BAG Urteil v. - 9 AZR 547/14

Betriebliche Übung - Jubiläumsurlaub - Änderung der Jubiläumsleistung nach dem BAT-KF

Gesetze: § 133 BGB, § 157 BGB, § 151 BGB, § 39 BAT-KF, § 22 BAT-KF

Instanzenzug: ArbG Herne Az: 1 Ca 741/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 16 Sa 288/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin zusätzlich zu ihrem Anspruch auf Jubiläumsurlaub aus § 22 BAT-KF nF anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums aufgrund einer betrieblichen Übung vier Tage Sonderurlaub zustehen.

2Die Beklagte ist eine evangelische Krankenhausgemeinschaft. Sie bildete die Klägerin vom bis zum aus und beschäftigt diese seit dem als Krankenschwester. Im Arbeitsvertrag ist ua. vereinbart, dass „die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF)“ sowie „die sonstigen für die Angestellten … im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen“ gelten, „wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts-Regelungsgesetz - ARRG) vom … und seinen Änderungen und Ergänzungen geregelt sind und werden“.

3Der bis zum geltende § 39 BAT-KF aF hatte ua. folgenden Inhalt:

4Jedenfalls seit 1985 gewährte die Beklagte ihren Mitarbeitern anlässlich des 25-jährigen Dienstjubiläums zusätzlich zur Jubiläumszuwendung nach § 39 BAT-KF aF iHv. 310,00 Euro vier Tage Sonderurlaub.

5Mit Wirkung zum wurde der BAT-KF neu gefasst (BAT-KF nF). Dessen § 22 hat folgenden Wortlaut:

6§ 9 der Arbeitsrechtsregelung zu Übergangsregelungen im Zuge der Neufassung des BAT-KF und MTArb-KF lautet:

7Im Jahre 2008 fanden zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung Verhandlungen wegen der Jubiläumsleistungen statt. Diese endeten im Schlichtungsverfahren nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen am auf Vorschlag der Schlichtungsstelle mit einem Vergleich. Bei einem Dienstjubiläum von 25 Jahren wurden als Jubiläumsleistungen fünf Tage Sonderurlaub und eine Zuwendung iHv. 75,00 Euro festgelegt.

8Die Klägerin vollendete bei Berücksichtigung der im Ausbildungsverhältnis zurückgelegten Zeit am eine 25-jährige Dienstzeit. Die Beklagte zahlte ihr mit der Vergütung für Oktober 2012 eine Zuwendung iHv. 75,00 Euro brutto. Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin erfolglos vier Tage Sonderurlaub anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums aufgrund der „hauseigenen“ Regelung.

9Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihr vier Tage Sonderurlaub auf ihrem Urlaubskonto gutzuschreiben. Ihr Anspruch auf diesen Sonderurlaub aufgrund betrieblicher Übung bestehe neben ihrem Anspruch aus § 22 BAT-KF nF auf fünf Tage zusätzlichen Urlaub.

10Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom antragsgemäß verurteilt, dem Urlaubskonto der Klägerin Zug um Zug gegen Rückzahlung der von der Beklagten an die Klägerin gezahlten Zuwendung iHv. 75,00 Euro brutto vier Tage Sonderurlaub gutzuschreiben.

11Die Beklagte hat gegen dieses Versäumnisurteil form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Klägerin auf vier Tage Sonderurlaub aus betrieblicher Übung anlässlich ihrer 25-jährigen Dienstzeit sei jedenfalls durch den Anspruch auf zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen nach § 22 BAT-KF nF ersetzt worden.

12Das Arbeitsgericht hat sein Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, dessen Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

13Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Klägerin anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums neben dem zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen nach § 22 BAT-KF nF nicht weitere vier Tage Sonderurlaub aus betrieblicher Übung zustehen.

