BVerwG Beschluss v. - 4 BN 20/16

Antragsbefugnis für die Anfechtung eines Bebauungsplans

Gesetze: § 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 1 Abs 7 BauGB

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 1 N 16.237 Urteil

Gründe

1Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.

2I. Die Beschwerde formuliert als Frage grundsätzlicher Bedeutung,

ob das Interesse eines Eigentümers an einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans, dessen Grundstück nicht in den Geltungsbereich der Änderung eines bestehenden Bebauungsplans einbezogen werden soll, auch beim Fehlen einer sachgerechten Alternativprüfung immer als abwägungsunerheblich angesehen werden kann, so dass deshalb die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO verweigert werden kann.

3Der Senat versteht die Beschwerde dahin, dass der Antragsteller rechtsgrundsätzlich klären lassen möchte, unter welchen Voraussetzungen das Interesse, in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, ein abwägungserheblicher Belang ist. Diese Frage ist geklärt, soweit sie entscheidungserheblich ist. Das Interesse, mit einem Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, ist für sich genommen kein abwägungserheblicher Belang, der dem Eigentümer die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle vermittelt. Der Senat hat offen gelassen, ob eine Antragsbefugnis in solchen Fällen in Betracht kommt, in denen ein Grundstück "willkürlich" nicht in einen Bebauungsplan einbezogen wird ( 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 LS und S. 140). Weiteren Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar, die im Übrigen Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Frage insgesamt vermissen lässt.

4Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang vor, das Verhältnis des am bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. 14 für den Gemeindeteil "Weisham" und des am bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. 14 für den Gemeindeteil "Weisham, betreffend den Teilbereich Nord-West" zu verkennen. Auf welchen Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 VwGO dieses Vorbringen gerichtet sein könnte, erschließt sich nicht. Im Übrigen sind Bebauungspläne Teile des Landesrechts, so dass ihre Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO auch für das Revisionsverfahren maßgebend wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 BN 15.11 - BRS 78 Nr. 49 Rn. 17 und vom - 4 B 49.14 - ZfBR 2015, 60 Rn. 4). Dies gilt auch für die Frage, in welchem rechtlichen Verhältnis verschiedene Bebauungspläne zueinander stehen.

5II. Die Beschwerde hat auch mit den Verfahrensrügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO keinen Erfolg.

61. Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, die Anforderungen an die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt zu haben. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision.

7Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird ( 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165; stRspr). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) geht. Auch insoweit reicht aus, wenn ein Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen ( 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <218 f.>). Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten Belang berufen kann ( 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 15). Die Antragsbefugnis fehlt, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet ( a.a.O. S. 217). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn das Interesse des Betroffenen geringwertig, nicht schutzwürdig, für die Gemeinde nicht erkennbar oder sonst makelbehaftet ist ( a.a.O.).

8a) Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Rechtsfehler eine Antragsbefugnis im Hinblick auf das Geh- und Fahrrecht des Antragstellers verneint. Die Beeinträchtigung eines dinglich gesicherten Geh- und Fahrtrechtes begründet die Antragsbefugnis, wenn dessen Ausübung durch die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans möglicherweise Beschränkungen unterworfen wird, das Geh- und Fahrtrecht also (möglicherweise) nicht mehr so ausgeübt werden kann, wie es zivilrechtlich eingeräumt wurde (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 BN 15.13 - BRS 81 Nr. 65 Rn. 3 und vom - 4 BN 6.16 - juris Rn. 3). Einen solchen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof verneint, weil der Antragsteller nicht befugt sei, Dritte von der Benutzung der Wegeflächen auszuschließen.

9Die Beschwerde dringt auch nicht mit ihrer Kritik durch, es drohe jedenfalls tatsächlich eine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechtes. Der Verwaltungsgerichtshof hat angesichts der geringen Breite der vorgesehenen privaten Verkehrsfläche und der fehlenden Parkflächen eine Beeinträchtigung der Geh- und Fahrtmöglichkeiten für ausgeschlossen gehalten. Mit dieser Würdigung setzt sich die Beschwerde nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Form auseinander. Im Übrigen wendet sich die Beschwerde, soweit verständlich, nicht gegen Auswirkungen des Bebauungsplans oder seiner Ausführung ( 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 138), also planbedingte Beeinträchtigungen ( 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 19), sondern gegen eine aus ihrer Sicht bereits bestehende Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechtes durch Nutzer, deren Grundstücke außerhalb des Plangebiets liegen.

