BAG Urteil v. - 9 AZR 952/13

Altersteilzeit - Mindestnettobetrag iSd. § 5 Abs 2 TV ATZ

Gesetze: § 5 Abs 2 AltTZTV, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996, § 6 Abs 1 AltTZG 1996, § 4 AltTZTV, § 5 Abs 1 AltTZTV

Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 5 Ca 726/12 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 2 Sa 1564/12 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von tariflichen Sonderzahlungen, die aufgrund einer Änderung der tariflichen Grundlage während der Freistellungsphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nicht mehr vorgesehen sind, im Rahmen der Berechnung des Mindestnettobetrags.

2Der Kläger stand in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land, das sich kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen bestimmte. Aufgrund des Altersteilzeitarbeitsvertrags vom iVm. der Änderung vom vereinbarten die Parteien unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom in der jeweils geltenden Fassung (TV ATZ) zuletzt für die Zeit vom bis zum Altersteilzeit im Blockmodell mit einem Wechsel in die Freistellungsphase zum . Mit Wirkung ab dem fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der den BAT ablösende Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) vom Anwendung, der die Zahlung eines Urlaubsgelds nicht mehr und statt einer bislang zu zahlenden (jährlichen) Zuwendung iHv. ca. 82 vH die Zahlung einer Jahressonderzahlung gemäß § 20 TV-H iHv. 60 vH des Bezugsentgelts vorsieht.

3Der TV ATZ idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom lautet auszugsweise:

4Mit dem Bezügenachweis für Dezember 2011 nahm das beklagte Land gegenüber dem Kläger für die Monate Juli 2010 und Juli 2011 eine Nachzahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2010 und 2011 und für die Monate November 2010 und November 2011 eine Nachzahlung der (jährlichen) Zuwendung für die Jahre 2010 und 2011 vor. Eine Berücksichtigung von Urlaubsgeld und (jährlicher) Zuwendung bei der Mindestnettobetragsberechnung nach § 5 Abs. 2 TV ATZ für die Monate Juli und November 2010 sowie Juli und November 2011 lehnte das beklagte Land auch nach Beanstandung durch den Kläger unter Hinweis auf einen Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom ab.

5Mit seiner dem beklagten Land am zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung eines - in der Höhe zwischen den Parteien unstreitigen - Betrags iHv. 1.324,06 Euro netto nebst Zinsen als weitere Altersteilzeitvergütung verlangt. Dazu hat der Kläger die Ansicht vertreten, in der Freistellungsphase seien Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung nach der sog. Spiegelbildtheorie auch bei der Berechnung des Mindestnettobetrags nach § 5 Abs. 2 TV ATZ trotz zwischenzeitlichen Inkrafttretens des TV-H zu berücksichtigen.

6Der Kläger hat beantragt,

7Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung seien bei der Berechnung des Mindestnettobetrags nach dem klaren Wortlaut des Tarifvertrags nicht zu berücksichtigen.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Gründe

9Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Nettobetrags iHv. 1.324,06 Euro aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag iVm. § 5 Abs. 2 TV ATZ.

10I. Bei Arbeitnehmern, die Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart haben, ist zwischen der Berechnung der Bezüge nach § 4 Abs. 1 TV ATZ und der Berechnung des Mindestnettobetrags nach § 5 Abs. 2 TV ATZ zu differenzieren (vgl.  - Rn. 21, BAGE 116, 86; - 9 AZR 353/02 - zu A II 1 b bb (5) der Gründe, BAGE 106, 353; Langenbrinck/Litzka/Kulok Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte 5. Aufl. § 4 TV ATZ Rn. 6). Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren allein die Höhe des Mindestnettobetrags iSd. § 5 Abs. 2 TV ATZ.

11II. Das beklagte Land hat der Berechnung des Mindestnettobetrags iSd. § 5 Abs. 2 TV ATZ zu Recht das sog. Hätte-Entgelt zugrunde gelegt. Gemäß § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 TV ATZ muss der Aufstockungsbetrag so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 vH des Nettobetrags des bisherigen Arbeitsentgelts erhält. Nach § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 TV ATZ ist als bisheriges Arbeitsentgelt anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV ATZ) zu beanspruchen hätte.

121. Wie nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AltTZG sowie § 6 Abs. 1 AltTZG idF vom (geändert durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl. I S. 2848), denen § 5 Abs. 2 TV ATZ nachgebildet wurde (zur Gesetzes- und Tarifgeschichte vgl.  - Rn. 47, BAGE 118, 1), ist bei der Berechnung des (Netto-)Aufstockungsbetrags das sog. Hätte-Entgelt zugrunde zu legen ( - Rn. 21, BAGE 116, 86; - 9 AZR 353/02 - zu A II 1 b bb (4) der Gründe, BAGE 106, 353).

13Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen auf den klaren Wortlaut der Tarifvorschrift abgestellt. Darüber hinaus gebietet auch der Sinn und Zweck des Mindestnettobetrags die Ermittlung des fiktiven Entgelts, das dem Arbeitnehmer im fraglichen Monat der Freistellungsphase zugestanden hätte, wenn er mit seiner bisherigen Arbeitszeit, die mit ihm vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war, tatsächlich gearbeitet hätte. Die Aufstockung auf den Mindestnettobetrag stellt keine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung dar ( - zu II 4 der Gründe, BAGE 112, 214). Die Aufstockungsleistungen haben zum Ziel, den Lebensstandard des Arbeitnehmers auch in der Altersteilzeit zu sichern ( - Rn. 21, BAGE 116, 86). Würde sich der Mindestnettobetrag an den - regelmäßig - bereits einige Jahre alten tariflichen Regelungen während der Aktivphase orientieren, so wäre nicht gewährleistet, dass der Lebensstandard auch unter den geänderten Lebensbedingungen in der Freistellungsphase aufrechterhalten werden kann. Dies wird vielmehr durch die Anwendung der dann aktuellen Tarifregelungen gesichert, was in der Regel zu einem höheren Mindestnettobetrag führt als die spiegelbildliche Betrachtung der Vergütung im Referenzmonat der Aktivphase. Dafür, dass diese Dynamik dem Willen der Tarifvertragsparteien entspricht, streitet auch die Protokollnotiz zu § 5 Abs. 2 TV ATZ, nach der allgemeine Bezügeerhöhungen zu berücksichtigen sind, soweit die zugrunde liegenden Bezügebestandteile ebenfalls an allgemeinen Bezügeerhöhungen teilnehmen. Dies lässt sich mit der Auffassung des Klägers, bei der Ermittlung des Mindestnettobetrags sei die Tarifsituation im entsprechenden Monat der Aktivphase zugrunde zu legen, nicht in Einklang bringen.

142. Der Senat hat auch mit seiner Entscheidung vom (- 9 AZR 369/05 - BAGE 118, 1) die Maßgeblichkeit des sog. Hätte-Entgelts im Rahmen des § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht zugunsten einer Geltung des Spiegelbildprinzips aufgegeben. Zwar hat der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt, die Aufstockungsleistungen seien gleichfalls „spiegelbildlich“ nach dem Entgelt zu bemessen, das der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zu beanspruchen hatte ( - Rn. 52, aaO). Diese Erwägung ist jedoch im Zusammenhang der gesamten Entscheidungsgründe zu sehen. Nur der sog. Zeitfaktor ist vergangenheitsbezogen. Für das - vorliegend streitgegenständliche - Arbeitsentgelt (sog. Geldfaktor) hat der Senat an der Gegenwartsbezogenheit ausdrücklich festgehalten ( - Rn. 44, aaO).

15Ebenso wenig ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom ein anderes Ergebnis. Streitgegenstand war in jener Entscheidung allein die Auszahlung des während der Aktivphase nicht ausgezahlten Teils der tariflichen Einmalzahlung, nicht die Berechnung des Mindestnettobetrags iSd. § 5 Abs. 2 TV ATZ ( - Rn. 28 ff.).

163. Zur Ermittlung des Mindestnettobetrags hat mithin auch bei Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit eine (fiktive) Überleitung in den TV-H zu erfolgen (vgl. zur Überleitung in den TVöD/TV-L Langenbrinck/Litzka/Kulok Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte 5. Aufl. § 5 TV ATZ Rn. 58; siehe auch TdL-Hinweise zur Anwendung des TV ATZ im Geltungsbereich des TV-L, zu III 4.2, abgedruckt bei Sponer/Steinherr TVöD/TV-L Ergänzende Vorschriften Ordner 1 TV ATZ Anhang Nr. 2.2). Danach hätte der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgelds und anstelle der früher gezahlten (jährlichen) Zuwendung nur noch Anspruch auf eine Jahressonderzahlung gemäß § 20 TV-H. Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung waren daher bei der Berechnung des Mindestnettobetrags nicht zu berücksichtigen. Nach einem Vergleich des Aufstockungsbetrags nach § 5 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ mit dem Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ ist dem Arbeitnehmer der höhere Betrag zu zahlen. Das war hier der Fall.

17III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:110815.U.9AZR952.13.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 52 Nr. 1
ZAAAF-18220