14I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag bedarf allerdings der Auslegung. Seinem Wortlaut nach verlangt die Klägerin, dass die Beklagte verurteilt wird, ihrem Urlaubskonto Zug um Zug gegen Rückzahlung von 75,00 Euro brutto vier Tage Sonderurlaub gutzuschreiben. Eine solche Leistungsklage kommt freilich nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein Urlaubskonto führt und dieses Konto den Anspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt (vgl. für ein Arbeitszeitkonto  - Rn. 20 mwN). Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Beklagte ein solches Konto zu führen hat. Sie ist hierzu nach dem BUrlG auch nicht verpflichtet ( - Rn. 20). Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums am neben dem zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen nach § 22 BAT-KF nF vier Tage Sonderurlaub zu gewähren (vgl. zu einer ähnlichen Antragstellung bereits  - zu I 1 der Gründe). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für diese Klage liegt vor (vgl.  - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

15II. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin kein Sonderurlaub aus betrieblicher Übung zusteht, weil die Mitarbeiter der Beklagten aus der Gewährung von vier Tagen Sonderurlaub anlässlich des 25-jährigen Dienstjubiläums nicht auf einen Rechtsbindungswillen der Beklagten schließen durften, diesen Sonderurlaub zusätzlich zu einem Urlaub von fünf Tagen nach dem BAT-KF nF zu gewähren. Dabei kann offenbleiben, ob die Feststellung des Inhalts einer betrieblichen Übung der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt (dafür:  - Rn. 18; - 5 AZR 359/10 - Rn. 13; offengelassen von  - Rn. 42). Denn selbst bei vollumfänglicher Überprüfung erweist sich die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Leistungen nebeneinander gewährt werden sollten, als zutreffend.

161. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte ( - Rn. 26; - 5 AZR 954/12 - Rn. 43). Entsprechend ist auch durch Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln, welchen Inhalt der aus betrieblicher Übung erwachsende Anspruch hat (vgl.  - Rn. 13).

172. Für einen derartigen Bindungswillen der Beklagten fehlen Anhaltspunkte. Solche lägen vor, wenn die Beklagte bisher stets - trotz einer Erhöhung der Jubiläumsleistungen nach dem BAT-KF - unverändert an der Gewährung des Sonderurlaubs festgehalten hätte. Die Situation ist vergleichbar mit der Frage, ob der tatsächlichen Erbringung von Leistungen aus einem bestimmten Tarifvertrag der Wille des Arbeitgebers entnommen werden kann, sich auch an zukünftige geänderte Tarifverträge binden zu wollen. Bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber ist anzunehmen, dass eine betriebliche Übung der Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet nur entsteht, wenn es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür gibt, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariferhöhungen übernehmen will ( - Rn. 14 mwN). Die nicht vorhersehbare Dynamik spricht grundsätzlich gegen einen objektiv erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen des Arbeitgebers zur dauerhaften Leistungserbringung unabhängig von der Tarifentwicklung.

183. Der Hinweis der Klägerin auf die unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen gibt kein anderes Ergebnis vor. Ihre Rechtsauffassung, dass der zusätzliche Urlaub nach § 22 BAT-KF nF - im Gegensatz zu dem Sonderurlaub aus betrieblicher Übung - an die Beschäftigungszeit ohne Berücksichtigung der Ausbildungszeit anknüpft, trifft so nicht zu. Nach § 9 Abs. 2 der Arbeitsrechtsregelung zu Übergangsregelungen im Zuge der Neufassung des BAT-KF und MTArb-KF werden für die Anwendung des § 22 BAT-KF nF die bis zum zurückgelegten Zeiten, die nach Maßgabe des BAT-KF aF anerkannte Dienstzeit sind, als Beschäftigungszeit berücksichtigt. Dadurch wird ein Gleichlauf der Berechnung der Dienstzeiten in Bezug auf Jubiläumszuwendungen zwischen dem BAT-KF aF, der die Möglichkeit der Anrechnung von Ausbildungszeiten vorsah, und dem BAT-KF nF erzielt. Da die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den Sonderurlaub in der Vergangenheit stets neben der Zuwendung nach § 39 BAT-KF aF gewährte, ergibt sich denknotwendig ein Gleichlauf.

194. Auf den Vergleich vor der Schlichtungsstelle kann die Klägerin ihren Anspruch auf vier Tage Sonderurlaub nicht stützen. Dieser Vergleich sieht nur die Gewährung eines zusätzlichen Urlaubs von fünf Tagen entsprechend § 22 BAT-KF nF vor.

20III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:171115.U.9AZR547.14.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 499 Nr. 8
NJW 2016 S. 1341 Nr. 18
YAAAF-66538