NWB-BB Nr. 9 vom Seite 257

Niedrigzinspolitik: Ein Gewinner und viele Verlierer

Dipl.-Kfm. Heiko Lucius | Verantw. Redakteur | nwb-bb-redaktion@nwb.de

Ein Ende der Niedrigzinsphase ist nicht absehbar. Für Unternehmen sollen die extrem niedrigen Zinsen ein Anreiz sein, mehr Kredite aufzunehmen und ihre Investitionen zu steigern – so viel zur Theorie. Das dürfte auch in der Praxis funktionieren, wenn da nicht ein kleines Problem wäre: Viele Unternehmen in Deutschland benötigen gar keine Kredite, da sie wirtschaftlich relativ gut aufgestellt sind. Zwar wird die Kreditnachfrage angekurbelt, aber in überschaubarem Maß und weit unter den Erwartungen der EZB. Es ist letztlich wie im „normalen“ Leben: Wenn man etwas nicht braucht, kauft man es nicht, selbst wenn es fast kostenlos ist. Ausgenommen hiervon sind natürlich „Schnapper“ aus dem Sommerschlussverkauf oder anderen Rabattaktionen – die gönnt sich bekanntlich der eine oder andere unabhängig vom Bedarf, auch wenn es irrational erscheint. Begeben wir uns also auf die Suche: Gibt es sie überhaupt, die Gewinner der Niedrigzinspolitik?

Der Staat ist es offensichtlich bislang nicht, denn die schwächelnde Konjunktur wird nicht wie erwartet angekurbelt. Und dass sich Anleger über die niedrigen Zinsen nicht freuen, dürfte selbsterklärend sein. Bleiben also Kreditnehmer und Banken.

Sowohl private als auch gewerbliche Kreditnehmer können profitieren – wenn sie gewisse Regeln beachten. Damit sind wir wieder beim Thema „Ratio“: Die Gefahr, dass Kreditnehmer von den „Schnäppchen“ auf dem Kreditmarkt geblendet werden, ist groß. Beispielsweise werden häufig zu kurze Zinsfestschreibungen gewählt, um aus dem ohnehin schon günstigen Angebot das Beste herauszuholen. Folge: Geringe Finanzierungskosten während der Zinslaufzeit, danach aber eine hohe Restschuld mit eventuell wieder steigenden Zinsen. Herke beschreibt , was Sie Ihren Mandanten in dieser Situation raten sollten.

Um es vorweg zu nehmen: Die Banken stehen am Ende sicher nicht auf der Siegertreppe. Neben den steigenden regulatorischen Anforderungen führt die Niedrigzinsphase dazu, dass die Erträge der Banken immer geringer ausfallen. Denn der Zinsüberschuss, d. h. die Differenz von Zinsertrag und Zinsaufwendungen, macht einen Großteil der Bankerträge aus, insbesondere bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken – und der schwindet zusehends mit den fallenden Zinsen. Wie das Handelsblatt am berichtet, kommt ein weiteres Problem hinzu: Da sich die Banken beim Preis für Kredite gegenseitig kaum unterbieten können, versuchen viele, die Kunden durch den Wegfall von sog. Covenants zu locken. Diese Klauseln in Kreditverträgen räumen Banken beispielsweise Sonderkündigungsrechte ein, wenn Unternehmen bestimmte Finanzkennzahlen nicht mehr erfüllen. Fallen die Covenants weg, spielen die Banken ein riskantes Spiel: Geraten Kreditnehmer nämlich in die Krise, fehlt den Banken ein wichtiges Druckmittel, um Veränderungen zu erzwingen, bevor es zu spät ist.

Die Niedrigzinspolitik hat also mit den Kreditnehmern nur einen einzigen Gewinner. Einen zweiten oder dritten Platz, bei Olympia aller Ehren wert, sucht man – zumindest bislang – vergeblich.

Beste Grüße

Heiko Lucius

Fundstelle(n):
NWB-BB 9/2016 Seite 257
NWB IAAAF-80153