BGH Beschluss v. - IV ZB 23/15

Instanzenzug: KG

Gründe

1I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rückzahlung eines behaupteten Darlehens und Erstattung angeblich in ihrem Auftrag getätigter Aufwendungen.

2Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am zugestellt worden. Nachdem dieser fristgerecht Berufung eingelegt hatte, ist die Frist zur Begründung der Berufung zuletzt bis zum verlängert worden. An diesem Tag ist beim Oberlandesgericht ein Telefax eingegangen, dessen Übermittlung um 23.53 Uhr abgeschlossen war. Es umfasste 14 Blatt und enthielt die Berufungsanträge sowie die Begründung des Rechtsmittels. Mit der Überschrift "D. Zulassung der Revision" brach es ab und war nicht unterzeichnet. Am Folgetag ist das Original des Schriftsatzes mit einer Seite 15 beim Berufungsgericht eingegangen, die auch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten trug.

3Nach Hinweis des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit am eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung. Hierzu hat er ausgeführt, er habe den Schriftsatz am gegen 23.30 Uhr fertiggestellt und anschließend ausgedruckt. Nach Unterzeichnung habe er das Original des Schriftsatzes auf das Faxgerät seiner Kanzlei gelegt und den Startknopf gedrückt. Die Übermittlung des Faxes habe um 23.46 Uhr begonnen und sei um 23.53 Uhr mit dem Ausdruck des Sendeberichts, der den Vermerk "ok" enthalten habe, abgeschlossen gewesen. Das Gerät habe Seite für Seite eingezogen. Fehler habe er nicht beobachtet. Erst am nächsten Tag nach einem telefonischen Hinweis des Gerichts habe er festgestellt, dass nur 14 Seiten übermittelt worden seien. Ein solcher Fehler des Faxgerätes sei nach seiner Kenntnis weder zuvor noch in der Folge wieder aufgetreten.

4Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

5Zur Begründung hat es ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, dass den Prozessbevollmächtigten der Beklagten kein Verschulden an der Fristversäumung treffe. Er habe bei der Übermittlung der Berufungsbegründung aus mehreren Gründen die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei nicht walten lassen. So habe er den sich auf die Übermittlung der Berufungsbegründung beziehenden Sendebericht nicht hinreichend kontrolliert, weshalb ihm entgangen sei, dass die Übermittlung unvollständig war. Die Beklagte habe nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass die Unterlassung nicht ursächlich für die Fristversäumnis gewesen sei. Abgesehen davon, dass noch weitere sieben Minuten für einen zweiten Übertragungsversuch zur Verfügung gestanden hätten, scheitere eine Entlastung der Beklagten daran, dass nicht dargetan worden sei, dass dieser sieben Minuten in Anspruch genommen hätte. Soweit das Faxgerät des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ungewöhnlich langsam arbeiten sollte oder die Übermittlungsverzögerung auf einer übermäßigen Beanspruchung des Faxgerätes beruhte, läge das Verschulden darin, dass mit der Übermittlung der Berufungsbegründung durch Telef ax erst um 23.46 Uhr begonnen worden sei.

6Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

7II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine solche ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt nicht die Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

81. Rechtsfehlerfrei war das Berufungsgericht der Auffassung, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfolgen konnte, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Frist zur Begründung der Berufung schuldhaft versäumt habe und sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO sein Verschulden zurechnen lassen müsse.

9Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang ausschließen. Bei der Übermittlung eines Schreibens per Telefax darf daher der Übermittlungsvorgang erst dann als abgeschlossen angesehen werden, wenn sich der Absender von der ordnungsgemäßen, insbesondere vollständigen Übermittlung überzeugt hat. Über die konkrete Übermittlung muss ein Sendeprotokoll ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes neben den erforderlichen Anlagen übermittelt wurden (BGH, Beschlüsse vom - VI ZA 3/09, VersR 2010, 1515 Rn. 8; vom - VII ZB 13/96, VersR 1996, 1523 unter 2; Urteil vom - V ZR 62/93, VersR 1994, 1494 unter 2 b; jeweils m.w.N.).

10Nach diesem Maßstab war das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der Ansicht, dass es den an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen widersprach, dass er lediglich beobachtet hat, "wie Seite für Seite des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom Faxgerät eingezogen wurde", nicht aber, wie er selbst eingeräumt hat, unmittelbar nach Versendung des Schrif tsatzes die Seiten der Berufungsbegründungsschrift noch einmal durchgezählt und mit den Seitenzahlangaben im Sendebericht verglichen hat. Auch wenn das Faxgerät weder vor noch nach dem Grund zur Beanstandung gegeben hat, wie die Beklagte behauptet, ändert dies nichts an der Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten zur Überprüfung einer ordnungsgemäßen und vollständigen Übertragung im konkreten Einzelfall.

112. Das Berufungsgericht hat - anders als die Beschwerde meint auch nicht gehörswidrig und willkürlich (Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) die zeitlichen Abläufe für eine erneute Faxübersendung gewürdigt, soweit es festgestellt hat, der vorgenannte Pflichtverstoß sei für die Säumnis der Frist kausal geworden. Der Prozessbevollmächtigt e der Beklagten hat - wie das Berufungsgericht beanstandungsfrei angenommen hat - nichts Konkretes dazu vorgetragen, dass ein erneuter Übertragungsversuch tatsächlich wieder etwa sieben Minuten gedauert hätte. Soweit er mit Wiedereinsetzungsantrag vom behauptet hat, dass der Seitenabgleich, die Feststellung des Fehlers, die erneute Anwahl des Faxgeräts und das Einlesen der Seiten schon bis 24.00 Uhr gedauert hätten, so dass die erneute Übertragung von 6:40 Minuten erst am erfolgt wäre, ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dies eine ungewöhnlich lange Zeit sei. Dies lässt auch bei Berücksichtigung des Vorbringens der Rechtsbeschwerde keine durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Wenn die Übermittlung eines 15 -seitigen Telefaxes mit dem benutzten Gerät tatsächlich eine solch lange Zeit benötigte, so war der Beginn der Versendung um 23.46 Uhr bereits zu spät.

123. Schließlich hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht den fehlerhaften Obersatz aufgestellt, dass ein Rechtsanwalt keine langsam arbeitenden Faxgeräte verwenden dürfe; insoweit besteht auch kein weitergehender Klärungsbedarf.

13Zwar darf ein Rechtsanwalt bei Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen (vgl. z.B. , [...] Rn. 9 m.w.N.). Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz - wie hier - am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene hat der Anwalt bei der Übermittlung des Schriftsatzes per Fax daher nur getan, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden können (BGH aaO; BVerfG, NJW 2000, 574). Will der Rechtsanwalt den Begründungsschriftsatz erst kurz vor Ablauf der Frist per Telefax übermitteln, muss er besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung keine Fehler passieren (, VersR 2007, 1581 Rn. 7 m.w.N.).

14Das war hier, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, nicht der Fall. Eine Partei muss nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu - insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden - die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört; ein Anwalt muss dem im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung tragen (BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 24/10, [...] Rn. 10 m.w.N. und vom - III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8 m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte dementsprechend deutlich früher als um 23.46 Uhr mit der Versendung der Berufungsbegründung beginnen müssen; dies gilt insbesondere dann, wenn sein Vortrag zugrunde gelegt wird, dass die Übersendung eines 15-seitigen Schriftsatzes mit seinem Faxgerät etwa sieben Minuten dauert.

Fundstelle(n):
HAAAF-32563