bestanden zunächst Haftbefehle des Ermittlungsrichters des und vom , die neben der nach wie vor verfahrensgegenständlichen Tat weitere Vorwürfe, namentlich den der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ("Das K.O.M.I.T.E.E.") nach § 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB aF sowie den der Brandstiftung wegen eines Anschlags auf ein Kreiswehrersatzamt vom , zum Gegenstand hatten. Die Haftbefehle vom sind durch diejenigen vom 19. und bzw. denjenigen vom abgeändert und neu gefasst worden. Gegenstand dieser Haftbefehle ist allein noch der Vorwurf, die Beschuldigten hätten sich am verabredet, vorsätzlich durch Sprengstoff eine Explosion herbeizuführen und dadurch vorsätzlich fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden, strafbar gemäß § 30 Abs. 2 Variante 3 in Verbindung mit § 311 Abs. 1 StGB in der Fassung der Neubekanntmachung vom (BGBl. I, S. 945; im Folgenden: StGB aF).

3Die Beschuldigten, denen die Haftbefehle nicht bekannt sind, haben gegen die Haftbefehle vom , hilfsweise gegen den jeweils zurzeit gegen sie bestehenden Haftbefehl Beschwerden eingelegt. Diese richten sich damit gegen die Haftbefehle vom 19. bzw. und vom .

4II. Die Beschwerden sind unbegründet.

51. Nach dem Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts davon auszugehen, dass die Beschuldigten übereinkamen, am die in diesem Zeitpunkt wegen Umbauarbeiten leerstehende und als Abschiebehaftanstalt vorgesehene Justizvollzugsanstalt in Berlin/Grünau mittels einer Sprengstoffexplosion zu zerstören. Dazu hatten sie über 120 Kilogramm eines explosiven Gemischs aus mehreren Chemikalien beschafft und in vier Propangasflaschen gefüllt, von denen sie zwei mit einer Zündvorrichtung versehen hatten, und die sie auf einem in der Nähe der Justizvollzugsanstalt liegenden Parkplatz in einen entwendeten Transporter einluden. Sie beabsichtigten, den Transporter an der Justizvollzugsanstalt abzustellen und den Sprengstoff in den frühen Morgenstunden des zur Explosion zu bringen. Dazu kam es nicht, weil sie sich von einer zufällig an dem Parkplatz vorbeifahrenden Polizeistreife entdeckt wähnten und die Flucht ergriffen.

62. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus der Auffindesituation des mit den Sprengvorrichtungen beladenen Transporters und des in unmittelbarer Nähe dazu abgestellten weiteren Kraftfahrzeugs, in dem sich die Ausweispapiere der Beschuldigten und weitere auf sie als Täter hinweisende Gegenstände befanden.

73. a) In rechtlicher Hinsicht ist damit der Vorwurf der Verabredung zu dem Verbrechen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion belegt, strafbar gemäß § 311 Abs. 1, § 30 Abs. 2 StGB aF. Entgegen der Auffassung der Beschuldigten wird die Strafbarkeit nach diesen Vorschriften nicht durch den Tatbestand der Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion nach § 311b Abs. 1 Nr. 2 StGB aF verdrängt, vielmehr verbietet sich dies bereits aufgrund der höheren Strafdrohung für die Verabredung, die sich hier aus § 311 Abs. 1, § 30 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB aF ergibt und diejenige aus § 311b Abs. 1 Nr. 2 StGB aF (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) deutlich übersteigt (vgl. zum Ganzen , NJW 2016, 1030, 1032 mwN). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen gibt der vorliegende Fall keinen Anlass.

