SteuerStud Nr. 2 vom Seite 69

Steuermodernisierungsgesetz – „Leuchtturmprojekt“ der Legislaturperiode 2016 mit viel Schatten

Univ.-Prof. Dr. iur. Roman Seer | Herausgeber | steuerstud-redaktion@nwb.de

Das Bundeskabinett hat am den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (Steuermodernisierungsgesetz – StModG) beschlossen. Das Gesetz soll bis zur Sommerpause die parlamentarischen Hürden genommen haben und zum in Kraft treten. Während die Große Koalition sich im Bereich des materiellen Steuerrechts (z. B. des Einkommen-, Unternehmen-, Umsatzsteuerrechts) als wenig reformfähig erweist, wird das in der AO verankerte Besteuerungsverfahren an die Bedingungen des Steuervollzugs im Zeitalter der Digitalisierung angepasst. Im Zentrum steht die Einführung einer vollautomatischen Steuerveranlagung unter dem Einsatz von elektronischen Risikomanagementsystemen als strukturelle Verifikationsmittel. Dazu wird der Untersuchungsgrundsatz des § 88 AO auf ein Prinzip behördlicher Letztverantwortung zurückgeführt und die Rechtsform des Verwaltungsakts einschließlich seiner Korrektur insoweit angepasst. Eine wichtige Funktion zur Sicherstellung eines gesetzmäßigen Steuervollzugs nehmen elektronische Kontrollmitteilungssysteme wahr, die in der AO vereinheitlicht werden. Die bisher im Wege jährlicher Verwaltungserlasse verlängerten Fristen für von steuerlichen Beratern erstellten Steuererklärungen werden gesetzlich geregelt; insoweit werden die bisher im Ermessen des Finanzamts stehenden Verspätungszuschläge auf kalkulierbare Weise (i. S. einer „Muss-Vorschrift“) vereinheitlicht.

Bei kritischer Durchsicht des Regierungsentwurfs ist festzustellen, dass das StModG vom Interesse der Finanzbehörden dominiert wird, ihre Verwaltungsressourcen möglichst effizient einzusetzen. Zu kurz geraten sind dagegen die Bedürfnisse der Bürger und Unternehmen sowie ihrer steuerlichen Berater. Der in dem StModG angelegte selbstregulierende Steuervollzug muss ihnen aber erleichtert werden. Dazu gehören etwa

  • ein Rechtsanspruch auf verbindliche Auskunft (bei Kostenfreiheit im Falle einer Negativauskunft; vgl. zum Thema „verbindliche Auskunft“ auch Marx, SteuerStud 2/2016 S. 72, sowie Oppel/Eiling, SteuerStud 2/2016 S. 88 NWB TAAAF-32546),

  • die Einführung fristgebundener (kostenfreier) Anrufungsauskünfte zugunsten der in den Dienst genommenen Unternehmer im Bereich von Lohn-, Kapitalertrag- und Umsatzsteuer,

  • ein Recht auf Akteneinsicht und Informationsfreiheit,

  • frühzeitige Rechtssicherheit durch den Ausbau zeitnaher Außenprüfungen unter zeitlicher Verkürzung des Vorbehalts der Nachprüfung sowie der Festsetzungsverjährungsfrist und

  • eine kapitalmarktorientierte Verzinsung von Steueransprüchen, die keine „verdeckte Steuerlast“ enthält (zur Verzinsung vgl. bereits Seer, Beilage 2/2014 zu SteuerStud 10/2014 S. 3 NWB WAAAE-72812).

Dem „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ sollte daher ein „Gesetz zur Erhöhung der Fairness im Besteuerungsverfahren“ nachfolgen.

Herzliche Grüße

Ihr

Roman Seer

Fundstelle(n):
SteuerStud 2/2016 Seite 69
WAAAF-32519