Umsatzsteuerliche Behandlung der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen/Asylbewerbern
Kommunen, denen die Aufnahme von Flüchtlingen obliegt, beauftragen häufig private Dritte mit der Unterbringung und sozialen Betreuung der Flüchtlinge. Dabei treten unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen auf. Es stellt sich die Frage, ob umsatzsteuerlich eine einheitliche oder mehrere selbständige Leistungen vorliegen und inwieweit für diese Leistungen eine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht kommt. Die nachfolgenden Fallgestaltungen wurden bundeseinheitlich abgestimmt:
Fall 1
Der Landkreis schließt mit einem Unternehmen einen Vertrag zum Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Die Gemeinschaftsunterkunft wird dem Betreiber von dem Auftrag gebenden Landkreis zur Unterbringung der Asylbewerber überlassen. Der Betreiber hat u. a. für die ordnungsgemäße Unterbringung sowie die Instandhaltung und Reinigung der Unterkunft zu sorgen und darüber hinaus die untergebrachten Bürgerkriegsflüchtlinge/Asylbewerber umfassend sozial zu betreuen.
Bei dieser Fallgestaltung handelt es sich um eine einheitliche steuerpflichtige Leistung des Betreibers, weil hier keine Grundstücksüberlassung erfolgt.
Fall 2
Der Eigentümer eines bebauten Grundstücks (Schullandheim) schließt mit dem Land einen „Beherbergungsvertrag zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen” ab. Der Unternehmer erhält für die von ihm erbrachten Leistungen einen monatlichen Pauschalbetrag einschließlich Umsatzsteuer. Bei den Leistungen handelt es sich um die Vermietung der Räumlichkeit, Reinigung der allgemeinen Außen- und Innenbereiche, Verpflegung der Bewohner, Zurverfügungstellung und Reinigung der Wäsche sowie Kontrolle der Zimmer.
Die (langfristige) Vermietung der Räumlichkeit an das Land ist steuerfrei nach § 4 Nr. 12a UStG. Bei der Reinigung der allgemeinen Außen- und Innenbereiche handelt es sich um eine Nebenleistung zur steuerfreien Vermietungsleistung (Abschnitt 4.12.1 Absatz 5 Satz 3 UStAE).
Die Verpflegung der Bewohner sowie der Wäscheservice sind als eigenständige Leistungen zu beurteilen, welche mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sind. Das gilt auch für die Kontrolle der Zimmer, weil insoweit keine typische Leistung des Vermieters vorliegt. Der Betreiber hat den monatlichen Pauschalbetrag – ggf. durch eine sachgerechte Schätzung – auf die steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen aufzuteilen.
Fall 3
Eine GbR verpflichtet sich auf Grundlage eines Vertrags, für einen Landkreis Asylbewerber in einem im Eigentum der GbR stehenden Objekt unterzubringen. Die GbR übernimmt keine Verpflegung der Asylbewerber; vielmehr werden Gemeinschaftskochstellen zur Selbstverpflegung eingerichtet. Der Landkreis zahlt einen pauschalen Tagessatz pro Person. Die GbR erbringt folgende Leistungen: (Langfristige) Vermietung der Räumlichkeit an den Landkreis, Mindestausstattung der Einrichtung, Versorgung der Einrichtung mit Strom und Wasser, Beheizung der Flure, Küchen, Schlaf- und Aufenthaltsräume, Reinigung der Gemeinschaftsräume, Waschdienst, Führen von Anwesenheitslisten, Sicherheitsdienst, Zurverfügungstellung von Hauspersonal.
Die (langfristige) Vermietung der Räumlichkeit ist steuerfrei nach § 4 Nr. 12a UStG. Bei der Mindestausstattung der Einrichtung, der Versorgung mit Strom und Wasser sowie bei der Beheizung und Reinigung der Räume handelt es sich um Nebenleistungen zur steuerfreien Vermietungsleistung (Abschnitt 4.12.1 Absatz 5 UStAE).
Die übrigen Leistungen (Waschdienst, Führen der Anwesenheitsliste, Sicherheitsdienst, Hauspersonal) sind als eigenständige Leistungen zu beurteilen, welche mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sind. Es liegt kein Vertrag besonderer Art vor, weil die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks gegenüber diesen Leistungen nicht zurücktritt.
Der Unternehmer (Betreiber) hat den pauschalen Tagessatz aufzuteilen.
Fall 4
Eine GbR, die Eigentümerin des bebauten Grundstücks ist, vermietet dieses zum Betrieb eines Übergangswohnheims für Asylbewerber für eine Laufzeit von fünf Jahren an eine KG zu einem festen monatlichen Mietpreis. Die KG hat ihrerseits einen Mietvertrag für eine Laufzeit von fünf Jahren mit einem Landkreis zur Unterbringung von Asylbewerbern abgeschlossen. Die KG erbringt folgende Leistungen: Vermietung der Räumlichkeiten an den Landkreis, Mitvermietung der Erstausstattung (Möblierung der Wohnräume, Kissen, Decken), Versorgung des Objekts mit Strom und Warmwasser, Hausmeisterservice, Reinigung des Gebäudes mit Ausnahme der Wohnräume der Asylbewerber, Bedienung der Waschmaschinen sowie Reinigung der Bettwäsche durch ein Reinigungsunternehmen.
Die (langfristige) Vermietung der Räumlichkeit der GbR an die KG und der KG an den Landkreis ist steuerfrei nach § 4 Nr. 12a UStG. Bei der Versorgung mit Strom und Wasser, dem Hausmeisterservice, der Beheizung des Objekts sowie der Reinigung der Räume handelt es sich um Nebenleistungen zur steuerfreien Vermietungsleistung der KG (Abschnitt 4.12.1 Absatz 5 UStAE). Das gilt auch für die Mitvermietung der Erstausstattung (vgl. ).
Bei der Bedienung der Waschmaschinen und Reinigung der Bettwäsche durch ein Reinigungsunternehmen liegen sonstige selbständige Leistungen vor, die mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sind. Der Mietpreis ist entsprechend aufzuteilen.
Hinsichtlich der Beurteilung der Grundstücksüberlassung sind zudem die Grundsätze zur Abgrenzung zwischen einer steuerfreien Grundstücksvermietung und einem nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtigen Beherbergungsumsatz zu beachten (vgl. hierzu Abschnitt 4.12.9 UStAE).
OFD Niedersachsen v. - S 7168 - 24 - St 173
Fundstelle(n):
UR 2016 S. 809 Nr. 20
UStB 2016 S. 241 Nr. 8
VAAAF-76742