„Balanceakt auf einem Hochseil“
Das Steuerliche Kontrollsystem als Fallschirm
Geht es im Rahmen der Berichtigung nachträglich festgestellter Fehler um größere Korrekturbeträge, ist bei den Finanzbehörden die Tendenz festzustellen, relativ pauschal einen steuerstrafrechtlichen Anfangsverdacht anzunehmen und die Berichtigungserklärung in einem solchen Kontext zu prüfen. Da diese Beurteilung jedoch unter Verkennung der Unternehmensgröße häufig an vergleichsweise niedrigen absoluten Steuerbeträgen festgemacht wird, sieht man sich hier in der Praxis schnell mit „einem Fuß über dem Abgrund“ einem drohenden steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Die Abgrenzung einer einfachen Berichtigung der Erklärung nach § 153 AO von einer Selbstanzeige kommt aufgrund der kontinuierlichen Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige damit oftmals einem Balanceakt auf einem Hochseil gleich. Da die Selbstanzeige häufig empfindliche Strafzuschläge nach sich zieht und im Fall einer verunglückten Selbstanzeige darüber hinaus harte Sanktionen drohen, hat sich die Beratungspraxis daher bereits seit einigen Jahren gewünscht, dass das Verhältnis zwischen der Berichtigungserklärung und der strafbefreienden Selbstanzeige klargestellt und diese Situation entschärft wird (s. Bangert/Schwarz, NWB 42/2015 S. 3088). Mit ihrem Anwendungserlass vom hat die Finanzverwaltung dazu Stellung genommen, wie diese Abgrenzung ihrer Auffassung nach zu erfolgen hat. Auch wenn es erfreulich ist, dass der Anwendungserlass zur Abgabenordnung nun erstmalig eine Abgrenzung zwischen Berichtigungspflicht und Selbstanzeige enthält, dürften die Schwierigkeiten aber in der praktischen Anwendung liegen.
Eine weitere Premiere in diesem Zusammenhang stellen die Ausführungen zur Bedeutung von sog. Steuerlichen Kontrollsystemen dar. Damit wird den Unternehmen erstmals ein konkretes Angebot der Finanzverwaltung unterbreitet, durch die Einführung eines Steuerlichen Kontrollsystems vorsorglich steuerstrafrechtlichen Risiken entgegen zu wirken. So wird die Einführung eines Kontrollsystems als Indiz gewertet, welches gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann und damit zum rettenden Fallschirm beim möglichen Vorwurf der Steuerhinterziehung wird. Wie das innerbetriebliche Kontrollsystem ausgestaltet werden soll, bleibt dem Unternehmen überlassen – weder das BMF noch gesetzliche Vorgaben schreiben hier ein bestimmtes System vor. Die Anforderungen an die Einrichtung eines Steuerlichen Kontrollsystems sowie die Praxisfolgen des BMF-Anwendungserlasses für steuerliche Korrekturen stellt Geuenich auf dar.
Beste Grüße
Claudia Kehrein
Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 2545
NWB HAAAF-80162