BGH Urteil v. - VIII ZR 69/15

Mieterhöhungsverlangen für Wohnraum: Anforderungen an die Begründung mit einem beigefügten Sachverständigengutachten

Leitsatz

Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (Bestätigung der , NJW 2008, 573 Rn. 12; vom , VIII ZR 122/09, NZM 2010, 576 Rn. 10). Etwaige kleinere Mängel des Gutachtens führen nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus formellen Gründen.

Gesetze: § 558a Abs 2 Nr 3 BGB

Instanzenzug: LG Gießen Az: 1 S 246/14vorgehend AG Friedberg (Hessen) Az: 2 C 345/14 (24)

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung um monatlich 62,24 € ab dem für die von ihm bewohnte Wohnung in B.  N.     in Anspruch. Die 75,98 qm große Dreizimmerwohnung gehört zu einer aus vier mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern bestehenden Wohnanlage, die Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts errichtet wurde.

2Das Mieterhöhungsbegehren vom nimmt zur Begründung auf ein beigefügtes Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen W.   vom Bezug, das in der Art eines "Typengutachtens" Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die dortigen Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen enthält.

3Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

6Das Mieterhöhungsverlangen sei unzulässig, weil es auf ein unzureichendes Gutachten gestützt sei. Zwar seien an ein Gutachten, das zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens beigefügt werde, keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Insoweit sei in dem Gutachten auf Seite 7 zwar ausgeführt, dass für den Wert der ortsüblichen Vergleichsmiete sowohl der Markt bei Neu- und Wiedervermietung als auch die Mietpreise der länger bestehenden Mietverhältnisse zu berücksichtigen seien. Auch habe die Sachverständige in ihrem Typengutachten die Wohnungen der Wohnanlage nach Größe und Ausstattung typisiert und die ortsübliche Vergleichsmiete für jeden Wohnungstyp gesondert ermittelt und die jeweils besichtigte Musterwohnung so genau beschrieben, dass der Mieter erkennen könne, ob sie der Ausstattung der eigenen Wohnung entspreche. Für den Beklagten sei es anhand der ermittelten Vergleichsmiete unschwer festzustellen, welchem Wohnungstyp die Klägerin die Wohnung des Beklagten zugeordnet habe.

7Das Gutachten sei aber deshalb unzureichend, weil es keine Ausführungen dazu enthalte, wie sich die Mieten in den letzten vier Jahren entwickelt hätten. Dies sei indes erforderlich, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe. Zudem lasse das Gutachten nicht erkennen, für welchen Zeitpunkt die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt worden sei.

II.

8Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung (§ 558 BGB) nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die (hohen) Anforderungen, die an ein im Prozess zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten als Beweismittel zu stellen sind, nicht bereits für die (formelle) Begründung des Mieterhöhungsbegehrens durch Beifügung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten.

91. Das unter Bezugnahme auf das Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen W.   erfolgte Mieterhöhungsverlangen vom entspricht den Anforderungen des § 558a Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB.

10a) Mit der nach § 558a BGB erforderlichen Begründung des Mieterhöhungsverlangens sollen dem Mieter im Interesse einer außergerichtlichen Einigung die Tatsachen mitgeteilt werden, die er zur Prüfung einer vom Vermieter nach § 558 BGB begehrten Mieterhöhung benötigt (, NZM 2010, 576 Rn. 10; vom - VIII ZR 74/08, NJW 2009, 1667 Rn. 8; vom - VIII ZR 331/06, NZM 2008, 124 Rn. 18; vom - VIII ZR 212/05, NJW-RR 2006, 1305 Rn. 17). Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Begründungspflicht grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können (, NJW 2008, 573 Rn. 12; vom - VIII ZR 122/09, aaO). Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (BVerfG, WuM 1986, 239; NJW 1987, 313 f.; Senatsurteil vom - VIII ZR 122/09, aaO).

