Umsatzsteuer | Wirkung des Tabelleneintrags im Insolvenzverfahren (BFH)
Werden zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung gemäß § 185 InsO i.V. mit § 251 Abs. 3 AO zu und kann wie diese unter den Voraussetzungen des § 130 AO geändert werden (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Da zur Insolvenztabelle nur Insolvenzforderungen, nicht aber auch Masseverbindlichkeiten anzumelden sind, ist bei der Forderungsanmeldung zu berücksichtigen, dass zwar auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmereinheit gilt. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Zu unterscheiden sind der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen sind, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden können. Diese Teilbereiche sind bei allen Umsatzsteuersachverhalten und damit auch bei der Zuordnung der dem Gesamtunternehmen zustehenden Berechtigungen – wie z.B. dem Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 UStG – zu beachten.
Sachverhalt: Nachdem im August 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt wurde, meldete das Finanzamt eine Insolvenzforderung für Umsatzsteuer Juni bis August 2006 an. Die Forderungsanmeldung wurde vom Insolvenzverwalter „zur Tabelle anerkannt“ und in die Tabelle als festgestellt eingetragen. Ca. ein Jahr später ging beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum Januar bis August 2006 ein, die eine geringere Steuerschuld für 2006 auswies. Das Finanzamt behandelte die nachträglich eingereichte Umsatzsteuererklärung als Antrag auf Änderung des Tabelleneintrags und lehnte diesen Antrag ab.
Hierzu führt der BFH weiter aus: Grundlage für die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren nach §§ 174 ff. InsO ist der gemäß §§ 16 ff. UStG berechnete Steueranspruch für das Kalenderjahr. Im Jahr der Insolvenzeröffnung ist die anzumeldende Steuer für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zu berechnen. Die Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG unterliegt weder den Beschränkungen der Insolvenzaufrechnung noch denen der Insolvenzanfechtung. Werden zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung gem. § 185 InsO i.V. mit § 251 Abs. 3 AO zu und kann wie diese unter den Voraussetzungen des § 130 AO geändert werden. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Anmerkung: Das Finanzamt hat die für den Zeitraum Januar bis August eingereichte nachträglich Umsatzsteuererklärung als Antrag auf Änderung des Tabelleneintrags behandelt und, anstatt über den Antrag nach Maßgabe des § 130 Abs. 1 AO eine Ermessensentscheidung zu treffen, diesen in der unzutreffenden Annahme, die Änderung sei nur unter den nicht vorliegenden Voraussetzungen einer Restitutionsklage zulässig, abgelehnt. Nach der Entscheidung des BFH ist das Finanzamt nun verpflichtet, das ihm zustehende Ermessen erstmals auszuüben und den Kläger unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu bescheiden.
Quelle: BFH online
Fundstelle(n):
EAAAF-43123