8Die Ahndung dieser Tat ist nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Insoweit gilt:

9Die Vorschrift des § 311 Abs. 1 StGB aF sah, wie nunmehr der gleichlautende § 308 Abs. 1 StGB nF, in Verbindung mit § 38 Abs. 2 StGB aF eine Höchststrafe von 15 Jahren Freiheitsstrafe vor. Eine nach dieser Vorschrift strafbare Tat verjährte deshalb gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF in 20 Jahren. Dies gilt auch für Fälle, in denen wie hier nach § 30 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 StGB aF eine Milderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB aF vorzunehmen ist (vgl. § 78 Abs. 4 StGB aF). Die mithin maßgebliche Verjährungsfrist von 20 Jahren begann nach § 78a Satz 1 StGB aF am zu laufen und wurde gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 5 StGB aF durch den Erlass sämtlicher in dieser Sache ergangenen Haftbefehle fristgerecht unterbrochen (vgl. , BGHR StGB § 78c Abs. 1 Nr. 5 Haftbefehl 2), so dass sie jeweils neu zu laufen begann (§ 78c Abs. 3 Satz 1 StGB aF), zuletzt durch Erlass der angefochtenen Haftbefehle. Da auch das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist seit dem noch nicht abgelaufen ist (vgl. § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB aF) - dies wäre erst im April des Jahres 2035 der Fall - besteht ein Verfahrenshindernis nicht.

10Der Senat hat weder mit Blick auf den Schuldgrundsatz, das Rechtsstaatsprinzip, den Gleichbehandlungsgrundsatz noch das Bestimmtheitsgebot Zweifel daran, dass § 30 Abs. 2 StGB aF verfassungsgemäß ist. Für ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist damit kein Raum.

11b) Es besteht darüber hinaus der dringende Verdacht, dass die Beschuldigten auch den Tatbestand der Vorbereitung einer Tat nach § 311 Abs. 1 StGB aF erfüllt haben, strafbar gemäß § 311b Abs. 1 Nr. 2 StGB aF; insoweit ist die Strafverfolgung jedoch verjährt, nachdem die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB aF, gegebenenfalls auch in Verbindung mit § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB aF spätestens mit Ablauf des verstrichen war. Ebenfalls - spätestens seit Anfang September 2015 (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF, auch in Verbindung mit § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB aF) - verjährt ist die den Beschuldigten vorgeworfene Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB aF bzw. - als milderes Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB - gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 2 StGB nF.

124. Es besteht hinsichtlich aller drei Beschuldigter der Haftgrund der Flucht, § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO. Dies gilt auch mit Blick auf den Beschuldigten H.             , dessen Aufenthaltsort in Venezuela mittlerweile bekannt ist, weil dieser nicht aus dem Ausland zurückkehren will, um sich dem Verfahren zu stellen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 13 mwN).

135. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs war für den Erlass der angefochtenen Haftbefehle gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG zuständig. Dies folgt daraus, dass sich die Sprengstoffexplosion, zu deren Herbeiführung sich die Beschuldigten verabredeten, nach dem Ergebnis der Ermittlungen naheliegend als Teil der Strategie und Zielsetzung der terroristischen Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." darstellte, deren Mitglieder die Beschuldigten waren. Diese Vereinigung war darauf gerichtet, die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne der linksgerichteten Ideologie dieser Gruppierung umzuwälzen; die von der Vereinigung begangenen Anschläge waren ebenso wie die beabsichtigte Tat geeignet, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, indem die Funktionsfähigkeit der Exekutivorgane des Staates durch gemeingefährliche Straftaten erheblich beeinträchtigt werden sollte.

14Mit Blick auf die geplante dauerhafte Unbrauchbarmachung der Justizvollzugsanstalt handelt es sich um eine staatsgefährdende Straftat von besonderem Gewicht, so dass auch die besondere Bedeutung des Falles im Sinne von § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG vorliegt. Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass es sich bei dem zwar verjährten aber gleichwohl tateinheitlich ebenfalls verwirklichten Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung um ein Delikt handelt, das in die originäre Zuständigkeit der Oberlandesgerichte nach § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG und damit gemäß § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG in die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts fällt.

156. Die Anordnung der Untersuchungshaft ist wegen des Gewichts des Tatvorwurfs auch angesichts der seit der Tat verstrichenen Zeit weiterhin verhältnismäßig. Insoweit ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die mittlerweile verjährten Tatvorwürfe gleichwohl - wenn auch mit minderem Gewicht - strafschärfend berücksichtigt werden können (st. Rspr.; vgl. etwa , BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24 mwN).

Becker                     Mayer                     Gericke

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:300616BSTB14.16.0

Fundstelle(n):
XAAAF-90701