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Gesetzliche Erbfolge
I. Definition der gesetzlichen Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge gelangt zur Anwendung, wenn nicht die vorrangige gewillkürte Erbfolge eingreift, d. h. der Erblasser kein Testament hinterlassen oder Erbvertrag abgeschlossen hat. Als gesetzliche Erben kommen Verwandte des Erblassers, dessen Ehegatte bzw. gleichgeschlechtlicher Lebenspartner i. S. des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder der Staat in Betracht.
II. Gesetzliches Erbrecht von Verwandten
Ein Verwandter des Erblassers ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist (sog. Parentelsystem, § 1930 BGB). Wer in der ersten, der zweiten oder der dritten Ordnung verschiedenen Stämmen angehört, erhält den in jedem dieser Stämme ihm zufallenden Anteil (§ 1927 Satz 1 BGB). Jeder Anteil gilt als besonderer Erbteil, § 1927 Satz 2 BGB (z. B. Geschwisterkinder).
1. Gesetzliche Erben erster Ordnung
Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, § 1924 Abs. 1 BGB (z. B. Kinder, Enkel, Urenkel des Erblassers). Innerhalb der ersten Ordnung gilt die Erbfolge nach Stämmen (§ 1924 Abs. 3 BGB). Jedes Kind des Erblassers bildet einen Stamm und das Vermögen des Erblassers wird durch die Anzahl seiner Kinder geteilt (§ 1924 Abs. 4 BGB). Innerhalb dieser Stämme gilt das sog. Repräsentationsprinzip (§ 1924 Abs. 2 BGB). Danach schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Lebt ein Abkömmling zur Zeit des Erbfalls nicht mehr, so treten die durch ihn mit dem Erblasser Verwandten Abkömmlinge an dessen Stelle (§ 1924 Abs. 3 BGB).
Der alleinstehende Erblasser E hat zwei Söhne (A und B). Letztere haben selbst jeweils zwei Kinder. B ist allerdings bereits vor seinem Vater verstorben. Aufgrund der beiden Söhne existieren vorliegend zwei Stämme, so dass das Vermögen des E zu teilen ist, § 1924 Abs. 4 BGB. An sich würden also A und B jeweils die Hälfte des Vermögens ihres verstorbenen Vaters erben. A schließt insoweit seine Kinder von der Erbfolge aus (§ 1924 Abs. 2 BGB). Da B im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr lebte, treten seine Kinder an dessen Stelle (§ 1924 Abs. 3 BGB). Im Ergebnis erbt A also die Hälfte des Vermögens seines verstorbenen Vaters und die Kinder des B jeweils ein Viertel des Vermögens ihres verstorbenen Großvaters.
2. Gesetzliche Erben zweiter Ordnung
Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 1925 Abs. 1 BGB (z. B. Geschwister des Erblassers und deren Kinder, d. h. Nichten und Neffen des Erblassers). Leben zur Zeit des Erbfalls die Eltern, so erben sie allein und zu gleichen Teilen, d. h. jeder Elternteil erbt die Hälfte des Vermögens des verstorbenen Kindes (§ 1925 Abs. 2 BGB). Lebt zur Zeit des Erbfalls der Vater oder die Mutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge nach den für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, so erbt der überlebende Elternteil allein (§ 1925 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Der alleinstehende und kinderlose E ist gestorben. Von seinen Verwandten leben noch seine Mutter M, sein Bruder B und dessen Tochter T sowie der Sohn S seiner verstorbenen Schwester. Lebten zur Zeit des Erbfalls beide Elternteile noch, so würden sie allein und jeweils zur Hälfte das Vermögen ihres Sohnes erben, § 1925 Abs. 2 BGB. Da der Vater des E allerdings im Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben war, treten seine Abkömmlinge an dessen Stelle (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dies sind der B, der wiederum seine Tochter T von der Erbfolge ausschließt (§§ 1925 Abs. 3 Satz 1, 1924 Abs. 2 BGB), und der S, der an die Stelle der verstorbenen Schwester des E getreten ist (§§ 1925 Abs. 3 Satz 1, 1924 Abs. 3 BGB). Im Ergebnis erbt also M die Hälfte des Vermögens ihres verstorbenen Sohnes und der B sowie der S jeweils ein Viertel des Vermögens ihres verstorbenen Bruders bzw. Onkels.
3. Gesetzliche Erben dritter Ordnung
Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 1926 Abs. 1 BGB (z. B. Tanten und Onkel des Erblassers sowie deren Kinder, d. h. Cousinen und Cousins des Erblassers). Leben zur Zeit des Erbfalls die Großeltern, so erben sie allein und zu gleichen Teilen, d. h. jeder Großelternteil erbt ein Viertel des Vermögens des verstorbenen Enkels (§ 1926 Abs. 2 BGB). Lebt zur Zeit des Erbfalls von einem Großelternpaar der Großvater oder die Großmutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge (§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB). Sind solche nicht vorhanden, so fällt der Anteil des Verstorbenen dem anderen Teil des Großelternpaars und, wenn dieser nicht mehr lebt, dessen Abkömmlingen zu (§ 1926 Abs. 3 Satz 2 BGB). Lebt zur Zeit des Erbfalls ein Großelternpaar nicht mehr und sind Abkömmlinge der Verstorbenen nicht vorhanden, so erben die anderen Großeltern oder ihre Abkömmlinge allein (§ 1926 Abs. 4 BGB). Soweit Abkömmlinge an die Stelle ihrer Eltern oder Voreltern treten, finden die für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften Anwendung (§ 1926 Abs. 5 BGB).
Der alleinstehende und kinderlose E ist gestorben. Von seinen Verwandten leben noch ein Großvater väterlicherseits und eine Schwester seiner Mutter. Lebten zur Zeit des Erbfalls die Großeltern noch, so würden sie allein und jeweils zu 1/4 das Vermögen ihres verstorbenen Enkels erben, § 1926 Abs. 2 BGB. Der 1/4-Anteil der Großmutter väterlicherseits fällt, da Abkömmlinge der vorverstorbenen Großmutter nicht vorhanden sind (§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB), an den noch lebenden Großvater väterlicherseits, so dass dieser im Ergebnis die Hälfte des Vermögens seines Enkels erbt (§ 1926 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der 1/4-Anteil des Großvaters und der Großmutter mütterlicherseits fällt jeweils an deren Tochter (§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB). Im Ergebnis erben also der Großvater väterlicherseits und die Tante des Erblassers jeweils die Hälfte des Vermögens ihres verstorbenen Enkels bzw. Neffen.