Jugendstrafverfahren: Notwendige Urteilsfeststellungen bei Bildung einer Einheitsjugendstrafe
Gesetze: § 31 Abs 2 S 1 JGG
Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 31 KLs 8/15nachgehend Az: 3 StR 125/16 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zur Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrecht-liche Prüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
32. Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat dagegen keinen Bestand. Die - wie hier vorgenommene - Bildung einer Einheitsjugendstrafe unter Einbeziehung eines rechtskräftigen früheren Urteils setzt nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG voraus, dass die dort verhängte jugendrichterliche Sanktion noch nicht vollständig ausgeführt, vollstreckt oder sonst erledigt ist. Hierzu verhält sich das angegriffene Urteil nicht. Ihm lässt sich nicht entnehmen, ob die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom erteilte Weisung bereits ausgeführt wurde.
4Darüber hinaus sind bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG die zuvor begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Straftat zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen (vgl. , BGHSt 16, 335, 337). Um die hierfür erforderliche vollständige Beurteilungsgrundlage zu gewinnen, müssen die früheren Taten zumindest kurz dargestellt werden (, StV 1998, 344; Urteil vom - 1 StR 531/92, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7). Vorliegend hat die Jugendkammer sich im Urteil mit der bloßen Wiedergabe des Urteilsspruchs des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom begnügt, wonach dem Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eine richterliche Weisung erteilt worden ist. Die der früheren Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalte und die Zumessungsgründe des einbezogenen Urteils hat sie nicht mitgeteilt. Damit wird das angefochtene Urteil den Anforderungen an eine rechtsfehlerfrei gebildete Einheitsjugendstrafe nicht gerecht.
5Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
6Sollte die zu neuer Entscheidung berufene Jugendkammer wiederum feststellen, dass der Angeklagte in seiner Aussage bei der Polizei die Anwesenheit des Mitangeklagten C. am Tatort aufgedeckt und diesen bei der folgenden Lichtbildvorlage identifiziert hat, wird sie zu erörtern haben, ob damit die Voraussetzungen einer Aufklärungshilfe nach § 46b Abs. 1 und 2 StGB vorliegen. Da sowohl bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG als auch bei der Zumessung der konkreten Jugendstrafe der äußere Unrechtsgehalt der Tat insofern von Belang ist, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere der Schuld gezogen werden können (vgl. , BGHSt 15, 224, 226), ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld gerade auch des heranwachsenden Täters das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts heranzuziehen. Deren Höhe hängt aber unter anderem davon ab, ob vertypte Milderungsgründe wie der des § 46b Abs. 1 und 2 StGB vorliegen (vgl. , NStZ-RR 2015, 155, 156).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:300616B3STR125.16.0
Fundstelle(n):
TAAAF-81652