10Der Antragsteller sieht schließlich abwägungserhebliche Belange beeinträchtigt, weil ihm Nr. 7.4 der textlichen Festsetzungen die Asphaltierung der Verkehrsfläche verbiete, die mit einem Geh- und Fahrtrecht belastet sei. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler, weil nach der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Bebauungsplans durch die Vorinstanz Nr. 7.4 der textlichen Festsetzungen ein solches Verbot nicht aufstellt (UA Rn. 17).

11b) Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Antragsbefugnis des Antragstellers mit Blick auf die Anordnung der Garage auf Bauparzelle 8 verneint. Nach einer Einwendung des Antragstellers habe die Gemeinde den Planentwurf geändert. Das Baufenster für die Garage sei einen Meter von der Grenze abgerückt worden. Nachdem der Antragsteller auf eine erneute Anhörung nach § 4a Abs. 3 BauGB auf diesen Punkt nicht mehr eingegangen sei, habe die Antragsgegnerin davon ausgehen können, den privaten Belangen ausreichend Rechnung getragen zu haben (UA Rn. 18). Dagegen wendet sich die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.

12Die Beschwerde weist allerdings zutreffend darauf hin, dass das Schreiben der Antragsgegnerin zur erneuten Anhörung vom - fehlerhaft - auf den Mindestabstand "für die Garage auf der Parzelle Nr. 7" hinweist. Ungeachtet der Frage, ob damit ein weiter bestehender abwägungserheblicher Belang für die Antragsgegnerin erkennbar war, führt die Kritik der Beschwerde nicht zur Zulassung der Revision. Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs stellt sich insoweit jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO; vgl. 2 B 56.97 - juris Rn. 3 <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25>). Der vom Antragsteller angeführte Belang ist jedenfalls objektiv geringfügig. Der Antragsteller befürchtete in seinem Schreiben vom , bei einer Grenzbebauung werde der "jeweilige Garagenbesitzer von Bauparzelle Nr. 8 alle Bautätigkeiten und alle nachfolgenden Belange seines Gebäudeteils" auf dem angrenzenden, vom Antragsteller landwirtschaftlich genutzten Grundstück durchführen. Diesem Interesse hat die Gemeinde durch einen Abstand der Garage von der Grundstücksgrenze von einem Meter Rechnung getragen. Dass die Differenz zu dem vom Antragsteller geforderten "Mindestabstand von 1,5 m" ein mehr als geringfügiger Belang sein könnte, legt die Beschwerde nicht dar und ist auch sonst nicht erkennbar.

13c) Die Kritik der Beschwerde an den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in Rn. 19 seines Urteils verfehlen die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Ein Verfahrensmangel ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird ( 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Beschwerde legt weder konkret dar, die Behandlung welchen Sachvortrags sie vermisst, noch, warum die (behaupteten) Möglichkeiten einer Erschließung eine Antragsbefugnis des Antragstellers begründen sollten.

142. Zur Zulassung der Revision führt auch nicht die Kritik der Beschwerde an dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , das Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan Nr. 14 "Weisham betreffend den Teilbereich Nord-West" abzutrennen.

15Beschlüsse über die Trennung und Verbindung von Verfahren gemäß § 93 VwGO sind nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Sie unterliegen daher nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 53.07 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 43 Rn. 3 und vom - 8 B 32.10 - juris Rn. 19). Unbeschadet dessen kann die Beschwerde Mängel rügen, die als Folge der beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften ( 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <324>). Solche Mängel legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar. Sie wendet sich vielmehr gegen die materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zum Verhältnis des Bebauungsplans Nr. 14 "Weisham" zu dem verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan. Diese Kritik kann nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers führen. Denn die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte ( 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr). - juris Rn. 19). Unbeschadet dessen kann die Beschwerde Mängel rügen, die als Folge der beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften ( 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <324>). Solche Mängel legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar. Sie wendet sich vielmehr gegen die materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zum Verhältnis des Bebauungsplans Nr. 14 "Weisham" zu dem verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan. Diese Kritik kann nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers führen. Denn die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte ( 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

16Zur Zulassung der Beschwerde kann auch nicht der Vorwurf führen, die Trennung der Verfahren sei eine unzulässige Überraschungsentscheidung und habe das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzt. Eine gerichtliche Entscheidung ist eine unzulässige Überraschungsentscheidung, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr; BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 80.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 S. 91 und vom - 4 BN 7.14 - BRS 82 Nr. 72 Rn. 3). Ein solcher Fall liegt nicht vor, weil ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom der Verfahrensgegenstand und das Verhältnis der vom Verwaltungsgerichtshof als selbständig erachteten Bebauungspläne mit den Beteiligten erörtert worden sind.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:100816B4BN20.16.0

Fundstelle(n):
GAAAF-81344