NWB Nr. 40 vom Seite 2985

„Erbschaftsteuer: Kompromiss mit Risiken und Nebenwirkungen“

StB Professor Dr. iur. Swen Bäuml | Hochschule Mainz | Partner of Counsel WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Frankfurt | Mitherausgeber der NWB

Die überfällige Einigung im Vermittlungsausschuss zur Erbschaftsteuer erfolgte rechtzeitig vor dem Tätigwerden des Bundesverfassungsgerichts. Gegenüber dem Bundestagsbeschluss vom sind die Änderungen verschärfend.

Positiv ist, dass der Kapitalisierungsfaktor in § 203 Abs. 1 BewG immerhin auf 13,75 festgesetzt wird. Dies gilt rückwirkend auf den , wodurch die Verwaltungsvermögensquoten von Übertragungen im ersten Halbjahr 2016 steigen; mit dem Risiko, dass diese aus der Regel- oder Optionsverschonung „herauswachsen“. Für Erwerbe über 26 Mio. € bleibt es bei der vollständigen Abschmelzung der Verschonung bis 90 Mio. € begünstigten Vermögens, ebenso wie die Begünstigungsfähigkeit gewerblich geprägter Personengesellschaften erhalten bleibt.

Für den 30 %igen Vorwegabschlag bei Familienunternehmen muss im Gesellschaftsvertrag u. a. die Entnahme oder Ausschüttung auf maximal 37,5 % des um die Steuern vom Einkommen geminderten steuerlichen Gewinns beschränkt sein. Wer bereits Gesellschaftsverträge angepasst hat, um frühzeitig die zweijährige Änderungssperrfrist auszulösen, muss nachbessern.

Eine „bittere Pille“ für Familienunternehmen ist die Einführung einer Verwaltungsvermögensquote von 20 % als Voraussetzung für die Anwendung der Optionsverschonung. Bei Überschreiten ist die Verschonung für den begünstigten Vermögensteil versperrt.

Beim Finanzmitteltest wird der Abzug von 15 % des Unternehmenswerts (bisher 20 %) nur gewährt, wenn das begünstigungsfähige Vermögen nach seinem „Hauptzweck“ z. B. einer originären gewerblichen Tätigkeit dient; Personengesellschaften i. S. des § 15 Abs. 3 EStG sind außen vor. Die Steuerstundung auf begünstigtes Betriebsvermögen im Erbfall wird nur für sieben Jahre und nur im ersten Jahr zinslos gewährt.

Kein Verwaltungsvermögen stellen künftig Grundstücke dar, die vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen (z. B. Brauereigaststätten). Abgrenzungsschwierigkeiten bringt die Ergänzung des Verwaltungsvermögens um „sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände“, wenn Handel, Herstellung, Verarbeitung oder die entgeltliche Nutzungsüberlassung an Dritte nicht „Hauptzweck“ des Betriebs ist.

Das neue Gesetz gilt rückwirkend ab dem . Mit der Verlautbarung des wonach das bisherige Gesetz über den Stichtag hinaus Anwendung finde, könnte ein schützenswertes Vertrauen der Steuerpflichtigen begründet worden sein. Damit verstieße die Rückbeziehung auf den gegen das Rückwirkungsverbot; Steuerbescheide wären offen zu halten.

Die Neufassung ruft neben verfassungsrechtlichen Bedenken auch Fragen zur EU-Beihilfe-Problematik auf. Die Halbwertszeit des neuen Rechts ist als eher gering einzuschätzen; erste Nachbesserungen sind angekündigt.

Swen Bäuml

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 2985
NWB FAAAF-82860