BGH Beschluss v. - 2 ARs 434/14

Gründe

1Der 5. Strafsenat hat in dem Verfahren 5 StR 107/14 über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden, der vom Landgericht wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden ist. Zugrunde liegt ein Fall, in dem der Angeklagte Kräutermischungen aus getrocknetem Pflanzenmaterial in Verkehr gebracht hat, denen verschiedene, dem Betäubungsmittelgesetz zum damaligen Zeitpunkt weitgehend noch nicht unterliegende synthetische Cannabinoide zugesetzt waren. Einen therapeutischen oder medizinisch-prophylaktischen Nutzen für die Gesundheit der Konsumenten hatten die Kräutermischungen nicht.

2Der 5. Strafsenat ist der Auffassung, die vom Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen könnten im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in dessen Urteil vom – C-358/13 und C-181/14 (NStZ 2014, 461) nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG angesehen werden. Deshalb könne der Schuldspruch keinen Bestand haben. Er meint aber, soweit nicht das Betäubungsmittelgesetz Anwendung finde, sei das Inverkehrbringen der Kräutermischungen als Vergehen gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG anzusehen. Es handele sich bei den Kräutermischungen um den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren; denn diese seien zum Rauchen bestimmt. Der Vorgang sei dem Rauchen von Zigaretten ähnlich, ohne dass es darauf ankomme, ob die verwendeten Stoffe mit Tabakerzeugnissen verwechselbar seien. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG komme es nicht darauf an, dass der Konsument zusätzlich zum Erlebnis des Rauchens eine Rauschwirkung erzielen wolle. Der Normzweck des Gesundheitsschutzes gebiete die Einbeziehung der Kräutermischungen in den Begriff der tabakähnlichen Erzeugnisse im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG. Nur Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes seien vorrangig nach Betäubungsmittelrecht zu beurteilen und deshalb nicht dem Tabakrecht unterworfen.

3Der 5. Strafsenat fragt an, ob Rechtsprechung des Senats, insbesondere dessen Beschluss vom – 2 StR 22/13, entgegensteht. Dies ist nicht der Fall; vorsorglich gibt der Senat entgegenstehende Rechtsprechung auf.

4Der Senat stimmt mit dem 5. Strafsenat darin überein, dass der Begriff des Funktionsarzneimittels auch voraussetzt, dass das Mittel – unbeschadet eventueller gesundheitsschädlicher Nebenfolgen – jedenfalls unter anderem auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit hat oder haben soll.

5Zu den Funktionsarzneimitteln zählen alle Stoffe und Stoffzubereitungen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AMG). Das Produkt muss die Körperfunktionen nachweisbar und in nennenswerter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können, wobei auf dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch abzustellen ist. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom - C-358/13 und C-181/14 – (NStZ 2014, 461 ff.) sind aber solche Stoffe oder Stoffzusammensetzungen keine Funktionsarzneimittel, deren Wirkung sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränkt, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.

6Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. , 26/13, 27/13, NVwZ 2015, 425 ff., 749 ff., PharmR 2015, 252, 257 ff.) und derjenigen des Senats (Urteil vom - 2 StR 525/13).

7Dementsprechend hat der Senat durch seinen Beschluss vom - 2 StR 22/13 - auf einen nach dem Vorabentscheidungsverfahren geänderten Antrag des Generalbundesanwalts die Verurteilung eines Angeklagten gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG aufgehoben. In einer Reihe von Fällen, in denen der Angeklagte jenes Verfahrens weder nach dem Arzneimittelgesetz noch nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt werden konnte, hat es ihn freigesprochen.

8Über die weitere Frage, ob eine Verurteilung nach § 52 VTabakG in Betracht kommt, hat der Senat dort nicht ausdrücklich entschieden. Diese Frage wurde in jenem Fall weder vom Landgericht noch von der Revision, dem Generalbundesanwalt oder dem Senat ausdrücklich thematisiert.

9Zugrunde lag folgende Feststellung des Tatgerichts: „Auf den Päckchen befand sich der Hinweis, dass die Kräutermischung nicht zum menschlichen Konsum, sondern nur zum Verräuchern bestimmt sei. Allerdings wusste der Angeklagte, dass seine Kunden die Kräutermischungen zum Rauchen in Form von Joints oder mittels Wasserpfeife erwarben. Ein Verräuchern im Sinne einer Raumerfrischung war eine völlig zu vernachlässigende Verwendungsweise.“

10Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG stehen den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren den Tabakerzeugnissen gleich, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind. Welche Anforderungen an die Eigenschaften von tabakähnlichen Waren oder deren Zweckbestimmung zu stellen sind (einschränkend , NStZ-RR 2015, 142, 143 f.), hat der Senat in seinem Beschluss vom - 2 StR 22/13 - nicht entschieden. Soweit damit angedeutet sein könnte, dass die §§ 3 Abs. 2, 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG auf ein Rauchen von Kräutermischungen nicht anwendbar seien, würde der Senat mehrheitlich daran nicht festhalten wollen.

Fischer                   Eschelbach                        Ott

                Zeng                            Bartel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2015:231215B2ARS434.14.0

Fundstelle(n):
WAAAF-66611