11b) Den vorbeschriebenen Anforderungen wird das hier beigefügte Gutachten gerecht, denn es enthält, wie die Revision zutreffend unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Berufungsgerichts geltend macht, die insoweit erforderlichen Angaben. Das Gutachten ist auch, wie sich aus den vom Berufungsgericht wiedergegebenen Ausführungen auf Seite 7 des Gutachtens ergibt, von einem zutreffenden Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgegangen. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, muss ein Gutachten, das gemäß § 558a BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens beigefügt wird, keine Darstellung über die Entwicklung der Mieten in den letzten vier Jahren enthalten. Zu Recht verweist die Revision darauf, dass auch bei den weiteren Begründungsmitteln, die § 558a BGB gleichberechtigt nebeneinander stellt, derartige Anforderungen nicht bestehen. Besonders deutlich wird das durch die Regelung des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB, wonach die Benennung von drei Vergleichswohnungen ausreicht. Die Begründung des Mieterhöhungsverlangens dient nicht dazu, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen oder dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen. Vielmehr soll das Begründungserfordernis den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 216/13, NZM 2014, 747 Rn. 1 mwN; vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 79/11, NZM 2012, 415 Rn. 14). Diesen Anforderungen wird das streitige Mieterhöhungsbegehren, wie ausgeführt, gerecht.

12Dass das am erstellte Typengutachten keinen ausdrücklichen Zeitpunkt bezeichnet, für den die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt wurde, ist ebenfalls unschädlich. Denn es liegt auf der Hand, dass es sich um eine aktuelle Ermittlung handelt.

132. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

14a) Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung, dass die Sachverständige nicht nur - wie vom Berufungsgericht beanstandet - versäumt habe, die Entwicklung der Mieten in den letzten vier Jahren darzustellen, sondern dass sie - was das Berufungsgericht verkannt habe - überhaupt nur Neuvertragsmieten berücksichtigt habe. Zum einen ergibt sich die von der Revisionserwiderung gezogene Schlussfolgerung nicht aus dem von ihr herangezogenen Umstand, dass die Sachverständige eine Recherche von Wohnungsangeboten im Internet erwähnt und in ihrem Gutachten - unter anderem - ausführt, es sei auch die im oberen Bereich zu erzielende Miete zu berücksichtigen, die die Klägerin bei einer Neuvermietung von Wohnungen aus den 70er Jahren erziele. Denn daneben hat die Sachverständige beispielsweise Nachfragen bei Wohnungsbaugesellschaften erwähnt, in deren Bestand vergleichbare Wohnungen vorhanden seien und zudem auf Seite 7 ihres Gutachtens explizit ausgeführt, dass auch die Mietpreise länger bestehender Mietverhältnisse zu berücksichtigen seien. Davon abgesehen wäre ein etwaiger Mangel des Gutachtens, nicht oder nicht im angemessenen Umfang auch Bestandsmieten berücksichtigt zu haben, nicht so gravierend, dass dies seiner Verwendung als Begründungsmittel des § 558a BGB entgegenstünde oder zur Unwirksamkeit eines hierauf gestützten Mieterhöhungsverlangens führte.

15b) Entgegen der weiteren Gegenrüge der Revisionserwiderung ist das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht deshalb unwirksam, weil das zur Begründung beigefügte Sachverständigengutachten weder die besichtigte Musterwohnung gleichen Typs noch die für das Gutachten herangezogenen Vergleichswohnungen in der Weise identifizierbar angegeben hat, dass der Mieter diese Wohnungen besichtigen und die Angaben der Sachverständigen im Detail hätte überprüfen können. Wie bereits ausgeführt, genügt es bei einer Begründung des Mieterhöhungsverlangens nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, dass ein öffentlich bestellter Sachverständiger in einem mit Gründen versehenen Gutachten Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete macht und die streitige Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnet. Derartige konkrete Angaben ermöglichen es dem Mieter, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise zu überprüfen und so die Entscheidung zu treffen, ob er der begehrten Mieterhöhung zustimmen oder den Vermieter auf einen Prozess verweisen will.

III.

16Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dr. Milger                              Dr. Hessel                             Dr. Achilles

                   Dr. Schneider                            Dr. Bünger

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:030216UVIIIZR69.15.0

Fundstelle(n):
NJW 2016 S. 1385 Nr. 19
NJW 2016 S. 8 Nr. 16
EAAAF-68370