Entfallen des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland als Voraussetzung für die Kindergeldanspruchsberechtigung nach § 62 Abs.
1 S. 1 Nr. 1 EStG bei Aufenthalt von mehr als elf Monaten in der Familienwohnung im Ausland zur Gesundung nach einem Im Ausland
erlittenen Unfall
Leitsatz
1. Hat ein Ausländer durch eine neunmonatige Erwerbstätigkeit im Inland ungeachtet der Beibehaltung seiner Familienwohnung
im Ausland einen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. § 9 AO im Inland begründet, ist er danach wegen eines bei einem Besuch bei
seiner Familie im Ausland erlittenen Unfalls mehr als elf Monate zur Erholung und Genesung bei seiner Familie als dem Mittelpunkt
seiner Lebensinteressen im Ausland geblieben und ist er anschließend mit seiner Familie an einen anderen Ort im Inland unter
Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses bei einem neuen Arbeitgeber umgezogen, so ist der durch die erste Erwerbstätigkeit
im Inland begründete gewöhnliche Aufenthalt ab dem Beginn des unfallbedingten, elfmonatigen Aufenthalts im Ausland beendet
worden und die Kindergeldanspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG während dieser elf Monate entfallen. Das Vorhandensein
einer inländischen Melde- und/oder Postanschrift sowie einer inländischen Übernachtungsmöglichkeit während dieser elf Monate
genügt nicht zur Beibehaltung eines gewöhnlichen Aufenthalts.
2. Ebenso wie ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland durch einen Auslandsaufenthalt von mehr als einem Jahr nicht in jedem
Fall beendet wird, verbleibt der gewöhnliche Aufenthalt im Inland bei Auslandsaufenthalten von bis zu 6 Monaten (§ 9 S. 2
AO) bzw. in den Sonderfällen des § 9 S. 3 AO von bis zu einem Jahr nicht in jedem Fall im Inland. Entscheidend ist, ob die
Abwesenheit zu einer wesentlichen Lockerung des Bandes zwischen dem Steuerpflichtigen bzw. Kindergeldberechtigten und dem
Inland geführt hat. Dabei sind für den Fortbestand einer hinreichenden Verbindung umso engere Beziehungen zum Inland notwendig,
je länger die tatsächliche Abwesenheit andauert; im Zweifelsfall sind die Abwesenheitszeit einerseits und die für die Beibehaltung
des gewöhnlichen Aufenthaltes andererseits sprechenden Umstände untereinander zu gewichten.
3. Für das Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts kommt es nur auf die Verhältnisse in dem jeweils zu beurteilenden Zeitpunkt
oder Zeitraum an. Zwar können im Einzelfall die Entwicklungen der Vergangenheit und erkennbare Zukunftspläne herangezogen
werden. Jedoch sind weder persönliche Bindungen zum Inland noch ein bestehender Rückkehrwille geeignet das Entstehen eines
gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland zu verhindern, wenn der Steuerpflichtige bzw. Kindergeldberechtigte sich über längere
Zeit im Ausland aufhält und in das dortige Leben integriert ist. Zu prüfen ist, ob erkennbare Umstände, namentlich berufliche,
familiäre oder gesellschaftliche Bindungen daraufhin hindeuten, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen von dem bisherigen
gewöhnlichen Aufenthaltsort wegverlagert hat.
Fundstelle(n): NWB-Eilnachricht Nr. 1/2017 S. 10 PIStB 2017 S. 34 Nr. 2 QAAAF-85003
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Sächsisches FG, Urteil v. 11.08.2016 - 8 K 351/16 (Kg)
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