OFD Frankfurt/M. - S 2134 A - 15 - St 210

Ertragsteuerliche Fragen bei Wertpapierdarlehensgeschäften (sog. Wertpapierleihe)

Der Bundesminister der Finanzen hat auf eine Anfrage des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. zur ertragsteuerlichen Behandlung von sog. Wertpapierleihgeschäften Folgendes mitgeteilt:

Bei einem Wertpapierleihgeschäft werden Wertpapiere mit der Verpflichtung übereignet, dass der „Entleiher” nach Ablauf der vereinbarten Zeit Papiere gleicher Art, Güte und Menge zurückübereignet und für die Dauer der „Leihe” ein Entgelt entrichtet. Nach ihrer Darstellung gehören die hingegebenen und die zurückzugebenden Wertpapiere derselben Wertpapiergattung an: Bei festverzinslichen Wertpapieren sind dies Wertpapiere einer Emission, sie haben also die gleiche Ausstattung (Gleiches Ausgabedatum, gleicher Nennbetrag, gleiche Laufzeit und Verzinsung); bei Aktien sind Emittent und Art der Aktie (z. B. Inhaberaktie, Vorzugsaktie) identisch. Dabei könne davon ausgegangen werden, dass die Laufzeit der Darlehen sehr kurz sein werde und das Entgelt am Geldmarktzins ausgerichtet sei.

Zivilrechtlich liegt diesem Geschäft unstreitig ein Vertrag über ein Sachdarlehen zugrunde, §§ 607 ff. BGB. Nach § 607 BGB können Gegenstand eines Darlehens Geld oder andere vertretbare Sachen sein. Zu den vertretbaren Sachen gehören grundsätzlich auch Wertpapiere.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist ein Wertpapierleihgeschäft bilanzsteuerrechtlich von einem echten Wertpapierpensionsgeschäft (§ 340b HGB) zu unterscheiden. Bei einem echten Wertpapierpensionsgeschäft werden Wertpapiere entgeltlich mit der Verpflichtung übertragen, dass der Erwerber (Pensionsnehmer) die Wertpapiere zu einem bestimmten oder vom Veräußerer (Pensionsgeber) noch zu bestimmenden Zeitpunkt auf ihn zurücküberträgt. In diesem Fall sind die übertragenen Wertpapiere ununterbrochen in der Bilanz des Pensionsgebers auszuweisen.

Für Wertpapierleihgeschäfte ist keine besondere handelsrechtliche Regelung vorgesehen, so dass die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gelten. Danach hat der Kaufmann seine Vermögensgegenstände und seine Schulden in der Bilanz auszuweisen. Bilanzsteuerrechtlich ist ein Wertpapierleihgeschäft deshalb wie folgt zu behandeln:

Mit der zivilrechtlichen Übertragung des Eigentums ist die Darlehensvaluta auch steuerlich dem Darlehensnehmer („Entleiher”) zuzurechnen, da er auch im wirtschaftlichen Sinne Eigentümer ist. Eine Zurechnung beim Darlehensgeber ist demgemäß ausgeschlossen. Durch diese Behandlung wird auch vermieden, dass bei einer anschließenden Übereignung der Wertpapiere durch den Darlehensnehmer an einen Dritten die Wertpapiere doppelt – nämlich sowohl beim Darlehensgeber als auch bei dem Dritten – erfasst werden. Bei dem Darlehensgeber tritt an die Stelle der Wertpapiere eine Forderung auf Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge. Die Sachforderung ist das Surrogat für die Sache selbst. Unter diesem Blickwinkel ist die Sachforderung mit dem Buchwert der hingegebenen Wertpapiere anzusetzen. Eine Gewinnrealisierung aufgrund der ggf. in den Wertpapieren enthaltenen stillen Reserven (z. B. durch Kurssteigerungen) tritt durch diesen Aktivtausch nicht ein.

Mit hat der BFH – abweichend vom vorstehenden Grundsatz – entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien ausnahmsweise beim Verleiher verbleibt, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte. Auf Bund-Länder-Ebene sind noch die konkreten steuerrechtlichen Auswirkungen der Urteilsgrundsätze zu klären.

Vor diesem Hintergrund ist die Bearbeitung von Einzelfällen, in denen Wertpapierleih- und/oder Kassageschäfte abgeschlossen wurden, bis zum Abschluss der Erörterungen zunächst zurückzustellen.

OFD Frankfurt/M. v. - S 2134 A - 15 - St 210

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
AAAAF-68555