NWB Nr. 29 vom Seite 2153

„Erbschaftsteuerreform im Vermittlungsausschuss“

StB Professor Dr. iur. Swen Bäuml | Hochschule Mainz | Partner of Counsel WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Frankfurt | Mitherausgeber der NWB

Lähmung der Nachfolgeplanung für Familienunternehmen!

Als am das Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) im Bundestag beschlossen wurde, atmeten zahlreiche Betroffene und Beteiligte auf. Nicht, weil Zufriedenheit herrschte über diese Kompromisslösung, die verfassungsrechtlich, EU-beihilferechtlich und aus Sicht der Anwendungspraxis und Administrierbarkeit zahlreiche Ansatzpunkte für Verbesserung bietet. Vielmehr, weil nach langem Ringen eine Lösung vorlag. Das Überschreiten der vom BVerfG gesetzten Frist bis zum durch die für den geplante Bundesratszustimmung erschien hinnehmbar. Nun hat der Bundesrat aber nicht zugestimmt, sondern den Vermittlungsausschuss angerufen! Mit einer Entscheidung ist nach der parlamentarischen Sommerpause zu rechnen.

Der Bundesrat kritisiert u. a. die Begrenzung des Kapitalisierungsfaktors in § 203 BewG. Ebenso wird die zinslose Stundung der Steuer auf begünstigte Vermögensteile nicht akzeptiert. Der Vorwegabschlag von bis zu 30 % für „typische“ Familienunternehmen soll verschärft werden. Die Begünstigung auch gewerblich geprägter Personengesellschaften wird abgelehnt. Die Verschonung für begünstigte Erwerbe über 26 Mio. € soll schneller auf null abschmelzen.

Das Aufschieben der Reform führt zu verfassungsrechtlichen und praktischen Fragen bezüglich des anwendbaren Rechts für Erwerbe nach dem bis zur Verkündung der Neuregelung im Bundesgesetzblatt. Von der Auffassung, dass das bisherige Gesetz nur noch bis zum angewendet werden darf, bis zur Akzeptanz einer vorläufigen Weitergeltung werden alle Meinungen vertreten. Eine Rückbeziehung des neuen Rechts kompliziert die verfassungsrechtliche Betrachtung. Mit dem Vorläufigkeitscharakter der Steuerbescheide ließe sich eine zulässige „unechte“ Rückwirkung begründen. Mit Blick auf das strenge Stichtagsprinzip könnte eine rückwirkende Anwendung als unzulässige „echte“ Rückwirkung zu werten sein. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung des bisherigen Rechts auch nach dem besteht jedenfalls nicht. Um die Unsicherheiten zu vermeiden, könnte der Gesetzgeber auch die Möglichkeit zur Rechtswahl (neu oder alt) im Zeitraum vom bis zur Verkündung des neuen Rechts einräumen.

Für die Praxis gilt es, Übertragungen bis zur Klärung der anzuwendenden Rechtsgrundlagen aufzuschieben, andere durch Widerrufs- und Rückabwicklungsklauseln abzusichern. Indikative Bewertungen sollten den § 203 BewG in allen Varianten abbilden oder auf andere Bewertungsmethoden ausweichen. Wer auf einen erbschaftsteuerfreien Zeitraum ab 1. 7. hofft, wird erst mit einer Entscheidung aus Karlsruhe Gewissheit haben und sollte Bescheide offen halten.

Nach drei verfassungswidrigen Erbschaftsteuerregimen in Folge geht die Rechtsunsicherheit erneut in die Verlängerung. Die Neufassung wird endgültig zur Hängepartie, die dem Steuerstandort Deutschland und dessen Struktur mittelständischer Unternehmen nicht gerecht wird.

Swen Bäuml

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 2153
EAAAF-77682