WP Praxis Nr. 7 vom Seite 1

Grau is alle Theorie ...

Dipl.-Kfm. Christian Rohde, StB | Verantw. Redakteur | wp-redaktion@nwb.de

... entscheidend is auf'm Platz

Selbst wer heute mit dem Namen „Adi“ Preißler nichts mehr anfangen kann, dürfte diesen legendären Ausspruch kennen, der mal wieder ganz aktuell ist. Theoretisch hat Bastian Schweinsteiger 2016 in England fast gar nicht gespielt. Theoretisch müssten ihm verletzungsbedingt Form und Frische fehlen. Theoretisch hätten wohl viele der über 80 Millionen Hobby-Bundestrainer einen anderen Spieler für die EM nominiert. Und praktisch? Da feiert Fußball-Deutschland Schweinsteigers Comeback nach seinem erfolgreichen Kurzeinsatz gegen die Ukraine.

Theoretisch ist die EU-Kommission im Oktober 2010 mit dem Grünbuch „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“ angetreten, um mit einer großen Reform die Qualität der Abschlussprüfung zu verbessern und die Aussagekraft der Prüfungsergebnisse zu steigern. Außerdem sollte der Markt der Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, den sich im Wesentlichen die Big 4-Gesellschaften teilen, für kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geöffnet werden. Die Reform der Abschlussprüfung ist nun abgeschlossen. Seit dem gelten die neuen Regelungen des AReG und des APAReG, mit denen die EU-Reform in Deutschland umgesetzt wird.

Die Auswirkungen der Reform werden sich erst in der Praxis zeigen. Durch die Ausweitung der Definition des Unternehmens von öffentlichem Interesse (PIE) sind künftig über 500 Kreditinstitute und Versicherungen erstmals als PIE zu klassifizieren. Nach Auskunft der WPK erhöht sich die Zahl der WP-Praxen mit PIE-Mandaten damit c. p. von 65 auf 87. Ob sich der Markt für PIE-Abschlussprüfungen aber nachhaltig verändert oder nicht eher eine weitere Marktkonzentration folgen wird, bleibt offen. Auch bleiben einige Vorschriften im Detail unklar. So gelten im Hinblick auf die Rotationsfristen unterschiedliche Höchstlaufzeiten für Kreditinstitute und Versicherungen (10 Jahre) und sonstige PIEs (Verlängerungsmöglichkeit auf 20 bzw. 24 Jahre). Ich möchte hier keine Grundsatzdiskussion über den Sinn und Zweck einer externen Rotation führen, da dies den Rahmen eines Editorials bei Weitem sprengen würde. Aber: Glaubt man generell an eine positive Wirkung der externen Rotation, wäre das Mitgliedstaatenwahlrecht zur Verlängerung der Mandatslaufzeit per se abzulehnen. Sieht man dagegen vorrangig die Gefahr, dass die Prüfungsqualität infolge des Prüferwechsels negativ beeinflusst werden könnte, hätte die Bundesregierung allen Unternehmen die längstmöglichen Fristen zugestehen sollen. Für eine Ungleichbehandlung von Banken und Versicherungen und sonstigen PIEs gibt es m. E. keinen Grund. Zusätzlich ergeben sich durch die nun geltenden Regelungen Probleme in Konzernen mit einer Muttergesellschaft in der Realwirtschaft und einer Bank als Tochter. Automobilhersteller sind beispielsweise davon betroffen. Innerhalb solcher Konzerne gelten künftig uneinheitliche Rotationsfristen.

Was die Abschlussprüferreform tatsächlich bringt, wird die Praxis in den nächsten Jahren zeigen. Kann die Prüfungsqualität gesteigert werden und wird sich der Markt für Prüfungsleistungen signifikant verändern? Schaun mer mal...

Beste Grüße

Christian Rohde

Fundstelle(n):
WP Praxis 7/2016 Seite 1
NWB EAAAF-75647