BAG Urteil v. - 9 AZR 265/15

Umfang eines tarifvertraglichen Urlaubsanspruchs

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 10 Ca 3695/13 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 530/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Anzahl der dem Kläger im Kalenderjahr zustehenden Urlaubstage.

2Die Parteien verbindet seit dem ein Arbeitsverhältnis, auf das kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für die Beklagte geltenden Haustarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Die Beklagte schloss am mit der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) einen ab dem geltenden Manteltarifvertrag - Haustarifvertrag - (MTV 2000), der in § 8 ua. regelt:

3Unter dem vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen Manteltarifvertrag - Haustarifvertrag - (MTV 2005), der am in Kraft trat. Dieser regelt in § 7 ua. Folgendes:

4Die IG BAU kündigte den MTV 2005 zum . Ein neuer Tarifvertrag wurde bislang nicht vereinbart.

5Die von der Beklagten erstellte Lohnabrechnung für Januar 2013 wies für den Kläger einen Jahresurlaub im Umfang von 24 Arbeitstagen aus.

6Der Kläger hat die Ansicht vertreten, infolge seiner 10-jährigen Betriebszugehörigkeit habe sich der 24 Arbeitstage umfassende Urlaubsanspruch, der ihm aufgrund der Besitzstandsregelung gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005 zustehe, um einen Arbeitstag erhöht.

7Der Kläger hat beantragt

8Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der von einem Arbeitnehmer erworbene Besitzstand nach § 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005 sei auf den Urlaubsanspruch nach dem neuen Tarifstand anzurechnen. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem in ihre Dienste getreten seien, erhöhe sich der Urlaubsanspruch deshalb erst, wenn die Summe des Urlaubsanspruchs aus § 7 Ziff. 2 Abs. 2 MTV 2005 (Grundurlaub) und § 7 Ziff. 2 Abs. 3 MTV 2005 (Mehrurlaubstage) den besitzstandsgeschützten Urlaub übersteige. Der Kläger, der mit einem Besitzstand von 24 Arbeitstagen in den MTV 2005 übergeleitet worden sei, komme daher nicht in den Genuss einer weiteren Erhöhung seines Urlaubsanspruchs.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

10Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und der Klage stattgegeben.

11I. Die Klage ist nach der gebotenen Auslegung des Klageantrags zulässig. Streitgegenstand ist allein die Frage, ob sich infolge der 10-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers der jährliche Urlaubsanspruch gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 3 Spiegelstrich 1 MTV 2005 um einen Arbeitstag erhöht hat. Dies hat der Kläger in der Revisionsverhandlung vor dem Senat klargestellt. Da die Beklagte die Erhöhung des Urlaubsanspruchs in Abrede stellt, hat der Kläger gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein Interesse an einer gerichtlichen Feststellung des Umfangs des ihm zustehenden Jahresurlaubs (vgl.  - Rn. 8 ff. mwN, BAGE 149, 315).

12II. Die Klage ist nicht begründet. Der seit dem bei der Beklagten beschäftigte Kläger hat ab dem Kalenderjahr 2013 Anspruch auf 24 Arbeitstage, nicht aber auf 25 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr. Am maßgeblichen Stichtag, dem , standen ihm 23 Arbeitstage Jahresurlaub zu (§ 8 Ziff. 2.2 MTV 2000). Dieser Anspruch blieb ihm nach der Ablösung des MTV 2000 durch den MTV 2005 erhalten (§ 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005). Nach vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit erhöhte sich dieser Anspruch um einen Urlaubstag auf 24 Arbeitstage (§ 7 Ziff. 2 Abs. 3 Spiegelstrich 1 MTV 2005).

131. Der Kläger wurde mit einem Besitzstand von 23 Arbeitstagen Jahresurlaub (§ 8 Ziff. 2.2 MTV 2000), die ihm am Stichtag, dem , zustanden, in das neue Tarifwerk übergeleitet.

14a) Die für die Berechnung des Umfangs des Urlaubsanspruchs maßgebliche Betriebszugehörigkeit des Klägers betrug zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als fünf Jahre. Das Kalenderjahr 1999 bleibt gemäß § 8 Ziff. 2.3 Satz 2 MTV 2000 bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit außer Betracht. Da sich der Urlaubsanspruch nicht „mit“, sondern erst „nach“ vollendeter 5-jähriger Betriebszugehörigkeit erhöht, war der Kläger am Stichtag, dem , noch nicht Inhaber eines erhöhten Urlaubsanspruchs (vgl. zur gesetzlichen Wartezeit iSd. § 4 BUrlG  - Rn. 11).

15b) Die Besitzstandsregelung in § 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005 bezieht sich nicht nur auf die Mehrurlaubstage, die der Arbeitnehmer aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit vor dem Stichtag nach § 8 Ziff. 2.3 Abs. 1 MTV 2000 erworben hatte, sondern auch auf den gegenüber der Neuregelung höheren Grundurlaubsanspruch von 23 Arbeitstagen gemäß § 8 Ziff. 2.2 MTV 2000 (ausf.  - Rn. 14).

162. Entgegen der Auffassung der Revision sind bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis - wie das des Klägers - vor dem begründet wurde, die in § 7 Ziff. 2 Abs. 3 MTV 2005 geregelten Mehrurlaubstage dem Grundurlaub der Vorgängerregelung (23 Arbeitstage nach § 8 Ziff. 2.2 MTV 2000) und nicht dem Grundurlaub der Neuregelung (21 Arbeitstage nach § 7 Ziff. 2 Abs. 2 MTV 2005) hinzuzurechnen. Hiermit zu vergleichen ist der besitzstandsgeschützte Urlaub (§ 7 Ziff. 2 Abs. 5 MTV 2005). Der höhere Urlaubsanspruch ist dann maßgeblich.

17Gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 3 Spiegelstrich 1 MTV 2005 erhöhte sich der Urlaubsanspruch des Klägers nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit mit Wirkung ab dem auf 24 Arbeitstage. Ebenso wie die Vorgängerregelung lässt auch die Urlaubsstaffelung nach § 7 Ziff. 2 Abs. 3 MTV 2005 das erste Beschäftigungsjahr unberücksichtigt, wenn es - wie im Falle des Klägers - kein volles Kalenderjahr ist (§ 7 Ziff. 2 Abs. 4 Satz 1 MTV 2005). Einen darüber hinausgehenden Urlaubsanspruch hat der Kläger nicht erworben.

18III. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:120716.U.9AZR265.15.0

Fundstelle(n):
EAAAF-86151