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Online-Nachricht - Mittwoch, 17.08.2016

Einkommensteuer | Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz (BFH)

Eine Steuerforderung ist insolvenzrechtlich in dem Zeitpunkt begründet, zu dem der Besteuerungstatbestand vollständig verwirklicht ist (, veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Sonstige Masseverbindlichkeiten sind von den Insolvenzforderungen (§ 35 Abs. 1, § 38, § 87, § 174 ff., § 187 ff. InsO) abzugrenzen. Insolvenzforderungen sind nach § 38 InsO solche Forderungen, die bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners bestellt. Der Insolvenzschuldner hatte ein Einzelunternehmen mit drei Ladenlokalen betrieben. Je ein Ladenlokal befand sich in den Gebäuden, welche im Eigentum der Erbengemeinschaft I bzw. der Erbengemeinschaft II standen, an denen der Insolvenzschuldner beteiligt war. Seinen Gewinn hatte der Insolvenzschuldner mittels Einnahme-Überschussrechnung ermittelt. Kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußerte ein Treuhandbüro im Namen und im Auftrag des Klägers die Einrichtungsgegenstände aller drei Ladenlokale und weitere Anlagegegenstände sowie den Warenbestand. Der Kaufpreis floss der Insolvenzmasse nach der Insolvenzeröffnung zu. Der Kläger vertritt die Ansicht, die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Begründetheit eines Umsatzsteueranspruchs seien auf einen Einkommensteueranspruch nicht übertragbar und das Zuflussprinzip nicht einschlägig. Das FA ist der Ansicht, im Streitfall sei das Zuflussprinzip anzuwenden und folglich sei erst der Zufluss des Kaufpreises als Begründungshandlung i.S. des § 55 Abs. 1 InsO anzusehen. Dieser Auffassung folgte das FG Thüringen.

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Für die insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs kommt darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand insbesondere die Erzielung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.

  • Wird der Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, gilt das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Danach ist der Tatbestand für die Einkommensbesteuerung erst vollständig verwirklicht, wenn die Einnahmen dem Steuerpflichtigen zufließen. Wird der Gewinn hingegen durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG, ggf. i.V.m. § 5 EStG, ermittelt, gilt das Realisationsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB.

  • Im Streitfall ist aufgrund der spätestens mit dem Verkauf des Anlagevermögens durch die Treuhandgesellschaft beginnenden Betriebsaufgabe ein notwendiger Wechsel von der bis dahin gewählten Einnahmen-Überschussrechnung zum Betriebsvermögensvergleich eingetreten. Die vollständige Verwirklichung des Tatbestandes ist damit unter Beachtung des Realisationsprinzips zu prüfen.

  • Die Betriebsaufgabe beginnt mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist.

  • Die festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die steuerrechtlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sind zeitanteilig auf den Zeitraum vor bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzuteilen.

Quelle: NWB Datenbank (Sc)

Hinweis:

Die Grundsätze des § 55 Abs. 4 InsO sind im Streitfall noch nicht anwendbar, da die Vorschrift erst zum in Kraft trat. Eine entsprechende Regelung existierte im Streitjahr noch nicht.

Das Urteil wurde erst nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt.

Fundstelle(n):
BAAAF-80083