BSG Beschluss v. - B 12 KR 38/14 B

Instanzenzug: S 16 KR 85/08

Gründe:

1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Erstattung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit, die seine Arbeitgeberin, die Beigeladene zu 2., auf die zu seinen (des Klägers) Gunsten an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) entrichteten Umlagen an die beklagte Krankenkasse in deren Funktion als Einzugsstelle abgeführt hat. Insbesondere wendet er sich gegen die Berücksichtigung des sog Hinzurechnungsbetrags nach § 1 Abs 1 S 3 und 4 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) bzw für Zeiträume vor dem nach § 2 Abs 1 S 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV.

2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom auf alle drei Zulassungsgründe, jedoch vorrangig auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

51. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch ). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6Der Kläger formuliert auf Seite 8 f seiner ausführlichen und sorgfältig ausgearbeiteten Beschwerdebegründung die Frage,

"ob die Zahlungen des Arbeitgebers an die VBL das sozialversicherungspflichtige Entgelt erhöhen und nach § 1 Abs. 1 S. 3 und 4 SvEV hinzugerechnet werden dürfen".

7Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht den diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.

8Zwar erläutert der Kläger im Anschluss an die formulierte Frage, dass diese ein Vielzahl von Arbeitnehmern ua im öffentlichen und kirchlichen Dienst betreffe und ohne eine Revisionsentscheidung des BSG divergierende Entscheidungen der Instanzgerichte und Verwaltung zu befürchten seien. Zugleich weist er an anderer Stelle darauf hin, dass auch der GKV-Spitzenverband sowie der Verband der Ersatzkassen e.V. eine Musterentscheidung für notwendig hielten, zumal vor Instanzgerichten mindestens 241 Klageverfahren anhängig und häufig unter Hinweis auf das vorliegende Verfahren ruhend gestellt worden seien. Sodann legt der Kläger auf den Seiten 10 bis 21 der Beschwerdebegründung ausführlich dar, dass das BSG bereits mit Urteil vom (12 RK 6/84 - BSGE 62, 54 = SozR 2100 § 17 Nr 5) über die Frage der Beitragsplicht "von Zahlungen an eine umlagefinanzierte ZVK" (Zusatzversorgungskasse) entschieden habe, sich seither die Rechtslage aber durch Änderung der einschlägigen steuerrechtlichen wie beitragsrechtlichen Normen grundlegend geändert habe. Zugleich habe sich auch die Sachlage gegenüber dem Urteil vom entscheidungserheblich geändert, weil die Versorgungsansprüche aus der VBL zum von einer am zuletzt bezogenen Entgelt ausgerichteten Gesamtversorgung auf ein kapitalgedeckten Verfahren ähnliches Punktemodell umgestellt worden seien, sodass sich die Höhe der Versorgung seither im Wesentlichen nach den für einen Arbeitnehmer eingezahlten Umlagen bestimme.

9Damit hat der Kläger jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage jedoch nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügenden Weise dargelegt. Insoweit versäumt er es herauszuarbeiten, wieso sich die Antwort auf diese Frage nicht bereits aus den einschlägigen Regelungen des SGB IV, des Einkommensteuergesetz sowie der SvEV bzw der ArEV ergibt. Denn auch eine Rechtsfrage, zu der noch keine direkt einschlägige Entscheidung des BSG vorliegt, ist nicht klärungsbedürftig, wenn sich ihre Beantwortung ohne Weiteres aus dem Gesetz oder zwingenden untergesetzlichen Regelungen ergibt. Dass die Beklagte und Instanzgerichte diese Regelungen zutreffend angewandt haben, wird vom Kläger ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr hält er, wie sich aus verschiedenen Stellen seiner Begründung ergibt, insbesondere die Regelungen über den Hinzurechnungsbetrag in § 1 Abs 1 S 3 und 4 SvEV bzw § 2 Abs 1 S 1 ArEV für mit höherrangigem Recht, in erster Linie dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG, für unvereinbar. Deshalb hätte es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit - wie oben bereits angesprochen - ua einer eingehenden Darstellung bedurft, woraus sich, gemessen an den in der Rechtsprechung des BVerfG und BSG zu Art 3 Abs 1 GG entwickelten Maßstäben, ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ergeben soll. Dies versäumt der Kläger, indem er in seiner Begründung weder diese Maßstäbe darstellt, noch die hiermit für unvereinbar gehaltenen Regelungen konkret an diesen Maßstäben misst. Allein die - im Ergebnis ablehnende - Erörterung einer möglichen Rechtfertigung genügt insoweit nicht; vielmehr bedarf es zuvor jedenfalls auch einer Vergleichsgruppenbildung und Darlegung, worin genau die an Art 3 Abs 1 GG zu messende Ungleichbehandlung gesehen wird.

102. Soweit der Kläger zur Begründung der Beschwerde auf den Seiten 22 bis 24 der Beschwerdebegründung eine Abweichung des LSG vom - NJW 1964, 1411) und vom - BVerfGE 105, 73 = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176) geltend macht, legt er auch den Zulassungsgrund der Divergenz nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechend dar.

11Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG oder BVerfG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage dieser Gerichte entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die angegriffene Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

12Schon in diesem Sinne einander widersprechende abstrakte Rechtssätze zeigt der Kläger nicht in der gebotenen Weise auf. Vielmehr macht er geltend, dass LSG habe die Vorgaben aus dem zum Willkürverbot nicht beachtet und das angefochtene Urteil lasse sich mit den Vorgaben zur gleichmäßigen Besteuerung von Alterseinkünften aus dem nicht in Einklang bringen. Damit rügt der Kläger jedoch nur eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG. Auf die daraus ggf folgende inhaltliche Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils kann jedoch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision - wie oben bereits aufgezeigt - nicht zulässig gestützt werden.

133. Abschließend beruft sich der Kläger auf den Seiten 24 bis 28 seiner Begründung auch auf einen Verfahrensfehler (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG): Das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, indem es vier von ihm auf Seite 24 f der Begründung einzeln benannte und im folgenden rechtlich erörterte Kernfragen in der Urteilsbegründung vollkommen ausgeblendet habe. Insoweit hätte in der Beschwerdebegründung jedoch nicht nur konkret dargelegt werden müssen, welchen Vortrag genau das LSG vermeintlich übergangen hat, sondern auch dass dieser Vortrag bis zur Entscheidung des LSG aufrechterhalten worden ist. Hieran fehlt es. Zugleich hätte näher darlegt werden müssen, aus welchen Umständen sich ergibt, dass das LSG diese Argumente nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Denn der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung zu befassen (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 98, 218, 263). Daher kann ein Verfahrensmangel nicht angenommen werden, wenn Ausführungen der Beteiligten in der Entscheidungsbegründung unerwähnt bleiben, die nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich sind. Insofern hätte der Kläger konkret darlegen müssen, dass es auch auf Grundlage der Rechtsauffassung des LSG auf die benannten Fragen entscheidungserheblich ankam, sodass das Gericht hierauf hätte eingehen müssen, hätte es das Vorbringen wirklich zur Kenntnis genommen. Statt dessen geht der Kläger bei seinen diesbezüglichen Darlegungen ausschließlich von der eigenen Rechtsauffassung aus. Damit rügt er im Kern aber wiederum allein die inhaltliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann - wie bereits erörtert - die Beschwerde nicht gestützt werden.

144. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

155. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
BAAAF-69476