BGH Beschluss v. - 4 StR 276/15

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Zäsurwirkung einer Vorverurteilung; Anforderungen an den Revisionsvortrag bei einer Befangenheitsrüge

Gesetze: § 55 StGB, § 25 StPO, § 344 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 32/14

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.    "wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom bezüglich der gefährlichen Körperverletzung in Höhe von 9 Monaten Freiheitsstrafe und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt"; ferner hat es die Adhäsionsentscheidung aus jenem Urteil aufrechterhalten. Den Angeklagten H.    hat das Landgericht wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilungen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel der Angeklagten; der Angeklagte H.    beanstandet zudem das Verfahren. Die Revision des Angeklagten K.    hat hinsichtlich der Gesamtstrafenbildung und Aufrechterhaltung der Adhäsionsentscheidung Erfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

21. Das Rechtsmittel des Angeklagten K.    ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch hinsichtlich der Tat vom richtet. Jedoch haben die Einbeziehung einer Einzelstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom und die Aufrechterhaltung der Adhäsionsentscheidung aus diesem Urteil keinen Bestand.

3a) Nach den hierzu vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte K.    am vom Amtsgericht Essen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt (Tatzeit: ). Auf die hiergegen eingelegte Berufung hin verurteilte das Landgericht Essen den Angeklagten am unter Einbeziehung einer Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. In diesem Strafbefehl war gegen den Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten (mit Bewährung) verhängt worden (Tatzeit: ). Den nunmehr abgeurteilten besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hat der Angeklagte am begangen.

4b) Angesichts dieser Feststellungen war die nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Urteil des Landgerichts Essen vom richtig; insbesondere ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom Zäsurwirkung zukommt. Da die nunmehr abgeurteilte Tat aber erst nach diesem Strafbefehl vom begangen wurde, scheidet eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB aus.

5In einem solchen Fall bildet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur die (zeitlich) erste Vorverurteilung eine Zäsur mit der Folge, dass eine später begangene Straftat gesamtstrafenrechtlich so zu betrachten ist, als ob sie nach der (aus der ersten und zweiten Vorverurteilung gewissermaßen zusammengesetzten) ersten und einzigen Vorverurteilung begangen wäre (vgl. , StraFo 2013, 345 f.). So verhält es sich hier. Damit ist eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB mit der verhängten Einzelstrafe für die am begangene, jedoch erst am abgeurteilte Tat ausgeschlossen; sie ist infolge der in diesem Urteil zutreffend gebildeten nachträglichen Gesamtstrafe gesamtstrafenrechtlich "verbraucht" und steht für eine erneute Gesamtstrafenbildung nicht mehr zur Verfügung (vgl. mwN).

62. Das Rechtsmittel des Angeklagten H.    hat insgesamt keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO; vgl. zur Abgrenzung zwischen Raub und Diebstahl auch die Beschlüsse des , NStZ 2003, 89, und vom – 3 StR 174/13, juris Rn. 8).

7Zu der von diesem Angeklagten H.    erhobenen Verfahrensrüge bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom , dass diese – soweit sie die Vorgänge in Zusammenhang mit der Nebenklage betrifft – bereits deshalb unzulässig ist, weil die Revision die Tatsachen nicht mitteilt, die für die Prüfung von Bedeutung sind, ob der Befangenheitsantrag rechtzeitig im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt wurde (vgl. SSW-StPO/Widmaier, § 338 Rn. 23; Radtke/Hohmann/Nagel, § 338 StPO Rn. 37). Dass die Entscheidung des Landgerichts über das Ablehnungsgesuch den Antrag ohne nähere Ausführungen als "rechtzeitig im Sinne des § 25 Abs. 1 StPO" erachtet, ersetzt den nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO notwendigen Revisionsvortrag schon deshalb nicht, weil dem nach Beschwerdegrundsätzen entscheidenden Revisionsgericht im Rahmen des § 338 Nr. 3 StPO die umfassende Prüfung obliegt, ob das Ablehnungsgesuch "mit Unrecht" verworfen wurde, was auch bei einem als unbegründet zurückgewiesenen, tatsächlich jedoch bereits unzulässigen Antrag nicht der Fall ist (vgl. SSW-StPO/Widmaier, § 338 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 338 Rn. 27 f.).

Sost-Scheible                           Roggenbuck                        Cierniak

                        Mutzbauer                               Bender

Fundstelle(n):
DAAAF-19153