Änderung der MwStSystRL | Das sog. Seeling-Modell wird zum abgeschafft
Am wurde im Amtsblatt der Europäischen Union die jüngste Richtlinie zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) veröffentlicht. Die Änderungen betreffen u.a. den Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Grundstücken (RL 2009/162/EU).
Mit der Einführung des Art. 168a in die MwStSystRL kann der Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Grundstücken nicht mehr zu 100% gewährt werden. Soweit ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück vom Unternehmer sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit diesem Grundstück höchstens der Teil der Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden, der auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke entfällt. Ändert sich der Verwendungsanteil des Grundstücks, so werden diese Änderungen nach den in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Vorschriften (in Deutschland voraussichtlich über § 15a UStG) berücksichtigt.
Gemäß Art. 2 der RL 2009/162/EU v. haben die Mitgliedstaaten den neuen Art. 168a bis zum in nationales Recht umzusetzen.Seeling-Modell: Der EuGH hatte mit dem Urteil in Sachen „Seeling“ klargestellt, dass die Eigennutzung von betrieblichen Gebäudeteilen steuerbar und – entgegen der bisherigen nationalen Auffassung – auch nicht steuerfrei ist (NWB TAAAB-72686). Dieser Auffassung haben sich sowohl der BFH als auch die Finanzverwaltung angeschlossen (NWB HAAAA-71896 u. NWB WAAAB-20076; NWB MAAAB-20558; NWB UAAAC-52375).
Vorsteuerabzug: Der Unternehmer hat demnach die Möglichkeit, ein teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (privat) genutztes Gebäude insgesamt dem Unternehmen zuzuordnen (sofern die unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt) und die auf das Gebäude insgesamt – einschließlich des private genutzten Teils – entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG).
Unentgeltliche Wertabgabe: Im Gegenzug muss der Unternehmer dann die private Verwendung als unentgeltliche Wertabgabe versteuern (§ 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 1 UStG). Als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe hat der Unternehmer die auf den Vorsteuerberichtigungszeitraum von 10 Jahren zu verteilenden Anschaffungs-/ Herstellungskosten anzusetzen (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 S. 2 UStG i.V. mit § 15a Abs. 1 S. 2 UStG). Mit dem Urteil in der Sache „Hausgemeinschaft Wollny“ hat der EuGH bestätigt, dass die Regelung zur Verteilung der Anschaffungs-/ Herstellungskosten über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 S. 2 UStG) nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt (NWB RAAAC-09459).
Liquiditätsvorteil: Die Steuerpflicht der Privatnutzung des betrieblichen Gebäudeteils führt dazu, dass der Unternehmer im Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung den vollen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Dieser wird dann in der Folgezeit – in kleinen Schritten – über die Besteuerung der Privatnutzung anteilig zurückgeführt. Nach Ablauf des 10-jährigen Berichtigungszeitraums (§ 15a Abs. 1 S. 2 UStG) sind die Anschaffungs- / Herstellungskosten dann vollständig in die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe eingeflossen und werden in den Folgejahren nicht mehr berücksichtigt (vgl. NWB CAAAB-20557). Für den Unternehmer kann dies im Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung einen Liquiditätsvorteil bedeuten.
Hinweis: Zur Anwendung der Seeling-Rechtsprechung hat die OFD Karlsruhe (NWB ZAAAD-15472) mittlerweise klargestellt, dass die Zuordnungsentscheidung grundsätzlich durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in der Umsatzsteuervoranmeldung direkt bei Leistungsbezug zu treffen ist. Es soll jedoch nicht beanstandet werden, wenn die Zuordnungsentscheidung erst bei Abgabe der Erklärung des Jahres, in dem die jeweiligen Leistungen bezogen wurden, getroffen und der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Eine spätere Zuordnung, z.B. durch die Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuerjahreserklärung, soll jedoch nicht zulässig sein.
Fundstelle(n):
WAAAF-46030